Mit diesem Symbolfoto visualisiert das ukrainische Verteidigungsministerium eine Meldung zur Region Cherson. In dieser teilt der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte mit, dass der Widerstand in der Oblast Cherson gegen die russischen Besatzer in der Zivilbevölkerung nach wie vor sehr hoch sei und diese sich nur in gepanzerten Fahrzeugen und mit kugelsicheren Westen auf die Straße trauten. | Foto: Armyinform/Ukrainisches Verteidigungsministerium

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Politiker der Ampel wollen mehr Waffen liefern und Margot Käßmann bleibt bei ihrer Kritik zur Lieferung schwerer Waffen. Deutschland wird gelobt und Bundesfinanzminister Lindner will nach Kiew reisen. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

Kuleba widerspricht Macrons Aussage zu Demütigung von Russland   

18:57 Uhr > Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat die Warnung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, man dürfe Russland nicht demütigen, um nach einem Ende der Kämpfe diplomatische Lösungen nicht zu gefährden, zurückgewiesen. „Aufrufe, eine Demütigung Russlands zu vermeiden, können Frankreich und jedes andere Land, das dies fordert, nur demütigen. Denn es ist Russland, das sich selbst erniedrigt“, teilte Kuleba über Twitter mit.

„Wir sollten uns alle besser darauf konzentrieren, wie wir Russland zurückdrängen können. Das bringt Frieden und rettet Leben“, so Kuleba. Macron hatte am Samstagnachmittag in einem Interview mit mehreren Zeitungen gesagt, man dürfe Russland nicht demütigen, „damit wir an dem Tag, an dem die Kämpfe stoppen, mit diplomatischen Mitteln eine Startrampe bauen können“.


Stoltenberg spricht mit Erdogan über NATO-Erweiterung   

16:04 Uhr > Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdogan über dessen Bedenken bezüglich eines NATO-Beitritts von Schweden und Finnland gesprochen. Er habe mit Erdogan ein konstruktives Telefonat geführt, teilte Stoltenberg auf Twitter mit. Die Türkei bezeichnete er als einen „geschätzten Verbündeten“.

Schweden und Finnland hatten als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine Anträge auf eine Aufnahme in das Verteidigungsbündnis gestellt. Bislang blockiert Erdogan einen möglichen NATO-Beitritt der beiden nordeuropäischen Länder aber. Die Türkei wirft den beiden Staaten vor, die kurdische Partei PKK zu unterstützen.


Faeser will Spionageabwehr gegen Russland verstärken   

16:03 Uhr > Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigt eine Verstärkung der Spionageabwehr gegen Russland an. Kurz vor der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts am kommenden Dienstag sagte Faeser der „Bild“: „Wir haben sehr genau im Blick, welche nachrichtendienstlichen Mittel die russische Regierung nutzt. Wir sind äußerst wachsam und schützen uns. Und wir handeln. Deshalb haben wir 40 Personen an der russischen Botschaft in Berlin ausgewiesen, die wir den russischen Nachrichtendiensten zurechnen konnten.“ Faeser sagte, ihr Ministerium verteidige „die innere Sicherheit und den inneren Frieden in Deutschland gegen russische Spionage, gegen Einflussnahmeversuche, gegen Lügen und Kriegs-Propaganda“.

Putin dürfe „mit hybrider Kriegsführung keinen Erfolg haben“. Und ihr Haus tue alles dafür, dass Putin „auch weiter keinen Erfolg haben wird“, zitiert die „Bild“. Laut Sicherheitskreisen warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz, dass insbesondere „in sensiblen Bereichen wie im Regierungsviertel in Berlin die Abhörrisiken und die Gefahr von unbefugten Datenausleitungen real und nicht zu unterschätzen sind“.

Herkömmliche Gespräche über Telekommunikationsnetze seien „grundsätzlich nicht abhörsicher“. Es müsse davon ausgegangen werden, dass „fremde Nachrichtendienste erhebliche Anstrengungen unternehmen, um Telekommunikationsverbindungen abzufangen und abzuhören“. Der Verfassungsschutz kennt einen speziellen Spionageaufbau auf dem Dach der russischen Botschaft in Berlin, berichtet die „Bild“ weiter.

In Sicherheitskreisen ist von einer Breitbanddipol-Antenne in Reusenbauform die Rede, die für den Hochfrequenz-Bereich ausgelegt sei. Diese werde schon einige Jahre beobachtet.


Russische Streitkräfte sollen Angriffskrieg „beschleunigen“ so das russische Narrativ

9:56 Uhr > Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu traf Ramsan Kadyrow, den Führer der Tschetschenen, am 3. Juni und erklärte anschließend, dass Russöland die „spezielle Militäroperation“ beschleunigen werde. Offen sei, so die Experten des Institute For The Study Of War (ISW) ob die russischen Einheiten dazu überhaupt in der Lage sind. In einem Rückblick auf den 100. Tag des Krieges erklärte das britische Verteidigungsministerium, die russischen Streitkräfte würden wahrscheinlich in den nächsten zwei Wochen die Kontrolle über das Gebiet Luhansk erlangen, wenn auch nur unter erheblichen weiteren Anstrengungen und Verlusten.

Russische Militärblogger sehen große Verluste rund um Izyum. So soll fast die gesamte 35. Combined Arms Army vor Izyum aufgerieben worden sein und etwa die 64. und 38. separate Motorschützenbrigaden der Garde nun weniger als 100 Soldaten umfassten. Als Grund nennen sie Inkompetenz unter den russischen Offizieren und mangelnde Kommunikation zwischen den Einheiten. So sollen die russischen Streitkräfte wieder Boten einsetzen. Durch die mangelnde Kommunikation seien ukrainische Kämpfer in der Lage gewesen die russischen vorgeschobenen Stellungen mit Drohnen anzugreifen, unter anderem weil es an Artillerieunterstützung gefehlt haben solle. Selbst die Söldner des privaten Militärunternehmens Wagner sollen sich geweigert haben unter solchen Umständen an Kampfhandlungen teilzunehmen. Zudem soll die medizinische Versorgung der russischen Truppen vor Ort katastrophal sein. So seien etwa keine Feldlazarette vorbereitet worden. Auch seien neurekrutierte russische Soldaten nicht in der Lage erste Hilfe zu leisten und die erste Hilfe Kästen der Armee nach dem Ablaufdatum eingesetzt werden. Auch fehle es an den wichtigen Hochdruckverbänden etwa bei Verletzungen an den Gliedmaßen. Dies führe unter anderem zur Demoralisierung der russischen Einheiten, die sich zunehmend weigern sollen zu den Fronteinheiten zurückzukehren.

Die russischen Streitkräfte führten südöstlich und südwestlich von Izyum und westlich von Lyman erfolglose Angriffe durch, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sie größere Vorstöße in Richtung Slowjansk erzielen werden. Kleinere Erfolge schafften die russischen Truppen im östlichen Teil von Sjewjerodonezk, aber die ukrainischen Streitkräfte starteten weiterhin lokale Gegenangriffe in Sjewjerodonezk und seinen Außenbezirken.

Angriffe auf Awdijiwka wurden von den russischen Kräften nicht gestartet. Den russischen Streitkräften gelang es nicht, die verlorenen Stellungen im Nordosten der Oblast Cherson zurückzuerobern, und sie verteidigten weiterhin die zuvor besetzten Stellungen. Die russischen Besatzungsbehörden begannen mit der Ausgabe russischer Pässe in Cherson-Stadt und Melitopol, obwohl sie weiterhin Schwierigkeiten haben, die gesellschaftliche Kontrolle über die besetzten Gebiete zu erlangen und die ukrainischen Partisanenaktionen zu beenden.

Ampel-Politiker mahnen Kanzleramt zu mehr Waffenlieferungen

9:01 Uhr > Trotz der jüngsten Ankündigungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordern Politiker von FDP und Grünen das Kanzleramt zu mehr Waffenlieferungen auf. „Die zögerliche Haltung des Kanzlers wird in Deutschland gerne mit Besonnenheit erklärt“, sagte FDP-Politiker Markus Faber dem „Spiegel“. Besonnenes Handeln müsse in diesen Tagen heißen, möglichst viele unschuldige Leben vor dem russischen Aggressor zu schützen.

„Umso erklärungsbedürftiger finde ich die zögerliche Haltung“, so Faber, der bis vor Kurzem verteidigungspolitischer Sprecher seiner Fraktion war und nach Kritik an Scholz zurücktreten musste. „Deutschland kann und muss mehr Hilfe leisten.“ Beispielsweise könnten 100 Transportpanzer Fuchs, 100 Schützenpanzer Marder, 100 Leopard, ein Kampfpanzer oder 200 Lkw zügig bereitgestellt werden.

Die Exportanträge dafür müssten nur bewilligt werden. „Wir müssen weiter handeln und die Unterstützung jeden Tag verstärken und beschleunigen“, fordert auch die grüne Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger. Gerade angesichts der zerstörerischen russischen Strategie im Donbass sei auch die schnelle Lieferung weiterer und auch schwerer Waffen notwendig.

„Der Kanzler hat öffentlich die Lieferung von Waffen verteidigt“, sagte Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag. Jetzt müsse gehandelt werden. Kritik kommt auch von der Opposition.

„Scholz versucht erneut, tatsächliche Lieferungen durch Ankündigungen zu ersetzen“, kritisiert CDU-Verteidigungsexperte Johann Wadephul. Statt schnelle Schützenpanzer zu liefern, kündigt er ein komplexes System für eine unbestimmte Zukunft an. Doch die Ukraine brauche jetzt praktische Hilfe.

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei fordert Taten statt Ankündigungen. „Die Bundesregierung handelt in dieser Frage schwerfällig, ohne jeden Schwung und Elan, lustlos.“ Er könne sich „des Eindrucks einer gewissen Bräsigkeit des Kanzlers“ nicht erwehren.


Lindner will nach Kiew reisen

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will in naher Zukunft nach Kiew reisen. „Ich habe eine Einladung erhalten – und die werde ich annehmen“, sagte Lindner der „Welt“. Ob auch der Bundeskanzler die heute vom ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk ausgesprochen Einladung nach Kiew annehmen solle, wollte Lindner nicht kommentieren – er selbst werde aber unabhängig davon in die Ukraine reisen.

„Ich jedenfalls bereite selber etwas vor. Mein ukrainischer Finanzministerkollege hat bei einem Gespräch jetzt diese Tage gesagt, es wäre für sie eine Hilfe, wenn ich als Finanzminister und gegenwärtiger G7-Vositzender der Finanzminister bei einer Gelegenheit in Kiew sei. Und deshalb gehen wir das jetzt an. Was der Kanzler jetzt macht, das muss er entschieden“, sagte Lindner.


Lettlands Ministerpräsident lobt deutsche Ukraine-Politik

Lettlands Ministerpräsident Krisjanis Karins hält den deutschen Beitrag zur Bewaffnung der ukrainischen Armee für wichtig. Die Waffenlieferungen der Ampel-Koalition trügen dazu bei, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinne, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Defizite sieht Karins lediglich bei der Rhetorik der Bundesregierung, die manchmal unklar bleibe.

Außerdem verteidigte der lettische Regierungschef das Teil-Embargo der EU gegen Öl aus Russland und betonte, wie wichtig eine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine sei.


Margot Käßmann erneuert Kritik an Waffenlieferungen

Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat ihre Kritik an den Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine bekräftigt. „Wer jetzt gegen schwere Waffen ist, wird als ,Lumpen-Pazifist oder ,fünfte Kolonne Putins diffamiert. Das kann ich nicht hinnehmen“, sagte Käßmann der „Rheinischen Post“ (Samstag).

„Es ist im Moment sehr schwer, Pazifistin zu bleiben. Ich tue es aber. Aus Überzeugung.“

Auch gegen Ende des Vietnamkrieges sei der Reflex gewesen, man müsse mit Waffen eingreifen. „Ich wäre auch als Politiker mit solchen Aussagen ein bisschen zurückhaltender“, sagte Käßmann. Umfragen zufolge seien 45 Prozent der Menschen in Deutschland für Waffenlieferungen, 45 Prozent dagegen.

„Auch bei den Gottesdiensten spüre ich, dass es da eine große Irritation gibt.“ Käßmann wünscht sich nach eigenen Angaben stattdessen mehr Diplomatie, Verhandlungen und Druck auf einen Waffenstillstand, so die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende weiter. „Andere setzen dagegen darauf, durch mehr Waffen und einen – mir geht es kaum über die Lippen – ,höheren Blutzoll`, um die Verhandlungsposition zu verbessern.“

Sie habe den Appell gegen das Rüstungspaket der Bundesregierung ganz bewusst unterschrieben: „Ich habe sieben Enkelkinder. Und ich denke, für die Zukunft ist nicht mehr Rüstung die Antwort, sondern Abrüstung, mehr Klimaschutz, mehr Investitionen in Entwicklung.“


EU will Ungarn mit Importzoll russisches Öl vermiesen

Die EU-Kommission erwägt weitere Maß-nahmen, um die Belieferung Ungarns mit russischem Öl langfristig zu unterbinden. Das berichtet der „Spiegel“ in seiner neuen Ausgabe. Grund ist die Ausnahme, die Ministerpräsident Viktor Orbán beim jüngsten EU-Gipfel für das geplante Embargo gegen Moskau erwirkt hat.

Danach darf Budapest weiter russisches Öl über die sogenannte Druschba-Pipeline beziehen. Um zu verhindern, dass der Brennstoff über diesen Weg möglicherweise noch jahrelang nach Europa gelangt, denkt die Brüsseler Behörde nun über die Einführung eines Importzolls nach. Damit könnte die Staatengemeinschaft russisches Öl zum geeigneten Zeitpunkt so weit verteuern, dass sich der Export nach Europa nicht mehr lohnt.

Ein weiterer Vorteil: Den Zoll könnte der europäische Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Orbán könnte ihn also nicht per Veto verhindern. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass die Union auf diesem Weg einen Hebel in die Hand bekommen könnte, um russische Öllieferungen nach Europa auf Dauer komplett unterbinden zu können.

Auf dem jüngsten EU-Gipfel hatten sich die europäischen Regierungen auf einen Boykott russischer Öllieferungen auf dem Seeweg zum Ende dieses Jahres geeinigt. Länder wie Ungarn, die Slowakei oder Tschechien dürfen indes auch nach diesem Zeitpunkt russisches Öl per Pipeline beziehen. Der Weiterverkauf ist zwar ausgeschlossen, doch könnten mindestens zehn Prozent des bisherigen Importvolumens auf diesem Weg weiter nach Europa fließen.