Köln | Die Stadt Köln hat sechs Leichtbauhallen für die Unterbringung von rund 400 Flüchtlingen am Luzerner Weg in Köln-Mülheim am Rand der Bruder-Klaus-Siedlung errichten lassen. Ein Teil ist fertig und die ersten Flüchtlinge sollen ab dem 15. August einziehen. Unter den Anwohnern gibt es Unmut über die Informationspolitik der Stadt. Sie nennen sie „katastrophal“.
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Einblick: Sechs neue Leichtbauhallen am Luzerner Weg als Flüchtlingsunterkunft >
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Besichtigungstermin für Anwohner: Die Stadt Köln hat einen neuen Termin für eine Besichtigung durch die Anwohner anberaumt: Montag, 15. August um 14 Uhr. Die Stadt wird bei einem kleinen Rundgang die Anlage zeigen und Fragen beantworten.

Anwohner schimpfen über die Stadt

Wer von der Berliner Straße kommt, muss scharf nach der Bahnunterführung links abbiegen. Ein fast nicht mehr lesbares Schild mit der Aufschrift „Bruder-Klaus-Siedlung“ weist den Weg über den Höhenhauser Ring entlang der Bahntrasse die nach Leverkusen und Düsseldorf führt. Es ist ein unwirtlicher Ort. Der Mülheimer Zubringer auf die A3 muss gequert werden. Dann gehen kleine verpöllerte Straßen ab, ein Kreisverkehr. Hier geht es rechts und weiter in den Luzerner Weg. In der Kurve, in der sich auch die Grundschule befindet, geht ein Weg tiefer ins Grün an dessen Ende die sechs eingezäunten Leichtbauhallen, die den Charme eines neu gebauten Möbellagers versprühen, stehen. Vor dem Tor, bereits bewacht durch einen Sicherheitsdienst, rund 20 Anwohner, die sich über die Stadt Köln beschweren. Die Informationspolitik der Stadt Köln sei eine Katastrophe, sagt einer der Anwohner gegenüber report-K. Kaum einer der Anwohner hätte die Termine im Mülheimer Bunker in der Berliner Straße gekannt, in denen die Stadt Köln zwei Informationsveranstaltungen abhielt. Die Stadt wiegelt ab, beruft sich darauf die Termine rechtzeitig auf der städtischen Internetseite und den Medien verbreitet zu haben. Die Stadt sagt, die Anwohner seien ausreichend informiert worden. Die begehren Einlass, dürfen aber am Pressetermin nicht teilnehmen. Sie ärgern sich, denn der versprochene Rundgang um 14 Uhr, musste wegen einer Bombenentschärfung abgesagt werden. Eine städtische Sprecherin verspricht, der Termin werde nachgeholt.

Eine Siedlung inmitten von Verkehrsinfrastruktur

Nicht alle Straßen in der der Bruder-Klaus-Siedlung tragen den Zusatz Weg oder eben Straße, sondern Zermatter Klause, Davoser Klause oder Genfer Klause. Namen, die nach toller Landschaft, Freiheit und Weitsicht klingen. Dies ist aber in der Bruder Klaus Siedlung so nicht. Sie liegt an einem Ende am Friedhof Schönrather Hof, im Rücken der Autobahnzubringer, rechts die Autobahn A 3 und links die Bahnstrecke, blickt man von Mülheim aus kommend auf das Gebiet. Immerhin kann man über den Züricher Weg in Richtung Gut Schönrath laufen und die A 3 queren. Über der Siedlung eine Einflugschneise des Köln-Bonn-Airport. Im Jahr 2012 schlug der Siedlerverein Neuland – den es seit 1947 gibt – Alarm, dass es bald keine Nahversorgung in der Siedlung mehr gebe. Denn von Sparkassenfiliale, kleinem Supermarkt, Zeitschriftengeschäft, Schreibwarenladen und Getränkemarkt waren nur noch Friseur und eine Bäckerei übrig. Die Siedlung erreicht man mit einer Buslinie der Kölner Verkehrsbetriebe.

Das Dorf der Siedler

Vielen Häusern in der Siedlung fehlt heute die frische Farbe. Bei ihrer Grundsteinlegung am 14. August 1948 wurde ein Stein aus dem Nordturm des Kölner Domes verbaut. Die Grundsteinlegung nahm der berühmte Kardinal Frings vor, schließlich handelte es sich um ein katholisches Siedlerprojekt. Im Jahr 1960 besuchte sogar Bundeskanzler Adenauer die Siedlung, weil eine CDU nahe Wohnungsbaugesellschaft involviert war. In der Mitte der Siedlung liegt eine Grünanlage, die der ehemalige städtische Gartendirektor Fritz Encke entworfen hat. Es handelt sich hierbei um einen Teil des ehemaligen Kölner Festungsringes. Die Anlage ist heute denkmalgeschützt. Die Bruder-Klaus-Siedlung wirkt wie ein Dorf. In den Vorgärten ein Grill, eine abgedeckte Sandkiste, dazu Kinder-Pool. Andere haben sich blickdicht hinter Standard-Baumarkt Sichtschutzholz mit so klingenden Produktnamen wie Sylt, Starnberg oder Mont Blank und Rankgittern versteckt. An manchen Balkonen weht einen schwarz-rot-goldene Fahne. Eigentlich fehlen nur Gartenzwerge und die Idylle wäre perfekt. Und es gibt wenig Parkplätze. Selbst Mittags sind die Autostellplätze Mangelware.

Die Flüchtlingsunterkunft wirkt wie eine Fabrik am Rande des Dorfes

Die neuen Leichtbauhallen für Flüchtlinge liegen versteckt hinter Grün und der Katholischen Grundschule. Sie sind grau. Alles ist sehr technisch, funktional und passt so gar nicht zu der Kleinteiligkeit der Siedlung und der Verspieltheit ihrer Bewohner und deren Wunsch nach maximaler Individualisierung. Die Hallen wirken wie eine Fabrik, in der irgendetwas verpackt wird, steril, rein. Da hilft es auch nicht, dass die Wohnungsversorgung der Stadt von einem Dorf spricht und einem Dorfplatz zwischen den riesigen 15 mal 50 Meter großen Hallen. In den Hallen mit den Unterkünften sind Teile parzelliert, in einigen stehen erste Doppelstockbetten. Es gibt Duschen und Toiletten nach Geschlechtern getrennt, die Stadt verspricht zum Einzug der ersten Flüchtlinge, werden diese auch abschließbare Türen bekommen. Es riecht nach frischer Farbe, neuen Matrazen. Das Licht kommt kalt aus Neonröhren. Wie wird es hier aussehen, wenn 80 Menschen auf engstem Raum zusammenleben? Es ist nur schwer vorstellbar.

Flüchtlinge dürfen nicht selbst für sich kochen

Die größte Halle ist der Speise- und Aufenthaltsraum. Er ist noch völlig leer und hat mit 20 mal 40 Metern eine riesige Dimension. Hier gibt es für die Geflohenen drei Mal am Tag ein Essensangebot, das von den Maltesern gekocht, dann angeliefert und in Konvektoren aufgewärmt wird. Selbst kochen, ist nicht gestattet. Wenn die ersten Flüchtlinge einziehen wird es noch keinen „Dorfplatz“ und Spielplatz geben. Denn die Hallen werden sukzessive fertig gestellt und bezogen. Es ist alles clean, alles neu, da gibt es nichts zu meckern. Dabei steht permanent eine Frage im Raum: Was macht ein Mensch den ganzen Tag an diesem Ort, am Rande der Bruder-Klaus-Siedlung zwischen Friedhof und Verkehrswegen in einem eingezäunten Bereich, in einer Halle mit 80 anderen?

Die Betreiber von den Maltesern und Monika Kuntze Geschäftsfeldleiterin bei der Caritas erklären, dass die Asylbewerber, die hier untergebracht werden, Integrationskurse besuchen sollen. Die Kinder und Jugendlichen werden in Kitas und Schulen gehen. Kuntze sagt, seit gestern wisse man, welche Flüchtlinge in die neue Unterkunft kommen werden. Die Integrationskurse sollen in Gemeinschaftsräumen der Unterkunft, aber auch in der nahegelegenen Grundschule oder Kirchengemeinde stattfinden. So will man Mutter-Kind-Gruppen anbieten und irgendetwas mit den Männern machen.

Kinder und Jugendliche sollen zur Schule gehen

Die Asylbewerber, die am Luzerner Weg untergebracht werden, so die Stadt, haben alle eine Zuweisung für Köln. Einige sind bereits als Flüchtlinge anerkannt, andere warten auf ihre Anhörung. Erst heute wurde bekannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) noch rund 200.000 unerledigte Fälle aus dem letzten Jahr auf seinen Schreibtischen hat. In Köln will man die Asylbewerber, sofern rechtlich möglich, auch in den ersten Arbeitsmarkt aus Unterkünften, wie der am Luzerner Weg vermitteln. Die Stadt rechnet für den Einzelfall mit einer Aufenthaltsdauer zwischen sechs und neun Monaten in den Hallen. Die Kinder und Jugendlichen sollen in die Kita oder Schule gehen. Diejenigen, die schon Schulen besuchen, werden in diesen bleiben, müssen gegebenenfalls lange Wege mit der KVB auf sich nehmen. Alle anderen müssen neu zugewiesen werden. Das dauert, so Kuntze in der Regel mindestens vier Wochen. Allerdings rechnet sie damit, dass die meisten Kinder und Jugendlichen nach den Herbstferien einen Platz haben werden, da auch viele administrative Dinge zu regeln seien.

Es gibt aus der Nachbarschaft eine erste Gruppe die sich engagieren wolle, so Kuntze. Hier bitten die Verantwortlichen allerdings noch um ein wenig Geduld. Jetzt müssten die Asylbewerber zunächst umziehen und sich am neuen Ort eingewöhnen. Viele von Ihnen kommen aus Turnhallen, in denen sie bisher untergebracht waren. Alleine dieser Prozess dauere rund 14 Tage. Den Flüchtlingen so verspricht Kuntze werde die neue Umgebung nahe gebracht. Die Einkaufsmöglichkeiten erläutert. Der Bruder-Klaus-Siedlung steht ein Wandel bevor. Die 400 Flüchtlinge werden die kleine Siedlung zumindest vorübergehend verändern. Denn die Stadt plant mit einer Standzeit der Leichtbauhallen von rund zwei Jahren.

Autor: Andi Goral