Köln | Die Sonne schien, trotzdem war es unangenehm kühl. Das hielt rund 7.000 Menschen nicht davon ab, dem DGB-Aufruf zu folgen und auf dem Heumarkt den 1. Mai zu feiern. Etwa 2.500 davon – darunter auffallend viele Azubis – waren in einer Demonstration vom DGB-Haus gekommen, um die Reden von Kölns DGB-Chef Witich Rossmann und von Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall, zu hören.

Rossmann konnte zu Beginn seiner Rede – sie stand unter dem bundesweiten Motto „Vielfalt – Solidarität – Gerechtigkeit“ – jüngste erfolgreiche Tarifkämpfe aufzählen – etwa im öffentlichen Dienst, der Metallindustrie oder der Tuffi-Milchwirtschaft. Ein gutes Ende erhoffte er auch für die Beschäftigten von Coca-Cola oder die Redakteure im Kölner Medienkonzern Dumont-Schauberg, deren Forderung nach 4,5 Prozent mehr Lohn ein Arbeitnehmerangebot von knapp 1 Prozent gegenüber steht.

Lob für die ersten Betriebsräte bei Deliveroo und Foodora

Witich Rossmann (v.l.) und die Betriebsräte Semih Yalcin (Foodora) und Orvy Mittermayer (Deliveroo). Letzterem wurde jetzt gekündigt – die Gewerkschaft unterstützt die Gegenklage läuft.

Lob fand er auch für die Beschäftigen der Kölner Lieferdienste Deliveroo und Foodora, die als erste in Deutschland einen Betriebsrat gründen konnten – was die gewählten Vertreter, alle mit befristeten Arbeitsverträgen, allerdings nicht vor der Kündigung schützte.

Kölns DGB-Chef beklagte eine zunehmende Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft. Als Gegenmaßnahme forderte er eine höhere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften. Zugleich erinnerte er an die im Grundgesetz vorgesehene Möglichkeit der Enteignung.

Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen war ein weiteres Thema. Hier forderte Rossmann, dass das Projekt Deutzer Hafen kein Luxusprojekt wie der Rheinaus-Hafen werden dürfe, stattdessen müssten hier 70 Prozent sozialer Wohnungsbau entstehen. So lange Arbeitnehmer gezwungen seien, wegen preiswerter Wohnungen ins Umlant zu ziehen und damit zu Pendlern werden, dürfe es auch kein Fahrverbot in den Städten geben.

Mehr Geld für Bildung und Klimaschutz statt für höheren Wehretat

Christiane Benner fordert: Solange Frauen im Schnitt 25 Prozent weniger verdienen als Männer, sollen sie auch beim Einkauf 25 Prozent zahlen müssen.

Harsche Kritik richtete er gegen die Forderung, den Wehretat auf 2 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Stattdessen werde der DGB nicht nachlassen, „gemeinsam mit Friedensinitiativen, mit Papst Franziskus und den Kirchen aller Konfessionen für Frieden und Abrüstung in der Welt einzutreten“. Statt für Rüstung sei das Geld besser für Klimaschutz, Forschung und Bildung einzusetzen.

Friedenspolitik und Solidarität standen auch im Mittelpunkt der Rede von Christina Brenner. Ein Hauptaugenmerk dabei galt der gleichen Bezahlung von Mann und Frau. Von der Bundesregierung erwartet sie, dass das Rückkehrrecht von Teilzeit- auf Vollzeitarbeit gesetzlich verankert wird.

Von Arbeitgebern und Politik forderte sie Geld für Bildung und Qualifizierungsprogramme. Bei der Arbeitsagentur müsse Erhalt und Ausbau von Qualifikationen Vorrang haben vor schneller Vermittlung. In diesem Zusammenhang sei die aktuelle Diskussion um Hartz IV „richtig und längst überfällig“. Hier müsse es auch eine neue Regelung der Vermögensfreibeträge geben: „150 Euro pro Lebensjahr sind ein Witz!“.

Nach der Politik die Kultur mit Musik und Kabarett

Ein Auftritt der DGB-Jugend mit der Forderung nach einer besseren Ausbildungsvergütung und einer kostenfreien Ausbildung beendete den politischen Teil der Kundgebung. Im anschließenden Kulturprogramm sorgten das Quartett „Kalle Kuul“ und Miljöh für die musikalische Unterhaltung.

Kabarettist Robert Grieß ließ seinem Unmut über die Boni-Zahlungen und Ruhestands-Prämien an betrügerische VW-Chefs freien Lauf und wies darauf hin, dass diese von der Steuer absetzbar seien – also von allen Steuerzahlern bezahlt würden. Sein Kollege Wilfried Schmickler, Dauergast bei den 1.-Mai-Kundgebungen, ließ seinem Unmut über die AfD freien Lauf („das tut gut!“), bedauerte die SPD, die bei der Regierungsbildung wieder einmal die Arschkarte gezogen habe, und entlarvte den CSU-Politiker Alexander Dobrindt als konservativen Revolutionär, als „Che Guevara der Reihenhäuser“.

Während der Kundgebung konnten sich die Teilnehmer an gut 50 Infoständen über die DGB-Gewerkschaften und linke Parteien informieren. Vertreten waren auch Buchverlage, Parteien und Solidaritätsinitiativen aus der Türkei, aus Iran und Irak. die Verbraucherzentrale und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Kurdische Gruppen feierten zu Füßen des Reiterdenkmals von Friedrich Wilhelm III. mit Musik und Tanz.

Autor: ehu
Foto: Kölns DGB-Chef Witich Rossmann (Mitte) führte die Demonstration zum Heumarkt an.