Steigende Eigenheimnachfrage trifft auf schrumpfendes Angebot. Foto: Presseclub Köln

report-K präsentiert ausgewählte Beiträge aus dem Newsletter des Kölner Presseclubs, den Sie hier abonnieren können. Für die redaktionellen Inhalte ist der Kölner Presseclub verantwortlichDer Autor dieses Beitrags, Michael Hirz, gehört dem Vorstand des Kölner Presseclubs an. Zuvor war der Journalist und Moderator u. a. als Leiter der Fernseh-Abteilung Kultur im WDR und als Programmgeschäftsführer des Fernsehsenders Phoenix tätig.

Zu den großen Vorzügen Kölns gehört es, dass es so unglaublich viele Dinge gibt, über die man sich so richtig aufregen kann: die epidemische Plage herumliegender E-Roller, Sauf- und Feierexzesse im Friesenviertel, die Verkehrspolitik und vieles anderes mehr. Der dramatische Mangel an bezahlbarem Wohnraum in der Stadt gehört nicht dazu. Aber der Streit mit dem Investor Gerchgroup, der in Domnähe lieber profitablere Büroflächen statt der verbindlich zugesagten 64 Wohnungen (darunter 19 Sozialwohnungenbauen will, könnte ein Vorgeschmack sein auf künftige Auseinandersetzungen um das Thema Bauen und Wohnen. Denn es häufen sich die Klagen von jungen Mittelschichtfamilien, die zwar mit ihren Jobs als Polizisten und Krankenhausärzte, als Lehrer und Pfleger die Stadt funktionsfähig halten, aber sich von ihrer qualifizierten Arbeit kaum eine halbwegs angemessene Wohnung oder gar ein Haus leisten können – es sei denn, sie verfügen durch kluge Wahl ihrer Eltern über ausreichende finanzielle Rückendeckung.

Der Bau von Wohnungen, die Schaffung von Wohnraum könnte hier Abhilfe leisten. 170.000 Wohnungen müssen nach einer Prognose des Landes bis 2040 in Köln entstehen, um die Nachfrage zu befriedigen. Eine Zahl, die Anton Bausinger für schlichtweg illusorisch hält. Der IHK-Vizepräsident und Bauunternehmer hält etwa 2.000 für realistisch. Das ist im Verhältnis noch deprimierender als die vom Kanzler versprochenen 400.000 Wohneinheiten fürs Bundesgebiet, von denen jetzt lediglich weniger als die Hälfte tatsächlich entstehen.

Ergebnis des Missverhältnisses von Angebot und Nachfrage sind steigende Preise bei Mieten und Kauf. So berichtete zum Beispiel gerade der Kölner Stadt-Anzeiger über Mieterhöhungen der GAG, einer überwiegend im kommunalen Besitz befindlichen Immobilien-Gesellschaft. Dabei wird teilweise die rechtlich zulässige Grenze von 15 Prozent Erhöhung maximal ausgeschöpft.

Eigentlich müsste nach den Gesetzen des Marktes die Bauwirtschaft boomen. Eigentlich. Tut sie aber nicht. Im Gegenteil, das renommierte IFO-Institut meldet sogar stornierte Aufträge im zweistelligen Prozentbereich – so viele wie seit Jahren nicht. Gleichzeitig gehen die Genehmigungen drastisch zurück. Die Geschäftserwartungen der Branche sind so niedrig wie noch nie, seit IFO diese Daten erhebt. Und das bei einem aktuell gemeldeten Fehlbestand von 700.000 Wohnungen in Deutschland. Giganten der Branche, wie die Vonovia, haben für dieses Jahr gar einen Stopp von Neubauten verkündet. Wie, so fragt man sich, will das Land die dringend benötigten fehlenden Fachkräfte ins Land holen, ohne sie in Zeltlagern unterzubringen?

Die Folgen einer solchen Entwicklung sind in ihrer Tragweite kaum anders als dramatisch zu nennen. Immerhin, daran erinnert Bausinger, ist Wohnen ein Grundrecht. Wird es, wie sich abzeichnet, massiv verletzt, wird das zum Stresstest nicht nur für einzelne Parteien und Regierungen, es stellt eine ganze Gesellschaftsordnung in Frage. Insofern verwundert, dass dieses Thema nicht längst im politischen Raum Priorität genießt. Gefördert wird durch dieses Versagen nicht nur der Wohnungsbau, sondern der politische Extremismus von links wie von rechts. „Ein ganz gefährliches Thema“, so Bausinger, „aber so ein sozialer Sprengstoff stärkt ganz klar die Randparteien, vor allem die AfD.“ Keine beruhigende Aussicht.

Anton Bausinger   Foto: Pressclub Köln
Bauunternehmer Anton Bausinger, Foto: Presseclub

Was hat zu dieser unseligen Entwicklung geführt? Vor allem Preissteigerungen bei Rohstoffen und Energie, Inflation, aber auch die Zinssprünge der letzten Zeit sowie ausufernde Regulierungen macht Anton Bausinger als Ursachen aus. Der Anstieg der Zinsen sei ein gewaltiges Problem, die Frage, ob ein oder fast fünf Prozent für einen Kredit gezahlt werden müsse, entscheide über Kauf oder Nicht-Kauf einer Immobilie. Der Bau von Wohnungen rechne sich schlicht nicht angesichts der explodierenden Kosten. „Das kriegt man nicht mehr rein, das gibt der Markt nicht her.“ Zwar sei in den vergangenen Jahren von „Leuten mit Geld viel gebaut worden, aber das habe nicht die gesamte Breite des Bedarfs abgedeckt“ – also gab es Defizite bei der Schaffung von günstigem und damit bezahlbarem Wohnraum.

Ein Wust von immer neuen Regulierungen begünstige den Abwärtstrend bei der Schaffung von neuem Wohnraum. Viele Vorschriften seien im Einzelfall zwar sinnvoll, aber in der Summe dann zu viel. Hier müsse es, zumindest befristet, eine Revision geben. Beim Blick auf Nachbarländer, die durchaus EU-Normen einhalten, scheint das plausibel. Auch müsse es wieder eine Förderung des vernachlässigten sozialen Wohnungsbaus geben. Nachdenken ließe sich ebenfalls über eine Kreditvergabe an Bauwillige über die bundeseigene KfW. Diese Förderbank käme mit einem Prozent Verzinsung klar, das wäre dann ein „Hammer-Instrument“. Klar ist auf jeden Fall, dass etwas geschehen muss – und das sehr bald!