Das Foto zeigt eine Raffinerie in Leuna

Köln/Berlin | dts, red | aktualisiert | Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Grüne, spricht von nicht immer gewährleisteter Versorgung bei einem Ölembargo, ist aber der Ansicht, dass „Deutschland ein Ölembargo tragen kann“. Es gibt Unterstützer seiner Linie, aber auch andere die Verwerfungen befürchten. Bundesfinanzminister Linder spricht höhere Spritpreise an.

Habeck: Deutschland kann Ölembargo tragen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat bekräftigt, dass Deutschland auf ein mögliches Ölembargo gegen Russland vorbereitet ist. Man habe eine Situation geschaffen, „dass Deutschland ein Ölembargo tragen kann“, sagte er am Montag in Berlin. „Tragen kann heißt, dass es nicht spurlos an dem Land vorbeigehen wird.“

Das gelte gerade mit Blick auf die Raffinerie in Schwedt, für die noch keine Lösung gefunden worden sei. Vor allem für den ostdeutschen Raum und auch den Großraum Berlin würde es „rumpelig“ werden, wenn ein Embargo jetzt stattfinden würde, so Habeck. Man könne demnach nicht garantieren, dass die Versorgung immer gewährleistet werde.

Zudem seien hohe Preissprünge zu erwarten. „Ob ein Ölembargo insgesamt jetzt ansteht, weiß ich nicht“, fügte der Minister hinzu. Nach einer EU-Energieministerkonferenz am Montag könne er mehr sagen.

Mit Blick auf ein mögliches Gasembargo gegen Russland sagte Habeck, dass Deutschland dort noch nicht bereit sei.

Habeck hält Ölembargo gegen Russland für „sehr wahrscheinlich“  

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält ein Ölembargo gegen Russland für „sehr wahrscheinlich“. Wenn morgen die EU-Kommission Vorschläge für ein 6. Sanktionspaket macht, werde da „sicherlich einiges zu Öl drin stehen“, sagte Habeck in den ARD-Tagesthemen. Auf die Weigerung Ungarns, ein Embargo mitzutragen, erklärte Habeck, „es ist geübte Praxis, kluge Weg zu finden auch widerspenstige Staaten zur Zustimmung zu bewegen“.

Er sei zuversichtlich, dass dies morgen gelingen werde. Das Ölembargo halte er für wichtig, „weil wir uns aus der moralischen Schuld ein Stück weit befreien, mit unseren Zahlungen das Regime Putin am Leben zu erhalten“, sagte der Bundeswirtschaftsminister weiter. Umgekehrt werde ein Embargo dazu führen, dass die globalen Preise steigen.

Man müsse sehr aufpassen, dass „wir nicht eine Situation entstehen lassen, wo Putin mit weniger Importen trotzdem mehr Einnahmen hat“.


Auch IW hält Ölembargo für verkraftbar

Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, hält ein Öl-Embargo prinzipiell für verkraftbar für die deutsche Wirtschaft. „Bei Öl ist die Lage grundsätzlich anders, weil die Leitungsgebundenheit geringer ist“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). „Auf Ural-Öl kann absehbar verzichtet werden.“

Eine Ausnahme sei die Druschba-Pipeline und die daraus folgende Abhängigkeit der Raffinerien Schwedt und Leuna. Der IW-Chef erwartet steigende Kraftstoffpreise und sieht darin eine Chance: „Die gesamtwirtschaftlichen Effekte bei uns lassen sich in traditionellen Überlegungen zu Preiseffekten abbilden.“ Man haben hier die Chance, den Wandel der Mobilität zu forcieren.

„Die Abfederung sollte bei den einkommensbeschränkten Haushalten über Subjektförderung (wie begonnen) stattfinden, die Preiseffekte sollte man wirken lassen.“


Lindner: Steigende Spritpreise bei Ölembargo möglich

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält einen sofortigen Verzicht auf russisches Öl für vertretbar. Allerdings könnten dann auch die Spritpreise steigen, sagte er dem Fernsehsender „Welt“. Aber dafür habe die Bundesregierung auch eine Vorsorge getroffen.

„Wenn der Zeitplan eingehalten wird, wird ab dem ersten Juni zumindest die Steuer, die auf die gestiegenen Spritkosten erhoben wird, zurückgenommen auf das europäische Minimum.“ Bei anderen Rohstoffen sei ein Embargo allerdings derzeit wirtschaftlich zu schmerzhaft, so Lindner weiter. Er denke an Iridium Erdgas – dort dauere es länger.

„Hier wären die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Import-Stopps, eines Embargos für unser Land immer noch empfindlich, weshalb zum jetzigen Zeitpunkt davon in jedem Fall abzuraten ist.“ Man wolle schnell unabhängig werden. „Schnellstmöglich unabhängig zu werden, bedeutet nicht, dass wir heute schon ohne empfindliche Schäden für unser Land darauf verzichten können.“

Auch auf russisches Gas will Lindner vorerst nicht verzichten. Dass der russische Präsident Wladimir Putin seinerseits Gaslieferungen nach Deutschland stoppt, hält der Finanzminister nicht für wahrscheinlich. „Die Gefahr gibt es, aber die Gefahr ist verantwortbar.“

Sie sei kalkulierbar, denn bei Erdgas sei es so leicht nicht möglich, Lieferketten zu verändern. „Für uns nicht, aber für Putin eben auch nicht.“ Insofern gehe er zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass deutsche Schritte dazu führten, dass Putin einseitig seine Gas-Lieferungen stoppt.

„Wir sollten ihn auch nicht zusätzlich triggern, was diese Frage angeht.“ Auf der anderen Seite lasse man sich aber nicht erpressen, auch nicht, wenn es etwa darum gehe, ob man die Lieferungen mit Rubel bezahle. „Da halten wir uns weiter an die Verträge Euro und Dollar. Aber schnellstmöglich wollen wir diese Verträge regulär und rechtlich beenden.“


Tankstellengewerbe fürchtet erhebliche Verwerfungen bei Ölembargo

Ein Ausfall der Raffinerie in Schwedt wegen eines Embargos gegen russisches Öl würde nach Einschätzung des Zentralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG) erhebliche Verwerfungen bei der Kraftstoffversorgung bedeuten. „Wenn Schwedt ausfällt, wird es schwierig“, sagte ZTG-Geschäftsführer Jürgen Ziegner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagsausgaben). Raffinerieprodukte wie Benzin, Diesel und Kerosin könnten dann nicht mehr per Pipeline in die Tanklager geliefert werden, sondern müssten per Zug oder Tanklaster aus dem Westen Deutschlands transportiert werden.

„Wir bezweifeln, dass die Kapazitäten dieser Transportmöglichkeiten ausreichen“, sagte Ziegner. „Das Niedrigwasser im Rhein im Jahr 2018 hat gezeigt, wie schnell dann Tankstellen leerstehen können.“ Generell könne man sagen, dass die Logistikkette bei der Treibstoffbelieferung sehr ausgefeilt und auf Effizienz getrimmt sei, so der Verbandsgeschäftsführer.

„Jede Störung ist schwierig und fast immer mit erheblichen Kostensteigerungen verbunden.“