Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Die Kämpfe um die Stadt Sjewjerodonezk dauern mit unverminderter Heftigkeit an und es bleibt unklar wann Deutschland schwere Waffen liefere. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.
Selenskyj übt scharfe Kritik an Scholz vor Kiew-Besuch
21:27 Uhr > Unmittelbar vor dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Kiew hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von der deutschen Regierung mehr Eindeutigkeit in der Unterstützung seines Landes gefordert. In der ZDF-Sendung „heute journal“ warf Selenskyj dem Bundeskanzler vor, noch immer zu viel Rücksicht auf Russland zu nehmen. Der Krieg könne nur von Russland beendet werden.
Dazu müsste die Situation der Ukraine so gestärkt werden, dass die Verluste für das russische Volk spürbar sind. Er könne derzeit nicht zu Kompromissen bereit sein. Selenskyj äußerte deutliche Kritik an Scholz.
Obwohl „die Beziehungen zwischen der deutschen und ukrainischen Regierung keineswegs schlecht“ seien, sagte der Präsident: „Wir brauchen von Kanzler Scholz die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt. Er und seine Regierung müssen sich entscheiden: Es darf kein Spagat versucht werden zwischen der Ukraine und den Beziehungen zu Russland.“ Deutschland habe wesentlich später als andere Staaten begonnen, die Ukraine militärisch zu unterstützen, kritisierte Selenskyj: „Deutschland ist etwas später als einige unserer Nachbarländer dazugekommen, was die Waffenlieferungen angeht. Das ist eine Tatsache“, so der Präsident. Die USA, die Slowakei, Polen, Großbritannien „waren die ersten, die geliefert haben, Bulgarien und Rumänien haben auch geholfen“, ebenso die baltischen Staaten. Deutschland und Frankreich hätten zwar politisch und rhetorisch die Ukraine unterstützt, „aber damals am Anfang des Krieges brauchten wir nicht die Politik, sondern die Hilfe“.
Inzwischen seien sie – „Gott sei Dank“ – dazugekommen, um zu helfen. Über den Umfang der Waffenhilfe aus Deutschland wollte Selenskyj keine Aussage machen. Der deutsche Bundeskanzler müsse eine Position einnehmen und nicht suchen, wo es am wenigsten weh tut in den Beziehungen zu Russland und der Ukraine.
Dieser Ansatz sei falsch. Auf die Frage, ob er für einen Frieden Gebietsabtretungen der Ukraine für ihn denkbar seien, antwortete Selenskyj: „Wir sind auf dem eigenen Boden, das ist unser Volk, das ist unser Territorium und es tut sehr weh, Menschen zu verlieren, das ist so, aber wir werden alles verlieren, wenn wir Russland in diesem Krieg unterlegen sind“, sagte der Präsident. Er versuche nicht, „irgendwie zu einem Abkommen zu gelangen, wir wissen genau, was wir tun. Ich betone, wir haben keine Zweifel, wir sind nur dann bereit, Gespräche zu führen, wenn die andere Seite bereit ist, dem Krieg ein Ende zu legen. Wir haben keine Zeit für Gespräche, die nichts bringen“, sagte Selenskyj.
Scholz gerät vor Ukraine-Besuch wegen Waffenlieferungen unter Druck
21:25 Uhr > Die voraussichtliche Ukraine-Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in Koalition wie Opposition die Erwartung nach substanziellen Zusagen der Bundesregierung an das Land geweckt. Vize-FDP-Fraktionschef Alexander Graf Lambsdorff sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“: „Der Besuch kann nicht ohne etwas Handfestes auskommen.“ Waffen- und Munitionslieferungen müssten verstärkt werden.
„Wir wünschen uns, dass die deutschen Marder-Schützenpanzer Teil dessen sind, was die drei Staats- und Regierungschefs in die Ukraine mitnehmen.“ Lambsdorff bezeichnete den Besuch als vielversprechend. „Wenn die drei stärksten Volkswirtschaften der EU – Deutschland, Frankreich und Italien – gemeinsam fahren, ist das ein wirklich starkes Zeichen der Unterstützung.“
Offenbar gebe es auch eine Einigung über den Umgang mit dem ukrainischen Wunsch nach dem Status eines EU-Beitrittskandidaten. Dieser werde noch von Österreich blockiert. „Man kann nicht versprechen, was man nicht halten kann“, sagte Lambsdorff.
„Aber bei dem Besuch kann angeboten werden, bestehende Abkommen zu vertiefen und die Vorbereitung des Kandidatenstatus zu unterstützen.“ Vorwürfe, der Besuch komme zu spät, wies Lambsdorff zurück: „Es ist ein Ausdruck von Führung, dann zu fahren, wenn man es selber für richtig hält.“ Angesichts der verschärften Lage in der Ost-Ukraine sei die Reise nun „richtig und wichtig“.
Zentral sei, dass eine Reise dann unternommen werde, wenn sie „mit Substanz verbunden“ werden könne. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU) sagte dem RND, prinzipiell sei es gut, dass Scholz diese Reise unternehme. Hier gelte das Prinzip „besser spät als nie“.
Jedoch sei nicht klar, warum der Kanzler nicht bereits früher in die Ukraine gefahren sei. „Es fehlt wie immer die Erklärung, warum jetzt plötzlich das geht, was bisher unmöglich war“, sagte Wadephul. „Jetzt muss der Bundeskanzler viel gut machen.“
Der Lieferrückstand bei Waffen für die Ukraine müsse schnell aufgeholt und „nachhaltige Nähe und Solidarität zur Ukraine“ gezeigt werden. „Der Kanzler steht jetzt in seinem eigenen Wort, dass das nicht nur ein Fototermin sein darf“, sagte Wadephul.
Wie kampffähig ist Russland?
11:44 Uhr > Das britische Verteidigungsministerium gibt eine Einschätzung zur Option Russlands weitere kampffähige Einheiten aufzustellen. Am 12. Juni berichtete es über Versuche Russlands mehr Kampfeinheiten aufzustellen. So sollen dritte taktische Bataillonsgruppen (BTGs) aus einigen Einheiten vorbereitet worden sein. Das britische Verteidigungsministerium stellte fest, dass russische Brigaden und Regimenter normalerweise zwei BTGs aufstellen können, die Stammeinheiten jedoch weitgehend als leere Hülsen dastehen. Aus dieser Analyse schlussfolgern die britischen Militärexperten, dass diese dritten BTGs wahrscheinlich personell eher unterbesetzt sein werden oder auf Rekruten und mobilisierte Reservisten angewiesen sind. Deren Kampfkraft wird aber geringer eingeschätzt als die von regulären BTGs. Bei der Einschätzung der Kräfte des Kreml sei dies wichtig, um die russischen Einheiten nicht zu überschätzen.
Die Desinformationskampagnen laufen weiter. So sollen russische Telegramkanäle gefälschte Mobilisierungsbefehle verbreitet haben, die sie dem ukrainischen Generalstab zuschrieben. Der gefälschte Befehl forderte die Mobilisierung aller in Frage kommenden ukrainischen Frauen, die sich bis zum „31. Juni“ zum Dienst melden sollten.
Die russischen Streitkräfte setzten ihre Bodenangriffe in Sewerodonezk fort und sprengten Brücken, die Sewerodonezk über den Fluss Siverskij Donez mit Lysytschansk verbinden, wahrscheinlich in dem Versuch, die ukrainischen Bodenkommunikationslinien (GLOCs) zu kappen, die von Bachmut nach Lysytschansk und Sewerodonezk verlaufen. Südlich von Izyum konnten russische Truppen weitere Fortschritte erzielen und könnten von Norden her auf Slowjansk vorstoßen. Nordöstlich von Charkiw versuchen die Russen die ukrainischen Truppen entlang der umkämpften Frontlinien zurückzudrängen. Die russischen Streitkräfte konzentrierten sich auf die Aufrechterhaltung der Verteidigungslinien entlang der Südachse.
Brandenburg fordert fordert schriftliche Zusagen für Schwedt
11:31 Uhr > Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) fordert schriftliche Zusagen vom Bund für die PCK-Raffinerie in Schwedt. „Mündlich kann man viel sagen, und dann hat man sich hinterher missverstanden, oder man hat vergessen, was der andere gesagt hat“, sagte er am Montag im RBB-Inforadio. Das Gleiche gelte für eine Genehmigung staatlicher Hilfen, die die EU-Kommission in Brüssel erteilen müsse.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntag beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow (Landkreis Oder-Spree) versprochen, dass man Schwedt mit den wirtschaftlichen Folgen eines Embargos nicht alleine lassen werde. Steinbach sagte dazu, er glaube, Scholz meine, was er sage, aber: „Das ist für mich etwas zu wenig, bei allem Wohlwollen.“ Die PCK-Raffinerie wird nahezu vollständig über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl versorgt.
Weiter heftige Kämpfe um Sjewjerodonezk
9:25 Uhr > In der Ukraine wird weiter heftig um die 100.000-Einwohner-Stadt Sjewjerodonezk gekämpft. Das geht aus dem täglichen Lagebericht des britischen Militärgeheimdienstes vom Montag hervor. Demnach dürften Flussüberquerungen in den kommenden Monaten zu den wichtigsten Faktoren des Kriegsverlaufs gehören.
Der zentrale Abschnitt der russischen Frontlinie im Donbass liegt westlich des Flusses Siwerskyj Donez. Um in der aktuellen operativen Phase der Donbass-Offensive erfolgreich zu sein, müsse Russland entweder ehrgeizige Flankenaktionen oder Angriffsflussüberquerungen durchführen, so die Briten. Ukrainische Streitkräfte hätten es bisher oft geschafft, Brücken zu zerstören.
Russland bemühe sich unterdessen, die komplexe Koordination zu schaffen, die notwendig sei, um erfolgreiche, groß angelegte Flussüberquerungen unter Beschuss durchzuführen.
Weiter kein klarer Zeitplan für Lieferung schwerer Waffen
Mit Blick auf die Lieferung schwerer Waffen hat die Bundesregierung der Ukraine zuletzt offenbar einen klaren Zeitplan verweigert. Das berichtet die „Welt“ unter Berufung auf ukrainische Regierungskreise. Demnach soll es ein Telefonat zwischen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und ihrem ukrainischen Kollegen Oleksij Resnikow gegeben haben.
Die Ukraine habe in dem Gespräch unter anderem klären wollen, wann das von Kanzler Olaf Scholz (SPD) jüngst versprochene Mehrfachraketenwerfer-System Mars II in der Ukraine ankommen soll. Die Antwort der Ministerin sei „nebulös und ausweichend“ gewesen, hieß es aus den Kreisen der Regierung in Kiew. Es sei nur zugesagt worden, zu prüfen, was möglich sei.
Der ukrainische Minister habe auch stark auf die Lieferung der Panzer Marder und Leopard gedrängt – und keine Antwort erhalten. Scholz hatte zuletzt die Lieferung des Luftabwehrsystems Iris-T und von Mars-Raketenwerfern versprochen. Laut Medienberichten gibt es aber bei beiden Systemen Probleme, weshalb sie erst in mehreren Monaten lieferbar sein sollen.
Für den Schützenpanzer Marder liegt schon seit April ein Exportantrag bei der Bundesregierung vor, der bisher nicht beschieden worden ist. Zuletzt teilte der Hersteller Rheinmetall mit, dass die ersten Panzer lieferbar seien. Auch für den Leopard liegt ein Antrag vor.