Blick in den Malersaal der Bühnenwerkstätten in Kalk. Foto: Eppinger

Köln | Ein Schulpraktikum hatte bei Wencke Wesemann (57) das Interesse an ihrem heutigen Beruf als Bühnenmalerin geweckt. “Ich habe schon immer gerne gemalt und ich mag Theater. Um mein Interesse an einem Ausbildungsplatz zu bekunden, habe ich damals zunächst den Pförtner angerufen, der mich mit dem Malersaal verbunden hat. Seitdem bin ich da”, erinnert sie sich, wie sie vor 38 Jahren bei den Bühnenwerkstätten angefangen hat.

Wencke Wesemann leitet den Malersaal und die Werkstatt der Bühnenplastiker. Foto: Eppinger

Heute leitet Wesemann die Teams im Malersaal und in der Werkstatt der Bühnenplastiker – beides sind eigene Ausbildungsberufe mit einer eigenen Berufsschule. Im 60 mal 24 Meter großen Malersaal arbeiten insgesamt zwölf Bühnenmaler. “Wenn uns die Bühnenbildner ihre Entwürfe vorstellen, sind wir immer gespannt, wie wir das später umsetzen können. Jedes Stück bringt eine neue Herausforderung mit sich. Man muss immer alles komplett neu denken und macht nie dasselbe zweimal. Jedes Stück, das die Maler oder Plastiker anfertigen, ist so ein echtes Unikat.”

Im Malersaal entsteht bei unserem Besuch Anfang April gerade für das neue Stück “Ein von Schatten begrenzter Raum” im Kölner Schauspiel ein komplettes Bahnabteil. Dazu gehören auch die originalen, alten Bahnsitze. “Diese wurden von unseren Schlossern nachgebaut und von den Raumausstattern, dann mit den passenden alten roten Polstern versehen.”

Im Vordergrund ist ein Teil des Bühnenbilds für die Oper „Ines“ zu sehen. Foto: Eppinger

Gearbeitet wurde bei unserem Besuch in Kalk auch für die Uraufführung “Ines” am 16. Juni im Saal 3 der Oper im Staatenhaus. In den Bühnenwerkstätten entstanden zum Beispiel weiße Vitrinen, ein zeltartiges Krankenzimmer und ein Boden aus verschiedenen farbigen, quadratischen Elementen, der den Bereich eines Atomkraftwerks nachbildet, in dem die Brennstäbe gelagert werden. “Wir können als Maler und Plastiker vieles nachahmen. Das gilt für altes Mauerwerk oder einen gefliesten Boden genauso wie für einen Felsen.”

Der große Malersaal verfügt über eine mit Glas versehene Decke, die dafür sorgt, dass das Sonnenlicht nicht direkt einfällt und unten im Raum und am Boden keine Lichtstreifen entstehen. “Das war in unseren alten Räumen anders, da wurde es im Sommer auch schon mal so richtig heiß”, berichtet Wesemann.

An der Wand befinden sich großflächige Gemälde, die von Auszubildenden im Malersaal angefertigt worden sind. An der Wand hängen zudem die langen Pinsel, die in der Werkstatt zum Einsatz kommen. “Diese brauchen wir, da wir in der Regel im Stehen arbeiten. Wir haben auch eine eigene Spritzkabine, in der wir zum Beispiel auch eine komplette Wand lackieren können.”

Ein Baumstamm wurde aus Styropor für das Schauspielstück „Sommernachtstraum“ geschaffen. Foto: Eppinger

Ab und zu sind Wesemann und ihre Kollegen auch vor Ort im Staatenhaus. “Ich schaue mir dann die Generalprobe an und werfe einen letzten Kontrollblick auf das Bühnenbild. Außerdem kommen wir auch bei Reparaturen zum Einsatz.” In ihrem Atelier über dem Malersaal stehen die Modelle verschiedener Bühnenbilder für Schauspiel und Oper, die in den Werkstätten gleichzeitig, nebeneinander entstehen.

Direkt nebenan findet sich der Arbeitsplatz der Bühnenplastiker. Dort entsteht gerade für das Schauspielstück “Ein Sommernachtstraum” ein Baumstamm aus Styropor. “Auf der Bühne gibt es bei diesem Stück sonst nur echte Bäume aus dem Wald. Ein Baumstamm ist aber ein Fake, weil er von den Schauspielern auch getragen werden muss. Unsere Aufgabe ist, ihn so zu gestalten, dass er später mit den anderen Stämmen identisch ist.”

Gebaut wurde im Saal außerdem die große Maske, die heute ihren Platz im Deutzer Staatenhaus gefunden hat. “Diese wurde zunächst am PC als digitales Modell so entworfen, dass sie später aus Teilstücken besteht, die gut transportiert werden können. Aus dem Entwurf wird dann aus einem Styroporblock ähnlich wie bei einem 3D-Drucker die grobe Form mit den richtigen Proportionen herausgeschnitten. Danach kommt die Handarbeit der Plastiker, bis alles perfekt ist. Das ist noch einmal viel Arbeit. Die Unterkonstruktion bauen die Schlosser und die Schreiner und später sorgen wir Maler für den letzten Schliff”, erläutert Wesemann, das Zusammenspiel der Gewerke in den Bühnenwerkstätten.

Für das Malen im Stehen werden extra lange Pinsel benutzt. Foto: Eppinger

Auf 14.000 Quadratmetern gibt es dort auch Lagerhallen und einen Raum, in dem Kulissen auch komplett, probeweise zusammengebaut werden können, bevor sie zum Staatenhaus oder zum Depot in Mülheim transportiert werden. Dort finden dann die ersten Proben in den neu gebauten Originalkulissen statt.

“Die Bühnenbildner entwerfen in Absprache mit den Regisseuren die ersten Skizzen und Modelle. Dann muss alles einmal durchgerechnet und bei Bedarf auch noch einmal angepasst werden. Später bekommen wir für jedes Bauteil eine genaue technische Zeichnung mit allen Maßen. Bevor die Handwerker hier loslegen, wird jedes Bauteil vom Bühnenbild, den Produktionsleitern und unseren Teamleitern noch einmal genau durchgesprochen.”

Ist ein Stück im Schauspiel oder in der Oper abgespielt, wird das Bühnenbild bei einer möglichen Wiederaufnahme eingelagert oder für ganz neue Produktionen auch wiederverwertet. “Manche Stücke werden zudem komplett mit dem Bühnenbild an andere Theater oder Opern verkauft”, berichtet Wesemann.

Die Werkstätten der Kölner Bühnen befinden sich seit 2021 im neuen Gebäudekomplex in Kalk, wo insgesamt 40 Handwerker in den verschiedenen Werkstätten wie der Schlosserei, der Schreinerei, der Raumausstatter, der Plastiker und der Maler arbeiten. Zuvor waren die Werkstätten an der Oskar-Jäger-Straße in Ehrenfeld angesiedelt. Insgesamt entstehen in Kalk jährlich die neuen Kulissen für etwa 30 Produktionen.

Uraufführung Die Oper “Ines” von Ondřej Adámek findet am 16. Juni um 18 Uhr im Staatenhaus der Oper am Rheinparkweg in Deutz statt. Die zweite Uraufführung in der Spielzeit 2023/24 der Oper Köln ist zugleich die finale Neuproduktion vor der Sommerpause: Generalmusikdirektor François-Xavier Roth dirigiert Adámeks Oper, die in enger Zusammenarbeit zwischen Dirigent, Komponist sowie der Librettistin/Regisseurin Katharina Schmitt und ausdrücklich für das immense Ausmaß des Saal 3 des Staatenhauses, den Opernchor sowie die Solistinnen und Solisten entsteht. Roth nennt Adámek „einen der größten Komponisten unserer Zeit, der die Parameter von Musik neu erfinden wird“; er dirigierte bereits 2004 und 2014 Werke des in Prag geborenen Komponisten. Die Oper Köln blickt auf eine lange Tradition von Erstaufführungen neuer Werke zurück, darunter Korngolds „Die tote Stadt“, Zemlinskys „Der Zwerg“, Zimmermanns „Die Soldaten“ oder Glanerts „Solaris“. Vorstellungen: 22., 26., 28. und 30. Juni sowie 3. Juli.

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