Sie lagert im Chemieschrank unserer Schulen. Früher wurde diese Säure häufiger im Chemie Unterricht verwendet. Jetzt kann die hellgelbe, geruchlose Substanz zur Gefahr werden, wenn man mit ihr unachtsam umgeht. Die Rede ist von Pikrinsäure, deren chemische Bezeichnung Trinitrophenol lautet. In Nordrhein-Westfalen kam es in den vergangenen Tagen zu einer Vielzahl von Einsätzen der Entschärfer der Tatortgruppe Sprengstoff/Brand des Landeskriminalamtes NRW. Grund war die Entschärfung von Pikrinsäure. „Das Schulministerium von NRW hatte die Schulen aufgefordert ihre Bestände zu überprüfen. Nach einer Lagerung von 10 Jahren verändere sich die Substanz“, erklärte  Polizeisprecherin  Astrid Gels. So kam es „in den letzten beiden Tagen zu 34 Fällen in Nordrhein Westfalen. 10 waren es davor“, berichtete Frank Scheulen, Pressesprecher des LKA. In Köln waren es seit gestern vier Fälle. In der Europaschule Raderthal, Gymnasium Kreuzgasse, Gymnasium Schaurtstraße und das Apostelgymnasium in der Biggestraße. Bisher konnte die Pikrinsäure nur in der Europaschule und in der Schule Greuzgasse delaboriert werden. Das bedeutet, dass eine kontrollierte Sprengung durch das Entschärferteam stattfand, wozu beide Schulen geräumt werden mussten. Die beiden anderen Schulen müssen aufgrund der hohen Nachfrage noch auf die Entschärfer warten. „ Eine Gefahr bestünde nicht. Die Bestände lagern ja schon lange in den Schulen. Sie wurde erst einmal sichergestellt, bis das Entschärferteam eintrifft“, so Astrid Gels. Die Nachfrage nach Entschärfern ist hoch. „So werden aufgrund von Kooperationsvereinbarungen des Bundes und der Landespolizei NRW auch Entschärferteams der Bundespolizei zum Einsatz herangezogen“, erklärte Frank Scheulen. Dies wird notwendig sein, da „mit weiteren Fällen gerechnet wird“, so Astrid Gels. 

Verhalten beim Auffinden
Die Polizei gibt folgende Hinweise zum richtigen Umgang mit diesem hochsensiblen Stoff:
– Der betreffende Aufbewahrungsbehälter sollte in keinem Fall bewegt, berührt oder geöffnet werden.
– Dem getrockneten Stoff auf gar keinen Fall Wasser beigeben.
– Bis zum Eintreffen der Spezialisten sollten sich Personen von dem Behälter fernhalten.
– In jedem Fall sollte die Polizei über den Notruf „110“ alarmiert werden.

Chemikalie Pikrinsäure
Pikrinsäure, ist eine hellgelbe, geruchslose Substanz. Der Stoff ist giftig und kommt pulvrig, blättrig oder kristallin vor. Man lagert ihn unproblematisch in nichtmetallischen Behältern mit mindestens 30% Wasser. Bei falscher oder unsachgemäßer Lagerung kann die Chemikalie bei ihrer Handhabung unsicher werden und empfindlich reagieren. Dies geschieht insbesondere dann, wenn der Stoff bei längerer Lagerung eintrocknet. Im eingetrockneten Zustand ist Pikrinsäure als nicht handhabungssicher zu bezeichnen. Sie kann auf Schlag, Stoß und Reibung empfindlich reagieren, auch wenn diese Belastung auf das Behältnis ausgeübt wird, wie beispielsweise beim Aufschrauben des Aufbewahrungsbehältnisses. Somit kann unkontrolliert gelagerte Pikrinsäure selbst bei geringer Erschütterung zur explosionsartigen Umsetzung gelangen.

Sprengwirkung von Pikrinsäure
Pikrinsäure hat eine vergleichbare Sprengwirkung wie der militärische Sprengstoff „TNT“ und wurde im 1. Weltkrieg auch als Sprengstoff für Bomben eingesetzt. Wie hoch die Sprengkraft der Säure ist, zeigte die kanadische Halifax-Katastrophe im Jahr 1917, eine der heftigsten nicht-nuklearen Explosionen der Weltgeschichte. Ein französischer Munitionsfrachter, der 2300 Tonnen Pikrinsäure geladen hatte, geriet im Hafen von Halifax in Brand und explodierte. Mindestens 1635 Personen wurden getötet, weite Teile der Stadt wurden verwüstet. Im Umkreis von 70 Kilometern gingen Scheiben zu Bruch.

Johannes Braun für report-k.de/ Kölns Internetzeitung
Quelle: LKA

Foto: C.Nöhren/ pixelio