Köln | aktualisiert | Es ist der Tag des Newroz-Festes. Das Neujahrsfest der Kurdinnen und Kurden. Dieses fällt auf den 21. März und ab 17 Uhr stellt sich ein breites Bündnis unter dem Motto „Köln gegen den Krieg in Afrin“ auf, um vom Rudolfplatz zum Alter Markt zu ziehen. Anmelder Jörg Detjen von der Linken rechnet mit rund 500 bis 800 Teilnehmern. Ein breites Bündnis aus Künstlern wie Ali Zülfikar oder Thomas Baumgärtel, Schriftsteller wie Dogan Akhanli, aus der Politik auch die Kölner Grünen und die SPD unterstützen den Veranstalter das Plenum „Frieden und Freiheit für die Türkei und Kurdistan.“ Die Hilfsorganisation Hilfsorganisation Medico International spricht von hunderttausenden Menschen, die in Nordsyrien auf der Flucht seien.

Kein Kontakt mehr zu Menschen in Afrin möglich

Dela Dogan hat Verwandte und Freunde in Afrin. Seit einer Woche hat sie, die seit rund 30 Jahren in Köln lebt, keinen Kontakt mehr zu ihnen. Sie weiß nicht, ob es ihnen gut geht. Schon zuvor hätten die Menschen keinen Strom und Wasser mehr gehabt, erzählt die Kurdin. Sie selbst habe von mindestens 700 bis 800 Zivilisten aus ihren Quellen gehört, die durch die türkische Offensive „Olivenzweig“ ums Leben kamen. Sie glaubt aber, dass die tatsächlichen Opferzahlen viel höher liegen. Dogan klagt unmissverständlich an: „Es sterben nur Zivilisten. Mit den deutschen Panzern, die von unserem Steuergeld finanziert wurden, werden nun unsere Menschen umgebracht.“

Damit macht die Kurdin auf ein Problem aufmerksam, dass auch Hans Schwanitz von den Kölner Grünen, der auch für die Landesarbeitsgemeinschaft der Grünen NRW spricht, thematisiert und von der Bundesregierung eine klare Positionierung zu Erdogans Angriffskrieg mit deutschen Leopard I und II Panzern fordert. Die UN-Resolution sei zu schwach und die Bundesregierung müsse sich zu Rüstungsexportgenehmigungen deutlich positionieren. Der Druck auf Erdogan und die Türkei müsse durch Handelsrestriktionen erhöht werden. Schwanitz möchte zudem erreichen, dass sich die Nato in ihren Gremien mit dem Artikel 4 des Natovertrages auseinandersetzt, vor dem Hintergrund, dass die Türkei, die bislang von anderen Natostaaten, wie den USA, unterstützten Kurden angreife. Schwanitz machte zudem deutlich, dass er, wie der frühere Innenminister Gerhart Baum der Auffassung ist, dass verfassungsrechtlich zu prüfen sei, die hier in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden in ihren Demonstrationsrechten zu beschneiden.

Künstler schließen sich dem Protest an

Ali Zülfikar, Thomas Baumgärtel und der Künstler Joseph Bakir aus Afrin begegnen der Aggression des Krieges mit der Kunst. In einem Statement der Künstler heißt es: „Wir sind es leid unsere Schmerzen ausdrücken zu müssen über die Verletzungen junger traumatisierter Menschen, indem wir davon Bilder und Fotografien machen. Wir wollen, dass mit diesen Schmerzen endlich Schluss ist. Was wir benötigen ist Frieden und Freiheit.“

Der 18. März ist ein schwarzer Tag für die Kurden

Seit gestern zeigen die Fernsehbilder aus Afrin eine wehende türkische Fahne über der Stadt. Der türkische Staatspräsident jubelt derweil vor Anhängern und die Regierungszentrale in Ankara erklärt, die Stadt Afrin werde nun seinen „echten Besitzern“ wiedergegeben. Vertreter der kurdischen Verwaltung von Afrin sprechen von rund 200.000 Menschen, die aus der Stadt geflohen seien. Seit dem 20. Januar rücken türkische Truppen, begleitet von Milizen, gegen die Stadt Afrin vor.

Jörg Detjen spricht von einer besonderen Verrohung des Krieges

Auf der Seite der Türkei waren seiner Kenntnis nach, rund 25.000 Kämpfer die sich aus Al Qaida oder IS-Kämpfern rekrutierten, eingesetzt. Detjen spricht von enthemmten Mörderbanden, die hier an der Seite eines Natopartners kämpften und einer Verrohung des Krieges. Dieses Thema müsse die Nato aufgreifen und die Türkei dazu zwingen aus Syrien abzuziehen. Detjen lobte die Aufbauarbeit der Kurden in der Region nach den verheerenden Angriffen des IS und deren Haltung zum Nationalismus. Den gebe es nicht bei den Kurden, denn diese stünden für einen demokratischen Konföderalismus und die Befreiung der Frau ein.

Bevölkerung von Afrin flüchtet Richtung Aleppo

Nach Angaben der Hilfsorganisation Medico International sind im Norden Syriens Hunderttausende Menschen auf der Flucht, seit türkische Truppen und Dschihadisten am Wochenende das syrisch-kurdische Gebiet Afrin eingenommen haben. Um sich in Sicherheit zu bringen, habe sich quasi die gesamte Stadtbevölkerung von Afrin aus in Richtung Aleppo aufgemacht, das mehrere Tage Fußmarsch entfernt sei, sagte Bernd Eichner, Sprecher von Medico International, der „Heilbronner Stimme“ (Dienstagsausgabe): „Und es gibt aktuell keinerlei Versorgungsstrukturen durch Hilfsorganisationen.“ Eichner spricht von „einer so prekären und unübersichtlichen Lage, dass noch nicht einmal das Überleben gewährleistet“ werden könne.

Auch die Helfer müssten sich nun, nach der überraschend schnellen Einnahme der Stadt, neu formieren. Dabei fehle es an allem: Gesundheits-Basisversorgung, Trinkwasser, Essen, Decken, Zelten. Medico International leistet von Deutschland aus Nothilfe und hatte unter anderem das letzte noch funktionierende Krankenhaus in Afrin unterstützt.

Der Betrieb dort sei inzwischen auch eingestellt, so Eichner weiter. Manche der Geflüchteten könnten vielleicht bei Verwandten in den kurdischen Vierteln von Aleppo unterkommen. Aber auf dem Weg dorthin, das sei aus dem Land zu hören, müssten die Menschen Kontrollposten der syrischen Armee passieren – dabei werde ihnen das letzte Hab und Gut abgepresst. „Die Lage dort ist wirklich eine Herausforderung.“

Die Demonstration am Mittwoch

Jörg Detjen meldete die Demonstration für das Plenum „Frieden und Freiheit für die Türkei und Kurdistan“ an. Am Freitag habe es ein Kooperationsgespräch mit der Kölner Polizei gegeben, die die Demonstration genehmigt habe. Es gebe, so Detjen, keine Auflagen sondern nur Hinweise der Polizei. Die Polizei bestätigt die Genehmigung der Demonstration auf folgendem Zugweg: Aufstellung am Rudolfplatz mit Kundgebung ab 16 Uhr. Von 17 bis 18:30 Uhr Demonstrationszug ab Rudolfplatz über Mittelstraße, Apostelnstraße, Hahnenstraße, Neumarkt, Cäcilienstraße, Pipinstraße, Kleine Sandkaul, Gürzenichstraße, Heumarkt, Unter Käster und Alter Markt. Detjen will auf Deeskalation bei den Versammlungsteilnehmern und der Polizei setzen, vor allem beim Zeigen von verbotenen Symbolen. Hier will er den Dialog suchen mit denen, die die Fahnen zeigen und der Polizei.

Zeigen von verbotenen Symbolen

Es gibt verbotene Symbole, die auf Demonstrationen nicht gezeigt werden dürfen. Aus diesem Grund hatte die Kölner Polizei am 27. Januar eine kurdische Demonstration aufgelöst und weitere verboten. Report-K hatte zu dieser Demonstration detaillierte Nachfragen an die Kölner Polizei gestellt, die den Verlauf der Demonstration im Januar als grundsätzlich friedlich einordnet. Im Rahmen der Demonstration wurden Strafanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, einfacher und gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung, Landfriedensbruchs, Verstoßes gegen das Waffengesetz, Sprengstoffgesetz, Versammlungsgesetz (VersG) sowie das Vereinsgesetz (VereinsG) gefertigt, so die Kölner Polizei.

Vor allem das Zeigen der Fahnen mit dem Konterfei von Öcalan führte zur Auflösung der Demonstration. Dazu stellt die Kölner Polizei fest: „Das Zeigen einer Öcalan-Fahne beinhaltet zunächst den Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (Werben für eine vereinsrechtlich verbotene Organisation). Sollte der Zusammenhang mit der PKK im Einzelfall durch die Staatsanwaltschaft verneint werden, handelt es sich dann gegebenfalls um eine Ordnungswidrigkeit, wenn das Zeigen durch eine Versammlungsauflage untersagt wurde. Hier macht sich die Versammlungsleitung einer Straftat gegen das Versammlungsgesetz und ein Versammlungsteilnehmer einer Ordnungswidrigkeit verdächtig.“

Nach der Demonstration im Januar leitete die Polizei rund 80 Strafverfahren gegen eine Vielzahl nicht identifizierter Tatverdächtiger ein, die durch das Schwenken der Öcalan-Fahnen gegen das Vereinsgesetz verstoßen haben könnten, deren rechtliche Würdigung ob es sich um eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit handelt allerdings noch im Raume steht. Einige der Verfahren wurden an die Staatsanwaltschaft Köln weitergeleitet.

Autor: Andi Goral, dts
Foto: Das Bild zeigt die friedliche kurdische Demonstration am 27. Januar in Köln