SPD Bundesparteitag 2023 in Berlin: Saskia Esken Bundesvorsitzende gemeinsam mit Lars Klingbeil Bundesvorsitzender im Anschluss an Ihre Reden zur Wahl zum Bundesvorsitzenden beim SPD Bundesparteitag im Plenum in Berlin am 8. Dezember 2023. | Foto: IMAGO / Political-Moments

Berlin | dts | aktualisiert | SPD-Chefin Saskia Esken lehnt Sozialkürzungen im Bundeshaushalt weiterhin kategorisch ab. Die SPD trifft sich in Berlin zu ihrem dreitägigen Bundesparteitag.

SPD startet Wahlparteitag

Die SPD hat am Freitagmorgen ihren dreitägigen Bundesparteitag in Berlin gestartet. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer eröffnete die Veranstaltung und verwies mit Blick auf die derzeitigen Umfragewerte darauf, dass man vor vier Jahren noch schlechter dagestanden hätte. Später habe man als stärkste Kraft die Bundestagswahl gewonnen.
Nach einer Rede der Parteivorsitzenden stehen am Freitag vor allem Wahlen auf der Tagesordnung: Mitten in der Haushaltskrise treten die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil erneut an. Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert will sich im Amt bestätigen lassen. Die Wiederwahl der Parteispitze gilt trotz derzeit schwacher Umfragewerte als ungefährdet, mit Spannung wird aber erwartet, welche Ergebnisse bei den Wahlen erzielt werden.

Die Sozialdemokraten hoffen, bei dem Parteitag eine Aufbruchstimmung erzeugen zu können. Dazu wollen sie einen Leitantrag zur Modernisierung Deutschlands beschließen, der die Grundlage für die Bundestagswahl 2025 bilden soll. Es werden kontroverse Debatten zu dem Thema erwartet, unter anderem mit Blick auf die Migrationspolitik.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird am Samstag eine Rede auf dem Parteitag halten, bei der er sich dem Vernehmen nach erneut zur Haushaltskrise äußern wird. SPD-Generalsekretär Kühnert sagte im Vorfeld der Veranstaltung, dass der Parteitag dem Kanzler den Rücken stärken werde.

Esken will Sozialstaat nicht aufgeben

Die Finanzierung großer Generationenaufgaben wie der Umgang mit dem Klimawandel müsse nach dem Haushaltsurteil aus Karlsruhe neu gedacht werden, aber man sei bestimmt nicht bereit, dafür den Sozialstaat aufzugeben, sagte sie am Freitag beim Bundesparteitag der Sozialdemokraten in Berlin. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, in der Koalition zueinanderzufinden“, fügte sie hinzu.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) führe diese Verhandlungen in „enger Abstimmung“ mit den SPD-Vorsitzenden. „Sie sind bestimmt nicht leicht. Doch wir müssen und wir werden einen Weg finden, eine soziale und zukunftsgewandte, aktiv gestaltende Politik fortzuführen“, so Esken.

Gleichzeitig werde man die Krisenbewältigung und gerade die Unterstützung der Ukraine leisten, die in der aktuellen Zeit nötig seien. Esken warb in diesem Zusammenhang für eine Änderung der Schuldenregeln: Die Schuldenbremse dürfe keine „Zukunftsbremse“ sein, weshalb man Schuldenregeln vorschlage, „die Zukunftsinvestitionen anders behandeln als laufende Kosten“, so die SPD-Chefin.

Klingbeil beklagt Zunahme von Angriffen auf den Sozialstaat

SPD-Chef Lars Klingbeil beklagt eine Zunahme von Angriffen auf den Sozialstaat. „In den Wirtschaftsredaktionen, in den Chefetagen mancher Unternehmen, in den Talkshows, bei manchen Politikern nehmen wir doch wahr, wie langsam die Stimmen derer lauter werden, die diesen Staat verachten“, sagte er am Freitag beim Bundesparteitag der Sozialdemokraten in Berlin. Es gebe immer lautere Rufe von „Marktradikalen“, die den Staat für ein „aufgeblähtes Monster“ hielten, was die Menschen bevormunde.

„Diejenigen, die auf Menschen herabblicken, die auf den Sozialstaat angewiesen sind, die kommen jetzt aus den Löchern gekrochen.“ Diese Personen sähen jetzt ihre Chance, „die Axt an den Sozialstaat anzulegen“, warnte Klingbeil. Es sei die Aufgabe der SPD, „diese politischen Kräfte in diesem Land zu stoppen“.

Darum gehe es in diesen Tagen und bei den Herausforderungen der nächsten Jahre. Namentlich kritisierte der SPD-Vorsitzende CDU-Chef Friedrich Merz, CSU-Chef Markus Söder sowie Unionsfraktionsvize Jens Spahn: „Das sind die, die gerade mit Krokodilstränen unterwegs sind. Die sind gegen den Mindestlohn. Die stellen das Streikrecht infrage. Die sind gegen mehr Mitbestimmung“, so Klingbeil. Er warf den Unionspolitikern in diesem Zusammenhang eine „unanständige Politik“ vor.

Vor Klingbeil hatte bereits seine Co-Vorsitzende Saskia Esken eine Rede gehalten und vor Sozialkürzungen im Bundeshaushalt gewarnt. Zudem mahnte sie eine Änderung der Schuldenregeln an: Die Schuldenbremse dürfe keine „Zukunftsbremse“ sein, weshalb man Schuldenregeln vorschlage, „die Zukunftsinvestitionen anders behandeln als laufende Kosten“, sagte die SPD-Chefin. Klingbeil sprach mit Blick auf die Schuldenbremse derweil von einem „Wohlstandsrisiko“.

Man müsse sie deshalb „verändern“ und „neu gestalten“. Die Erfolgsaussichten eines solchen Reformkurses sind dem Vernehmen nach derzeit aber gering, da sich die FDP innerhalb der Ampelkoalition bisher strikt gegen eine Reform der Schuldenbremse stellt.

Juso-Chef fordert von SPD Bekenntnis zur Seenotrettung

Juso-Chef Philipp Türmer hat seine Unzufriedenheit mit der Asylpolitik der Regierung bekräftigt. Die SPD müsse sich von weiteren Kriminalisierungsbestrebungen abgrenzen und klarstellen, dass Seenotrettung kein Verbrechen sei, sagte er dem Nachrichtenportal Watson. „Ich erwarte – und das ist das absolute Minimum – dass die SPD sich am Wochenende auf dem Parteitag klar davon abgrenzt und bekennt, Seenotrettung ist kein Verbrechen.“

Aus Sicht der Jusos erfüllt das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) nicht seinen Zweck, vielmehr brauche es ein modernes Asylrecht in Europa. Aus Sicht von Türmer müsste die Verteilung der Geflüchteten anders ablaufen: „Solidarische Verteilmechanismen innerhalb der Europäischen Union, die nicht nur auf die Bevölkerung in den einzelnen Ländern, sondern auch auf die ökonomische Leistungsfähigkeit schauen und die Präferenzen der Geflüchteten bedenken.“ Außerdem müssten sichere Fluchtrouten geschaffen werden, sagte Türmer.

Er führte aus: „Möglichkeiten der regulären Einreise, aktuell wird sich viel über irreguläre Migration beschwert, obwohl es gar keine regulären Fluchtrouten gibt.“ Er zeigte sich überzeugt, dass auch für solch eine Migrationspolitik Mehrheiten in der EU zu finden seien. Türmer ergänzte: „Der europäische Gedanke ist davon getragen, dass kultureller Austausch, dass Vielfalt bereichernd ist.“

Esken und Klingbeil als SPD-Vorsitzende wiedergewählt  

Saskia Esken und Lars Klingbeil sind als SPD-Vorsitzende wiedergewählt worden. Auf dem Bundesparteitag in Berlin wurde Esken am Freitag mit 82,6 Prozent Zustimmung im Amt bestätigt, für Klingbeil stimmten laut Angaben der Partei 85,6 Prozent der Delegierten. Insbesondere Esken geht damit gestärkt aus der Wahl hervor: Bei der letzten Wahl des Duos im Dezember 2021 war Esken auf 76,7 Prozent gekommen, Klingbeil hatte 86,3 Prozent erreicht.

In ihren Bewerbungsreden hatten beide am Freitagvormittag unter anderem für Änderungen bei den Schuldenregeln geworben. So bezeichnete Klingbeil die Schuldenbremse als „Wohlstandsrisiko“. Man müsse sie deshalb „verändern“ und „neu gestalten“.

Esken sagte, dass die SPD Schuldenregeln vorschlage, „die Zukunftsinvestitionen anders behandeln als laufende Kosten“. Die Schuldenbremse dürfe keine „Zukunftsbremse“ sein, so die SPD-Vorsitzende.

SPD-Bundesparteitag votiert gegen „starre“ Schuldenbremse

Die Abgeordneten des SPD-Bundesparteitages haben sich am Freitag für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen. Nachdem in Anträgen, wie etwa der Jusos, eine Abschaffung der Schuldenbremse gefordert worden war, wurde eine Kompromiss-Formulierung einstimmig angenommen. „Starre Begrenzungen der Kreditaufnahme von Bund und Ländern, wie wir sie derzeit in den Verfassungen vorfinden, lehnen wir ab. Sie verhindern Investitionen und beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit des Staates“, lautet die neu eingefügte Änderung im Leitantrag des Parteitags. An dem Kompromiss seien neben dem Juso-Chef Philipp Türmer und dem SPD-Bundesfraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich auch Dennis Rhode, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, und die Vertreter der Kommission Steuern und Finanzen beteiligt gewesen, hieß es. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert begrüßte die Einigung.

„Mein, unser Anspruch ist, dass es mit diesem Antrag läuft wie vor vier Jahren mit dem Sozialstaatskonzept der SPD: Dass wir uns hier gemeinsam nach schwieriger, aber konstruktiver Debatte, auf eine Position geeinigt haben, die schon kurz darauf die Position von vielen in der politischen Landschaft war und dann beschlossen wurde“, sagte Kühnert. Im Leitantrag der Partei heißt es weiter, die Sozialdemokratie stehe für eine solide und nachhaltige Haushaltspolitik. Mit einer starken Wirtschaft gingen stabile Steuereinnahmen und sinkende Bedarfe für die soziale Sicherung und die Bezuschussung der Rente einher.

Daher sei es „wichtiger denn je, in eine zukunftsfähige Wirtschaft und die Köpfe nachfolgender Generationen zu investieren“. Die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form sei ein „Standort- und Wohlstandsrisiko für Deutschland“ geworden. Sie bremse den notwendigen Wandel.

Mit einer Reform wolle man den Spielraum für die notwendigen Investitionen erweitern. „In Zeiten der Transformation spiegelt die Schuldenbremse in ihrer heutigen Ausgestaltung nicht mehr die wirtschaftlichen Realitäten wider“, so der Parteitagsbeschluss. „Um das zu ändern, bedarf es einer Grundgesetzänderung und entsprechender politischer Mehrheiten, für die wir weiterhin werben. Kurzfristig werden wir die Schuldenbremse modernisieren, stärker auf Investitionen ausrichten und gerechter für künftige Generationen machen.“ Zugleich heißt es, die Tilgungsverpflichtungen führten zu Einsparzwängen in künftigen Staatshaushalten. „Damit wird die finanzielle Krise künstlich fortgesetzt und die Lasten einer einmaligen Notsituation auf künftige Generationen verschoben“, so der SPD-Beschluss.

SPD-Parteitag: Hubertus Heil räumt bei Stellvertreterwahl ab 

Hubertus Heil ist mit einem deutlichen Stimmzuwachs zum stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden wiedergewählt worden. Auf dem Bundesparteitag in Berlin wurde Heil am Freitagnachmittag mit 96,6 Prozent im Amt bestätigt. Damit konnte er seine Ergebnisse von 2019 (70,0 Prozent) und 2021 (88,55 Prozent) steigern.

Im Stellvertreter-Amt bleibt auch Anke Rehlinger, die ebenfalls ihr Ergebnis von 90,74 auf 95,5 Prozent steigern konnte. Rückschläge einstecken mussten Serpil Midyatli, deren Zustimmungswert von 85,69 Prozent auf 79,3 Prozent sank, und Klara Geywitz, die nunmehr auf 74,6 Prozent kam (2021: 80,98 Prozent). Neu im Parteivorstand ist NRW-Vertreter Achim Post, der 78,3 Prozent erhielt und damit auf Thomas Kutschaty folgt.

Zuvor waren Saskia Esken und Lars Klingbeil sind als SPD-Vorsitzende wiedergewählt worden. Esken konnte mit 82,6 Prozent erneut ihre Zustimmungswerte ausbauen, Klingbeil verlor leicht und landete bei 85,6 Prozent.

Kühnert als SPD-Generalsekretär wiedergewählt

Kevin Kühnert ist als SPD-Generalsekretär wiedergewählt worden. Auf dem Bundesparteitag in Berlin wurde er am Freitagnachmittag mit 92,55 Prozent im Amt bestätigt. Er konnte damit sein Ergebnis von 2021, als er auf 77,8 Prozent der Delegiertenstimmen kam, deutlich steigern.

In seiner Bewerbungsrede hatte Kühnert angesichts des SPD-Umfragetiefs seiner Partei Mut zugesprochen und Wachstumspotenziale nach links sowie nach rechts aufgezeigt. Er wolle den Raum einnehmen, den die aufgelöste Linksfraktion im Bundestag hinterlässt. „Das ist unser politisches Terrain, das ist das, was eine linke Volkspartei abdecken muss“, so Kühnert.

Anspruch der SPD müsse es sein, dass es auch nach der nächsten Wahl keine Partei links von ihr geben wird. „Aber da ist auch eine Lücke in die andere Richtung des politischen Spektrums entstanden. Wenn die realen politischen, ideologischen Entwicklungen, die in den Parteien stattfinden, wenn die sich in der Sitzordnung abbilden würden, wäre in die andere Richtung des politischen Spektrums mindestens mal so auf halber Strecke nach Rechtsaußen ein größerer Graben entstanden“, so Kühnert.

„Ein Graben, den die CDU und CSU unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz gelassen hat, mit einer völligen Verabschiedung von dem, was christliche, konservative Volkspartei Mal eine Zeit lang in Deutschland gemeint hatte.“ Zuvor waren Saskia Esken und Lars Klingbeil als SPD-Vorsitzende im Amt bestätigt worden. Esken konnte ihr Ergebnis auf 82,6 Prozent verbessern, Klingbeil erhielt mit 85,6 Prozent nur geringfügig weniger Delegiertenstimmen als 2021. Als Stellvertreter wurden Hubertus Heil (96,6 Prozent), Anke Rehlinger (95,5 Prozent), Serpil Midyatli (79,3 Prozent), Achim Post (78,3 Prozent) und Klara Geywitz (74,6 Prozent) gewählt.