Köln | Es ist ein 8-seitiges Papier, das Stadtdirektorin Andrea Blome dem Ausschuss Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen zum Elften im Elften bei dessen Sitzung am 28. November vorlegen wird. Eng bedruckt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker will schon bald einen nächsten runden Tisch „Straßenkarneval“ einberufen. Das Gestaltungsbündnis will eine aktuelle Stunde im Ausschuss.
Großeinsatzlage für Ordnungsamt
In ihrer Analyse stellt Stadtdirektorin Blome fest, dass der Elfte im Elften dieses Jahr eine Großeinsatzlage war und der Andrang besonders groß war, da dieser Tag auf einen Freitag fiel und mildes Wetter herrschte. Dass der Elfte im Elften – fällt er auf ein Wochenende einen Riesenandrang bedeutet – weiß Köln seit 2017. Also nichts Neues im Westen. Denn seit 2017 tagt der Runde Tisch Straßenkarneval.
Die Stadtverwaltung erklärt sie habe über Monate die Einsatzlage geplant. Am 5. Mai entschied der Rat der Stadt auf Vorlage der Stadtverwaltung die Ausschreibung an einen externen Sicherheitsdienstleister. Der stellte nicht nur die Sicherheitskräfte, sondern plante und koordinierte mit. Die Stadtverwaltung habe im Einvernehmen mit der „IG Gastro Kwartier Latäng“ ein Crowdmanagement Büro ausgewählt. Dabei üben gerade die Wirte aus diesem Viertel massive Kritik.
Die Stadtverwaltung schreibt in ihrer Stellungnahme, dass das neue Sicherheitskonzept vor allem den „Schutz der Anwohnenden“ in den Fokus nahm und durch den zentralen Eingang eine bessere Steuerung der Zugangsbeschränkung erfolgen sollte.
Politik wollte Uniwiesen nicht nutzen lassen
Die Stadtverwaltung verweist auf den Beschluss der Politik den inneren Grüngürtel nicht als Ausweichfläche zuzulassen. Dieser Antrag (AN/1355/2022) wurde am 25. August in der Bezirksvertretung Innenstadt auf Antrag von Grünen, CDU, der Linken, FDP, Klimafreunde und Die Partei behandelt. In diesem Antrag steht, dass die Politik den Vorschlag der Stadtverwaltung begrüße, den Inneren Grüngürtel zwischen Bachemer und Luxemburger Straße nicht als Veranstaltungs- und/oder Reservefläche zu nutzen.
Und das nicht nur am Elften im Elften sondern auch an Weiberfastnacht und Aschermittwoch. Zudem bat sie die Stadtverwaltung alternative Standortflächen vorzuschlagen. In der Begründung schreiben die Parteien, dass eine Inanspruchnahme der Universitätswiese nicht erforderlich sei und an ihrer Stelle eventuell andere Flächen im Stadtgebiet genutzt werden.
Stadt mit Kampagne und spricht von Erfolgen
Die Stadtverwaltung verweist auf eine Kampagne, die sie, Anwohnende und Gewerbetreibende in den sozialen Netzwerken gestartet habe. In dieser seien die „meist jugendlichen“ Besucher:innen „sensibilisiert“ worden, dass sie sich in einem realen Stadtraum aufhielten.
Die Stadt stellt fest, dass sich der Elfte im Elften einer zunehmenden Beliebtheit erfreue und das seit Jahren. Am Vormittag seien Heumarkt, Alter Markt und Kwartier Latäng bereits ausgelastet gewesen, so die Stadt. Im Laufe des Tages bis in die Nachtstunden hinein habe sich die Situation dann entspannt.
Die Stadtverwaltung sieht sich erfolgreich, denn sie habe das wichtigste Ziel ein „unkontrolliertes Zulaufen des Gebietes um die Zülpicher Straße“ sei verhindert worden. Somit seien auch Notfalleinsätze mit einem Rettungswagen auf der Zülpicher Straße jederzeit möglich gewesen. Die Zahl der „Wildpinkler“ sei rückläufig gewesen. Auch hätten die Zugänge für Menschen mit besonderen Berechtigungen funktioniert.
Stadtverwaltung beschreibt Probleme aus ihrer Sicht
Gleichwohl konstatiert die Stadt, dass es Probleme gebe: So drängten zu viele Menschen auf den begrenzten Platz eines einzelnen Stadtquartiers. Der enorme Alkoholkonsum und die Zugkraft der Zülpicher Straße verschärften die Situation. Die Stadt will sich jetzt eingehend mit den Einlassstellen beschäftigen. Sie verneint nicht, dass es zu einer Drucksituation gekommen sei, die durch die Polizei gelöst wurde, da die vorgesehenen Notfallwege genutzt werden konnten.
Die Asphaltflächen reichten nicht aus, um alle Menschen aufzunehmen. Daher sei es vor den Sperrstellen des äußeren Absperrrings zu Menschenansammlungen gekommen. Zudem seien die Menschen an den Aachener Weiher ausgewichen. Dort habe es aber keine entsprechende Infrastruktur, etwa Toiletten gegeben. Menschen verrichteten in den Grünanlagen ihre Notdurft oder überquerten unkontrolliert die Gleise der Stadtbahnen. Daher seien Aachener und Richard Wagner Straße für den Individualverkehr und den Stadtbahnverkehr gesperrt worden. Auch auf der Luxemburger Straße und über den Barbarossaplatz wurden Sperrungen eingerichtet.
Für den Barbarossaplatz ordnete etwa die Polizei an, dass Stadtbahnen ohne Halt mit geschlossenen Türen durchfahren. Die KVB befürchtete aber, dass die Menschen den Nothalt betätigen würden und es so zu unkontrollierten Ein- und Ausstiegen gekommen wäre. Dass der Individualverkehr in diesem Bereich unterbrochen worden sei, sei Teil des Sicherheitskonzeptes gewesen.
So analysiert die Stadtverwaltung die Genese
Die Stadtverwaltung spricht von einem „Feier-Hotspot“ Zülpicher Straße. Es gebe dort eine hohe Dichte an Kiosken und Einzelhandelsgeschäften. Diese versorgen die Feiernden. Eine Mitschuld gibt die städtische Verwaltung auch den dort ansässigen Gastronomen. Diese hätten ausufernd die Zülpicher Straße beschallt und sorgten mit nach außen gerichteten Lautsprecheranlagen bei geöffneten Fenstern für eine musikalische Unterhaltung.
Daraus schlussfolgert die Stadtverwaltung, dass die „Straßenparty“ kein zufälliges Phänomen sei, sondern von den „entsprechenden Gastronomiebetrieben“ gewollt sei. Die Stadtverwaltung bemüht den europäischen Kontext: Es gebe in vielen deutschen und europäischen Städten einen erkennbaren Wandel hin zu Feiern im öffentlichen Raum ohne feste Veranstaltungsformate, die immer weiter eskalieren. Erste Gegenmaßnahmen könnten keine Trendwende herbeiführen. Dazu die Stadtverwaltung: „Auch außerhalb der Karnevalssession haben sich in Köln im Laufe der Zeit derartige Hotspots, wie etwa der Brüsseler Platz oder der Zülpicher Platz insbesondere in den Sommermonaten etabliert und sind mit reinen ordnungsrechtlichen Maßnahmen kaum noch zu befrieden.“
Die Stadtverwaltung verweist intensiv auf die Arbeit des „Runder Tisch Straßenkarneval“ für Altstadt, Südstadt und Kwartier Latäng und beschreibt ausführlich deren Arbeit seit 2017 und den danach erfolgten Anpassungen. Unter anderem verweist die Stadt auf das Angebot der Bühne an den Uniwiesen, das aber wieder verworfen wird. Richtigerweise ermahnt die Stadtverwaltung die Politik Überlaufflächen entlang des Kwartier Latäng zuzulassen, da viele auswärtige Feiernde nur diesen einen Hotspot ansteuerten und nur diesen kennen. Diese Menschen verfügten nicht über ausreichende Ortskenntnisse, um an anderer Stelle zu feiern.
Stadtverwaltung analysiert Alternativen
Die Stadtverwaltung will ergebnisoffen diskutieren und nimmt zu einigen in den vergangenen Tagen diskutierten Vorschlägen Stellung. So wurde öffentlich ein Alkoholverkaufsverbot diskutiert. Dieses hält die Stadtverwaltung zum einen für rechtlich nicht durchsetzbar und praktisch nicht durchführbar. So biete das Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG NRW) keine rechtliche Handhabe Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verbieten zu können. Da Alkoholkonsum in der Gesellschaft toleriert wird und ein solches Verbot damit in die Grundrechte eingreifen würde, sei dies keine Option über das Gefahrenabwehrrecht zu agieren. Gemeinden in NRW, die versuchten, Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zu verbieten scheiterten vor Gericht. Der Gesetzgeber in Düsseldorf, also der Landtag, müsste tätig werden.
Zu den Vorschlägen alternative Flächen – etwa auf den Ringen – zu öffnen, erteilt die Stadt eine klare Absage. Es gebe aus Sicht der Sicherheitsbehörden enorme Bedenken einen weiteren Feier-Hotspot zu schaffen. Die Stadtverwaltung sieht eine Alternative nur dann als möglich an, wenn es eine Fläche gebe, die umsonst und draußen genutzt werden kann und die eine billige Alkoholversorgung sicherstelle. Die jungen Menschen, die so feierten bräuchten kein Programm, sie seien das Programm selbst, analysiert die Stadtverwaltung. Es gibt gewaltige Hürden für eine solche Veranstaltung konstatiert die Stadtverwaltung: Die Stadt kann nicht Veranstalter sein. Es werde sich kein Investor finden lassen, da die Risiken und Kosten für die Sicherheit zu hoch seien. Die Kölner Stadtpolitik hat eine solche Entlastungsveranstaltung im Hauptausschuss abgelehnt. Die Stadtverwaltung realistisch: Es müsse ein Ort geschaffen werden, an dem die Menschen feiern können, die nicht mehr das Stadtquartier erreichen, wenn dieses aufgrund von Überlastung gesperrt ist.
Zülpicher Straße als private Veranstaltung
Teile der Gastronomen des Kwartier Lätäng trugen schon vor dem Elften im Elften an die Stadt heran, dass sie auf der Zülpicher Straße eine private Veranstaltung durchführen wollen. Die Stadtverwaltung sieht Vorteile, indem durch das Hausrecht Fehlverhalten besser geahndet und das Publikum durch einen Kartenverkauf besser gesteuert werden könne.
Aber auch bei dieser Option gebe es rechtliche Probleme. Zum einen müssten die Rechte der Anwohnenden gesichert werden und zum anderen müssten alle und zwar ausnahmslos alle Gastronomen mitmachen, denn keiner dürfe in seinen Rechten beschnitten werden. Auch diese Maßnahme würde einen empfindlichen Grundrechtseingriff nach sich ziehen.
Die Wiesenfläche
Die Gastronomie schlug vor, auf der Wiesenfläche neben der Mensa ein Festival zu etablieren. Die Stadtverwaltung sieht ein kommerzielles Festival kritisch, würde aber eine „umsonst und draußen“ Veranstaltung auf der Fläche für möglich erachten. Ihre Einschränkung: Die Wiesenfläche müsste ausreichend geschützt werden.
Gestaltungsbündnis beantrag aktuelle Stunde
Die Grünen, CDU und Volt beantragen eine aktuelle Stunde im Ausschuss, in der die Vorgänge des Elften im Elften besprochen und die Karnevalstage 2023 in den Blick genommen werden. Ihren Antrag begründen die Fraktionen mit den erheblichen verkehrlichen Einschränkungen, dem sehr hohen Müllaufkommen und der Weiterentwicklung des Sicherheitskonzeptes. Das Gestaltungsbündnis will im Februar 2023 die Feiernden und die Anwohner:innen schützen. Prüfen lassen will das Ratsbündnis auch, welche Ausgleichsflächen möglich seien und wie eine Dezentralisierung der Veranstaltung erreicht werden könne.