Bonn | Für seine Kameraden in Afghanistan ist Stephan Lickert eine Art Weihnachtsmann. Der Feldpostsoldat verteilt im Lager Kundus Päckchen, Briefe und Postkarten aus der rund 4.500 Kilometer entfernten Heimat – auch im Sommer. „Wenn ich die strahlenden Augen sehe, dann freut mich das unheimlich“, sagt Lickert aus Wolfach im Schwarzwald. Vor 20 Jahren, am 22. Mai 1992, wurde die neu aufgelegte Feldpost der Bundeswehr mit einer humanitären UN-Mission in Kambodscha auf den Weg gebracht.

Grundlage für die Feldpostversorgung ist eine Vereinbarung mit der Deutschen Post. Seit dem Start hat die Post Millionen Briefe und Pakete aus der Heimat an die Soldaten und in die andere Richtung transportiert – auch Hilfsorganisationen profitieren. „Rund 2.000 Tonnen Feldpost mit 1,1 Millionen Briefen und 270.000 Frachtsendungen wurden im vergangenen Jahr verschickt“, sagt Postsprecher Stefan Heß.

Feldpostsoldaten wie der 41-jährige Lickert sind im Hauptberuf ganz normale Postboten, die nur für Kurzzeiteinsätze freiwillig ins Ausland wechseln. Pro Jahr werden 130 Feldpostsoldaten ausgebildet. Lickert war sein Job in seinem Heimatort Wolfach auf Dauer zu langweilig. „Hier verteile ich inzwischen hauptsächlich Werbung“, seufzt Lickert. „Ich wollte etwas erleben.“

Darum bewarb er sich bei der Deutschen Post für den viermonatigen Auslandseinsatz. Aus einem Einsatz wurden vier. Selbst an Weihnachten ließ er für das Abenteuer seine Frau zuhause sitzen. Lickert sagt: „Es ist wie eine Sucht.“

Aktuell sind 4.900 Soldaten in Afghanistan, 1.200 im Kosovo, 300 vor der Küste Somalias und 220 vor der Küste Libanons im Einsatz. Teilweise gehen 3.000 Pakete und 12.000 Briefe pro Tag durch die Poststellen – besonders in der Weihnachtszeit herrscht Hochkonjunktur. In Darmstadt werden die Sendungen umgeschlagen und auf die richtigen Wege gebracht. Im Ausland stehen den Soldaten acht Feldpostämter zur Verfügung.

Wenn harte Männer zum Stift greifen

„In fünf bis neun Tagen ist die Feldpost mit Sonderstempel in Afghanistan, bis in den Kosovo sind die Sendungen nur drei bis fünf Tage unterwegs“, sagt Postsprecher Heß. Für die Feldpost gilt der Inlandstarif, den Transport zahlt die Bundeswehr. Bundeswehrsprecher Jörg Langer sagt: „Die Feldpost ist eines der Bindeglieder nach Hause.“

Vom Dessousstück bis zum Scheidungsantrag: Feldpostsoldat Lickert hat schon viel verteilt. „Selbst ältere Kameraden haben Tränen in den Augen und sind sehr gerührt, wenn sie einen Brief erhalten.“ Die Feldpost sei im Lager „eine heiße Ware“. „Wenn der Lastwagen mit der Post um die Ecke fährt, geht das rum wie ein Lauffeuer“, berichtet er. Ruckzuck sei das Postamt dann ausgeräumt.

E-Mail, Twitter, Webcam und Facebook zum Trotz: In der Ferne greifen Soldaten offensichtlich gerne zu Stift und Papier. Viele Soldaten haben ihren letzten Brief in der Schulzeit geschrieben, hat Lickert beobachtet. In der Ferne würden sie sich wieder Zeit für persönliche Zeilen nehmen. „Internet-Telefonie funktioniert nicht immer. Da hängen die Spionagesender dran.“

Ob er keine Angst hat? „Das erste Mal hatte ich Bammel, als eine Rakete über das Lager flog.“ Heute sagt er: „Man kann immer zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort sein.“ Derzeit dreht Lickert wieder in seiner Heimat Wolfach seine Runden. Spätestens im kommenden Jahr sucht er wieder das Weite.

Autor: Fabian Wahl, dapd | Foto: Igor Golovnov/Fotolia
Foto: Symbolfoto: Eine leere Postkarte