Frankfurt/Main | aktualisiert 14:35 Uhr | Deutschlands größte Auskunftei, die Schufa, plant, in sozialen Netzwerken wie Facebook und aus zahlreichen anderen Quellen im Internet gezielt Daten über Verbraucher zu sammeln. Nach Recherchen des Radioprogramms „NDR Info“ lässt das Wiesbadener Unternehmen dafür am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam (HPI) entsprechende Projektvorschläge entwickeln. „NDR Info“ vorliegenden Dokumenten zufolge sollen unter anderem die Kontakte von Facebook-Mitgliedern herangezogen werden, um Beziehungen zwischen Personen zu untersuchen und so Zusammenhänge mit der Kreditwürdigkeit der Verbraucher zu finden.

Zudem sei die Analyse von Textdaten denkbar, um „ein aktuelles Meinungsbild zu einer Person zu ermitteln.“ Ebenso könnten die Wissenschaftler untersuchen, wie die Schufa über eigene Facebook-Profile oder Zugänge zum Kurznachrichtendienst Twitter verdeckt an „Adressen und insbesondere Adressänderungen“ anderer Nutzer gelangen kann. Angedacht sei auch die „automatisierte Identifikation von Personen öffentlichen Interesses, Verbraucherschützern und Journalisten“.

Schlömer sieht in Schufa-Plänen Gefahr für Datenschutz-Grundrecht

Der Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland, Bernd Schlömer, sieht in den Sammelplänen der Schufa eine Gefahr für das Datenschutz-Grundrecht. „Das Anliegen der Schufa ist ein Angriff auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, sagte Schlömer der Berliner Tageszeitung „Die Welt“ (E-Tag: 8. Juni). Wenn selbst die Polizei nicht auf Facebook ermitteln dürfe, warum sollte es dann eine Finanzauskunftei? „Bevor die Schufa anfängt, auf Facebook `herumzuschnüffeln`, sollte sie erst einmal überzeugend darlegen, warum ihre bisherigen Arbeitsweisen nicht mehr ausreichen sollen, um ihrer Aufgabe nachkommen zu können“, betonte Schlömer.

Grüne fordern sofortige Einstellung des Schufa-Projektes

Die Not bei Deutschlands größter Auskunftei muss groß sein. Anders ist es nicht erklärbar, weshalb die Schufa auf ein Forschungsprojekt mit offenkundig verfassungswidrigen Zielen setzt und die Kreditwürdigkeit der Bürgerinnen und Bürger künftig auf diese obskure Weise bewerten will. Die spärlich gewordenen Versuche des Unternehmens, Vertrauen in die eigenen Produkte aufzubauen, setzt die Schufa damit leichtfertig aufs Spiel. Natürlich sind viele im Web veröffentlichte Informationen allgemein zugänglich. Doch niemand muss hinnehmen, dass seine Informationen systematisch und zu den unterschiedlichsten kommerziellen Zwecken nicht nur gesammelt und verglichen, sondern zudem nach intransparenten Algorithmen bewertet werden, um diese letztendlich in fragwürdige Verhaltensprognosen einfließen zu lassen.
Wenn wir es zulassen, dass sämtliche im Netz verfügbaren Informationen für eine derartige, unternehmerische Kaffeesatzleserei mit unabsehbaren Folgen sowie zum Anschmuddeln von Bürgerinnen und Bürger missbraucht werden können, wird Stigmatisierung zum Alltag und verfassungsrechtlich garantiertes Persönlichkeitsrecht zum Treppenwitz. Wir fordern sowohl die Schufa als auch das Plattner-Institut auf, das Projekt sofort einzustellen.

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