Düsseldorf | Besorgt blickt Carla Michels auf eine grüne Wiese mit bunten Blumen und umherflatternden Schmetterlingen in Marl. „Ich bin ganz schön geschockt“, sagt die Pflanzenexpertin des Landesamtes für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz (LANUV). Nicht die Kamillen, Brennnesseln oder Gräser beunruhigen sie, sondern die mehreren Hundert Exemplare der Beifuß-Ambrosie. Der sogenannte Neophyt ist eine Pflanze, die vom Menschen aus anderen Ländern eingeschleppt wurde. Die Ambrosie und einige weitere Arten breiten sich in NRW aus und bereiten Mensch und Umwelt Probleme. Die Bekämpfung ist schwierig bis aussichtslos.

15 gebietsfremde Pflanzenarten führt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) als problematisch an. Insgesamt gibt es etwa 200, die in NRW eine neue Heimat gefunden haben. „Die meisten Neophyten sind völlig ungefährlich“, betont Michels. Der Beifuß-Ambrosie, die Allergien und Heuschnupfen auslösen kann, und anderen Arten hat sie dagegen den Kampf angesagt. „Die Sachaline sind aus Naturschutzsicht am schlimmsten“, sagt Michels. Es ist eine invasive Staudenknöterichart mit großen grünen Blättern und gelb-grünen Fruchtständen, die besonders an Flussufern lebt. Die Hälfte der manchmal meterhohen Pflanze liege unter der Erde und könne deshalb nicht komplett entfernt werden. Der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Holger Sticht, erklärt: „Die schließen alles andere an Vegetation aus.“ Arten wie der Japanische Staudenknöterich seien in der Lage, eine Fläche komplett zu bewuchern.

BUND kritisiert „Hetze gegen Arten“

Große Probleme bereitet auch die Spätblühende Traubenkirsche. Die meistens als Strauch wachsende Pflanze mit roten Zweigen und dunklen Beeren kam aus Nordamerika nach Europa. „Die wächst gerne im Schatten unter Kiefern und Eichen“, erklärt Michels. Dort unterdrücke sie die Naturverjüngung, die Förster hätten Probleme, Bäume nachzuziehen. Allerdings betont die LANUV-Expertin: „Das hat sich der Mensch selbst eingebrockt.“ Die Herkulesstaude, die zu Verbrennungen führen kann, sei von Imkern für ihre Bienen angepflanzt worden, die Späte Traubenkirsche von Förstern als Brandschutz im Wald.

Der BUND NRW beklagt die Bekämpfung der Neophyten. „Es gibt manchmal eine richtige Hetze gegen neue Arten“, sagt Sticht. Es sei nur eine sehr geringe Zahl von Tier- oder Pflanzenarten, die sich als Problem erwiesen. „Die allermeisten Pflanzenarten kann man als Bereicherung ansehen.“ Sticht spricht sich dafür aus, Pflanzen nur zu bekämpfen, wenn durch sie andere seltene heimische Arten ausgerottet werden könnten. Es gebe beispielsweise gar keinen Grund, Herkules-Stauden zu bekämpfen.

Das sehen die Städte und Gemeinden anders. Die Herkulesstaude sei gefährlich, sagt Peter Queitsch, Umweltreferent beim Städte- und Gemeindebund. Der Schutz der Menschen stehe im Vordergrund. Deswegen versuchten die Kommunen, die Pflanze so weit wie möglich zurückzudrängen. Das Problem: „Ich glaube, dass 99 Prozent der Bevölkerung die Herkulesstaude gar nicht kennt“. Dabei seien die Kommunen auf Hinweise angewiesen, da sie nicht selbst genug Personal für die Kontrolle hätten.

LANUV will Meldesystem verbessern

LANUV-Expertin Carla Michels betont, in fast allen Fällen sei es sowieso zu spät, die Pflanzen ließen sich nicht mehr komplett ausrotten. Ziel sei es zu verhindern, dass sie sich an sensiblen Orten wie Naturschutzgebieten ansiedeln oder an Quellen, weil die Samen mit dem Wasser in weitere Gebiete transportiert werden könnten. Aber auch sie weiß, viele neue Pflanzen sind auch eine Bereicherung für das Land. „Es ist keine Bekämpfung des Fremden, sondern von Problemarten“, sagt sie.

Allerdings gibt es keine systematische Erfassung der Neophyten mit Ausnahme der Ambrosie, wie Michels sagt. Das LANUV will seine Meldeseite im Internet aufrüsten, sodass Bürger auf unkomplizierte Weise Standorte invasiver Arten melden können. Auch eine entsprechende App für Smartphones ist im Gespräch. Bis dahin aber bleibt das Problem. „Ich kann sensibilisieren, mehr aber nicht“, sagt Michels.

Autor: Helena Baers/ dapd | Foto: odluap/ fotolia