Köln | Das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“ wird kein Bestseller. Am heutigen Dienstag sprach der 15. Zivilsenat sein Revisionsurteil in drei Fällen. Im Kern bestätigten die Berufungsrichter das Urteil aus erster Instanz. Lediglich bei der Frage des Schadensersatzes gab es eine wichtige Änderung.

In drei Urteilen stellten sich die Kölner Richter hinter die Kollegen aus der Vorinstanz mit dem einen, aber wichtigen Unterschied, dass die Person Helmut Kohl zwischen der Verkündung der erst- und zweitinstanzlichen Urteile verstorben war. Das hat an einigen Stellen auch Auswirkungen auf das Urteil als solches.

In seinem ersten Urteil (Az: 15U 65/17) bestätigte das Kölner OLG die Unterlassungsverpflichtung gegen den Hauptautor in allen 116 beanstandeten Textstellen. Der Hauptautor sei als „Ghostwriter“ des Altbundeskanzlers aus einem Rechtsverhältnis ähnlich dem Auftragsrecht umfassend zur Verschwiegenheit verpflichtet. Grundlage der mehrjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit sei gewesen, dass dem Verstorbenen ein Letztentscheidungsrecht über etwaige Veröffentlichungen zugestanden habe. Nur vor diesem Hintergrund habe er sich gegenüber dem Hauptautor geöffnet und diesem Zugang zu geschützten Unterlagen wie zum Beispiel seiner Stasi-Akte ermöglicht, so der Zivilsenat.

Gegenüber Verlag und Co-Autor bestehe die Unterlassungsverpflichtung jedoch nur in 115 Fällen. Zwar gebe es keine Vereinbarung wie im Falle des Hauptautors. Sie treffe aber eine Unterlassungspflicht, weil die angegriffenen Zitate das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verletzten. In acht Fällen hatte Kohl den Sperrvermerk schon während der Bandaufzeichnungen ausgesprochen, in 41 weiteren Fällen waren die Zitate unrichtig oder im Kontext verfälscht und 18 wurden als Kombizitate so genutzt, dass sie Missverständnisse erzeugten.

Geänderte Rechtslage durch den Tod des Alt-Kanzlers

Im Berufungsverfahren habe sich die Rechtslage insoweit geändert, als durch den Tod des Altbundeskanzlers dieser in Gestalt des so genannten postmortalen Persönlichkeitsrechts nur noch einen schwächeren Schutz genieße als der lebende Mensch. Daher blieben bei 115 der angegriffenen Textstellen nur noch die darin enthaltenen wörtlichen Äußerungen verboten. Zitate seien eine besonders scharfe Waffe im politischen und gesellschaftlichen Meinungskampf, da der Zitierte als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt werde.

Dies sei auch bei einem Verstorbenen der Fall, weil dessen Lebensbild ohne eine ausreichende Möglichkeit der Gegenwehr den entsprechenden Auswirkungen in der öffentlichen Meinungsbildung ausgesetzt sei. Eine der Textstellen enthalte kein wörtliches Zitat und sei daher nicht zu untersagen.

Besonders in seinem zweiten Urteil, einem möglichen Schadensersatz, habe sich die Ausgangslage inzwischen geändert. Denn mit dem Tod Kohls gebe es auch keine nachträgliche Entschädigung. Unter Verweis auf ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2017 sind Ansprüche auf monetäre Entschädigungen bei Verletzungen der Persönlichkeitsrechte nicht vererbbar. Hier stehe der Gedanke der Genugtuung vor dem der Prävention. Mit dem Tod des Verletzten verliere die bezweckte Genugtuung an Bedeutung. Vererblich sei die Rechtsposition erst mit rechtskräftiger Zuerkennung der Geldentschädigung, so der Inhalt des zweiten Urteils, das heute verkündet wurde (Az: 15U 64/17).

In einem dritten Urteil wies das Berufungsgericht den Hauptautor des Buches an, der Erbin des Altbundeskanzlers Auskunft über Anzahl und Verbleib von Kopien der Originaltonbänder erteilen. Weitere Auskunftsansprüche seien hingegen verjährt. Der Senat änderte insoweit eine Entscheidung des Landgerichts Köln in einem Teilbereich zu Gunsten des Beklagten ab und wies im Übrigen die Berufungen beider Seiten zurück (Az: 15U 66/17).

Im Falle der ersten beiden Urteile hat der Zivilsenat eine Revision vor dem Bundesgerichtshof zugelassen, im letzteren Fall nicht. Insbesondere die juristische Beurteilung zur Reichweite postmortaler Persönlichkeitsrechte bei ungenehmigten Veröffentlichungen ist im Falle des ersten Urteils noch nicht höchstrichterlich geklärt. Im zweiten Fall ließen die Richter ebenfalls eine Revision zu, weil die möglichen Ausnahmefallgruppen für eine ausnahmsweise anzunehmende Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen noch zu Lebzeiten erfolgter schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzungen von grundlegender Bedeutung und höchstrichterlich ebenfalls noch ungeklärt sind. Lediglich im dritten Urteil gehe es mehr um den konkreten Einzelfall. In diesem Fall ist eine Revision nicht zugelassen.

Autor: bfl