Das Pressefoto der ukrainischen Informationsagentur ArmyInform zeigt das Azowstahlwerk. Das Foto ist undatiert. | Foto: ArmyInform/Ukrainisches Verteidigungsministerium/CCA

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Aus dem hart umkämpften Industriekomplex des Asowstahlwerks wurden in der vergangenen Nacht rund 260 ukrainische Kämpfer die zum Teil schwer verletzt sind gerettet. In Deutschland machen die Landkreise auf ein bürokratisches Problem bei der Versorgung der Ukraine-Flüchtlinge aufmerksam. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

Faeser warnt Russland vor Spionageangriffen auf Unternehmen   

22:12 Uhr > Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Russland bei möglichen Spionageangriffen auf deutsche Unternehmen mit Konsequenzen gedroht. „Wir werden weiterhin sehr konsequent gegen russische Spionage und gegen Einflussnahmeversuche vorgehen“, sagte Faeser dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). „Das haben wir erst jüngst mit der Ausweisung von 40 angeblichen russischen Diplomaten gezeigt, die den russischen Nachrichtendiensten zuzurechnen waren.“

Der Verfassungsschutz hatte zuvor wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen vor einem erhöhten Risiko für Wirtschaftsspionage gewarnt. „Als Technologieführer ist Deutschland auch im Visier der russischen Nachrichtendienste“, sagte Faeser. „Wir nehmen die Hinweise des Bundesamts für Verfassungsschutz sehr ernst, dass es vermehrt zu Versuchen von russischen Nachrichtendiensten kommen kann, Kontakte vor allem zu russischen Beschäftigten in relevanten Wirtschafts- und Forschungszweigen in Deutschland anzubahnen.“

Genauso bestehe die „Gefahr, dass Repressalien gegenüber Verwandten in Russland verstärkt werden“. Die Ministerin sprach von einer „realen Gefahr, die wir sehr genau im Blick haben“. Deshalb habe der Verfassungsschutz aktuelle Sicherheitshinweise mit Handlungsempfehlungen für die Wirtschaft herausgegeben.

„Wichtig sind vor allem Sensibilisierungsmaßnahmen für Personalverantwortliche und Beschäftigte, um Ausforschungs- und Anbahnungsversuche sofort zu erkennen und zu verhindern“, sagte Faeser.


EU-Kommission schlägt gemeinsame Schulden für Ukraine-Aufbau vor  

22:10 Uhr > Die EU-Kommission beziffert die bisherigen Kriegsschäden in der Ukraine auf „Hunderte Milliarden Euro“ und hält es für nötig, dass die Union „einen Hauptteil“ der Kosten für den Wiederaufbau trägt. Sie schlägt den Staaten deshalb in einem ersten Plan vor, ein Sondervermögen aufzulegen oder den Finanzrahmen für die Zeit bis 2027 nachträglich aufzustocken, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Die Staaten könnten der Ukraine dann durch eigene zusätzliche Beiträge helfen oder indem die Kommission weitere gemeinsame Schulden aufnimmt, heißt es in dem Plan, der an diesem Mittwoch beschlossen werden soll.

Wörtlich heißt es in dem acht Seiten langen Papier, das die weiteren Beratungen der Staats- und Regierungschefs strukturieren soll: „Angesichts der Größenordnung von Krediten, die wahrscheinlich benötigt werden, könnte die Kommission jedoch auch autorisiert werden, die Finanzierung der Kredite im Namen der EU auf dem Kapitalmarkt aufzunehmen.“ Als Vorbild wird ausdrücklich auf den Corona-Wiederaufbaufonds verwiesen, bei dem dies erstmals geschehen war. Grundsätzlich darf die Kommission Ausgaben nicht aus Schulden finanzieren, sondern nur aus Beiträgen der Staaten oder anderen Einnahmen.

Seit Kriegsbeginn hat die Europäische Union 4,1 Milliarden Euro aufgewandt, um der Regierung in Kiew, vertriebenen Menschen und Staaten zu helfen, die der Ukraine ihre Waffen überlassen. Der künftige Finanzbedarf wird von der Kommission jedoch viel höher eingeschätzt. Sie verweist darauf, dass dem Land schon Ende Juni 14,3 Milliarden Euro fehlen würden, um seine laufenden Ausgaben zu bestreiten.

Mittel- und langfristig setzt sie die Kosten noch weit höher an. „Der geschätzte Gesamtschaden beläuft sich schon jetzt auf mehrere hundert Milliarden Euro, davon entfallen allein 100 Milliarden auf die physische Infrastruktur“, heißt es in der Mitteilung an die anderen EU-Institutionen. Das Land benötige daher sowohl Zuschüsse als auch langfristige Kredite zu günstigen Zinsen.

„Angesichts des Ausmaßes der Kriegsschäden bis jetzt wird mit einem substantiellen Finanzbedarf für Wiederaufbau gerechnet“, heißt es weiter; dies könne sich über „mehr als eine Dekade“ erstrecken.


Pussy-Riot-Sängerin: Europa verkennt Nöte der Regimekritiker   

17:07 Uhr > Die Sängerin der russischen Punkband Pussy Riot, Maria Aljochina, glaubt, dass die Menschen in Europa nicht genug für die Nöte der Putin-Kritiker in Russland sensibilisiert sind. Schlimmer noch, mit Gas- und Ölimporten finanziere die EU den Terror Putins gegen Oppositionelle, sagte Aljochina der „Welt“. „Dieses Geld – das Geld, das sie Putins Staat zahlen – wird dafür ausgegeben, um uns zu schlagen, uns zu vergiften, uns zu töten.“ Überhaupt sei man in Europa nicht genug sensibilisiert für die Unterdrückung von Regimekritikern in Russland, glaubt Aljochina: „In unserem Land gibt es tausende von politischen Flüchtlingen und leider, leider Gottes, weiß hier fast niemand davon in Europa.“

Mit den Konzerten in Deutschland wolle Pussy Riot auf die Nöte dieser Oppositionellen in Russland aufmerksam machen – und gleichzeitig Putins Krieg anprangern, so Aljochina: „Pussy Riot und ich – wir möchten die Ukraine unterstützen. Wir möchten gegen den Krieg auftreten, diesen Krieg von Putin. Wir möchten erzählen, was mit den Menschen passiert, die gegen den Krieg aufstehen in Russland.“


Finnisches Parlament unterstützt NATO-Mitgliedsantrag   

16:24 Uhr > Das finnische Parlament hat sich für einen Antrag auf eine NATO-Mitgliedschaft des Landes ausgesprochen. Am Dienstag stimmten nach einer zweitägigen Debatte 188 Parlamentarier für diesen Schritt. Nur acht Abgeordnete stimmten dagegen.

Nach der Zustimmung des Parlaments kann das offizielle Bewerbungsverfahren eingeleitet werden – möglicherweise noch am Dienstag. Schweden hatte zuvor bereits offiziell einen NATO-Beitritt beantragt. In beiden Ländern hatte es durch den Angriff Russlands auf die Ukraine in den letzten Wochen einen Meinungsumschwung gegeben, nachdem eine NATO-Mitgliedschaft zuvor jahrzehntelang kaum ein Thema war.

Allerdings kann ein Beitritt zu dem Verteidigungsbündnis nur erfolgen, wenn alle bisherigen Mitgliedsländer zustimmen. Die Türkei hatte sich zuletzt zurückhaltend geäußert.


Luxemburgs Außenminister unterstellt Erdogan „Basar-Mentalität“  

16:23 Uhr > Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn wirft dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Blick auf eine mögliche Blockade der NATO-Beitritte Schwedens und Finnlands eine „Basar-Mentalität“ vor. Diese sei in der Türkei „allzeit präsent“, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. Er glaube, Erdogan treibe jetzt den Preis hoch.

Unter anderem gehe es um den Erwerb von Kampfflugzeugen aus den USA. Ein Scheitern der Beitritte an der Türkei erwartet der Außenminister aber nicht. „Die Türkei kann nicht die Verantwortung übernehmen, wenn die Schweden und die Finnen nicht Mitglied werden können in der NATO“, so Asselborn.

Es werde aber einige Zeit dauern. „Ich hoffe, nicht zu lange, wirklich nicht zu lange, denn das könnte Probleme mit sich bringen, was wir ja schon in anderen Ländern gesehen haben“, sagte der dienstälteste Außenminister in der EU. „Das ist eine Grauzone, wo jetzt die zwei Länder sind, und die muss sehr schnell aufgehoben werden.“


Lawrow: NATO-Beitritte machen „keinen großen Unterschied“   

16:21 Uhr > Der russische Außenminister Sergei Lawrow sieht die erwarteten NATO-Beitritte Finnlands und Schwedens nach eigenen Angaben gelassen. Ein solcher Schritt werde wahrscheinlich „keinen großen Unterschied“ machen, sagte er am Dienstag in Moskau. Beide Länder hätten bereits „seit vielen Jahren an NATO-Militärübungen teilgenommen“.

Die NATO berücksichtige ihr Territorium zudem bei der Militärplanung für den Umzug nach Osten. Man müsse abwarten, wie das Territorium beider Länder tatsächlich von der NATO genutzt werde. „Wir werden Schlussfolgerungen ziehen“, so der Außenminister.

Schweden hatte am Dienstag offiziell einen NATO-Beitritt beantragt. Auch Finnlands Antrag soll bald folgen.



Scholz hat wieder mit Selenskyj telefoniert   

13:35 Uhr > Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Dienstag wieder mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Sie hätten sich über die aktuelle militärische und humanitäre Lage in der Ukraine ausgetauscht, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Sie seien sich einig gewesen, dass eine „diplomatische Verhandlungslösung“ zwischen der Ukraine und Russland ein umgehendes Ende der Kampfhandlungen seitens Russland und ein Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine erfordere.

Der Bundeskanzler und der ukrainische Präsident setzten laut Hebestreit zudem ihren Austausch über Möglichkeiten der weiteren Unterstützung der Ukraine fort und verabredeten, „weiterhin eng in Kontakt zu bleiben“. Selenskyj selbst schrieb auf Twitter, dass er ein „produktives Gespräch“ mit Scholz geführt habe.


Deutschland liefert weitere Waffen an Ukraine   

8:32 Uhr > Die Bundesregierung hat der Ukraine offenbar weitere Waffen für den Kampf gegen die russische Armee geliefert. Das berichtet der „Spiegel“. Demnach sollen in den vergangenen beiden Wochen 2.450 Panzerabwehrhandwaffen vom Typ „RGW 90“, 1.600 DM22-Panzerabwehrrichtminen sowie 3.000 DM31-Panzerabwehrminen in der Ukraine eingetroffen sein.

Sie wurden an Einheiten der lokalen Armee verteilt. Die Angaben über die neuen Lieferungen wurden dem Nachrichtenmagazin aus ukrainischen Regierungskreisen bestätigt. Die „RGW 90“-Panzerabwehrwaffen, die in der Bundeswehr als „Matador“ bezeichnet wird, hatte die Ukraine direkt bei einem deutschen Hersteller bestellt und bezahlt.

Die Panzerabwehrminen indes stammen offenbar aus Bundeswehrbeständen.


Lindner offen für Beschlagnahmung von russischem Staatsvermögen  

8:20 Uhr > Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich für die Beschlagnahmung von staatlichen russischen Vermögenswerten ausgesprochen, um den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. „Ich bin politisch offen für die Idee, Auslandsvermögen der russischen Zentralbank zu beschlagnahmen“, sagte Lindner dem „Handelsblatt“ und drei weiteren europäischen Zeitungen. Im Kreis der G7-Nationen und in der Europäischen Union würden entsprechende Vorschläge bereits diskutiert.

„Bei Privatvermögen müssen wir sehen, was rechtlich möglich ist“, fügte Lindner hinzu. „Wir müssen die Rechtsstaatlichkeit respektieren, auch wenn wir es mit russischen Oligarchen zu tun haben.“ Die Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industrienationen kommen von Mittwoch bis Freitag unter der deutschen G7-Präsidentschaft in Bonn und Königswinter zusammen.

Neben der Bundesrepublik gehören dem Zusammenschluss die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und Kanada an. In dem Interview mit dem „Handelsblatt“, „Les Échos“ aus Frankreich, „El Mundo“ aus Spanien und „Corriere della Sera“ aus Italien zeigte sich Lindner beim künftigen Umgang mit den Schuldenregeln in der EU kompromissbereit. Eine Reform mit einer Aufweichung der Maastricht-Kriterien könne er nicht unterstützen, sagte der Bundesfinanzminister.

„Aber die Fiskalregeln sollten realistischer und effektiver sein.“ Es sei nicht im deutschen Interesse, andere EU-Länder in einer schwierigen Situation zu sehen, sagte Lindner. „Das Ziel ist, dass alle Volkswirtschaften wachsen und nachhaltige öffentliche Finanzen haben. Ich schlage vor, einen glaubwürdigeren langfristigen Weg zum Schuldenabbau mit flexiblen mittelfristigen Zielen zu kombinieren.“


Rund 260 ukrainische Kämpfer verlassen Asowstahlwerk

8:02 Uhr > Das Asowstahlwerk in Mariupol ist hart umkämpft und immer wieder im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit, etwa nachdem der russische Präsident Wladimir Putin angekündigt hatte, dass keine Fliege den Industriekomplex verlassen dürfe. Dann wurden hunderte Zivilisten evakuiert und Fotos der Kämpfer gingen um die Welt. Jetzt konnten rund 260 ukrainische Kämpfer nach Angaben der Behörden gerettet werden. 53 von ihnen, so der ukrainische Generalstab seien schwer verwundet und werden jetzt medizinischer Versorgung in Novoazovsk zugeführt. Die weiteren 211 Kämpfer sind Kriegsgefangene die nach Olenivka transportiert wurden, die später im Rahmen eines Gefangenenaustausches wieder zurückkehren sollen. Zudem teilte die stellvertretende Verteidigungsministerin der Ukraine Anna Malyar mit: „Was die Verteidiger betrifft, die sich noch auf dem Gelände von Azowstal aufhalten, werden von den Behörden gemeinsame Anstrengungen unternommen, um sie zu retten“.


Landkreise schlagen Alarm bei Sozialhilfe für Ukraine-Flüchtlinge

Die Landkreise schlagen Alarm beim geplanten Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen für Geflüchtete aus der Ukraine. Das berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ukraine-Flüchtlinge sollen nach Plänen der Bundesregierung ab dem 1. Juni von Jobcentern Leistungen nach Sozialgesetzbuch II erhalten können.

Doch die schnelle Umsetzung könnte an der Bürokratie scheitern. Grund sei ein Mangel an Spezialpapier, sagte der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager, den Funke-Zeitungen: „Die Bundesdruckerei kann derzeit nicht genügend fälschungssichere Dokumentenvorlagen ausliefern, auf denen die Ausländerbehörden ihre Fiktionsbescheinigungen ausstellen.“ Die Bescheinigungen dienen als Nachweis für einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis.

„Das mag sich anachronistisch anhören, spielt aber im Jahr 2022“, sagte Sager. Die Landkreise fordern vom Bund, dass die Jobcenter vorübergehend andere Bescheinigungen der Ausländerämter anerkennen können. „Anderenfalls befürchten wir den Frust nicht nur vieler ukrainischer Vertriebener, denen von der Politik versprochen worden ist, ab dem 1.6. ihre Leistungen von den Jobcentern zu erhalten“, sagte Sager.

Auch die Beschäftigten in Ausländerämtern und Jobcentern würden sich einer Welle aus Unverständnis und Frust gegenübersehen. Der Bund solle pragmatisch handeln.


Borell nach dem Rat der Außenminister

Der Rat der Außenminister tagte in Brüssel und der EU-Außenbeauftragte Josep Borell bekräftigte die Entschlossenheit der EU, dass diese keinen einzigen Quadratkilometer ukrainisches Gebiet, der von Russland besetzt sei, als Teil der Russischen Föderation anerkennen werde. Bei der EU bestehe die Hoffnung, dass es der Ukraine gelinge ihr Staatsgebiet in ihren Grenzen vollständig zu erhalten.