Dinxperlo | Louisa Heckelt strahlt. „B-Meiden Voetbalkampionen 2012“ steht in großen schwarzen Buchstaben auf ihrem orangen Poloshirt. Louisa ist Fußballerin und hat in dieser Saison mit dem SV Dinxperlo die Meisterschaft der B-Jugend gewonnen. Und: Die 17-jährige ist Deutsche, spielt zur Verstärkung des niederländischen Teams im Nachbarland. Das ist typisch für Dinxperlo, den 8.500 Einwohner zählenden Ort im Osten der Niederlande an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen.

Dinxperlo ist der Nachbarort der deutschen Gemeinde Suderwick, die zur Stadt Bocholt gehört. Die beiden Orte gehen ineinander über. Die Grenze verläuft entlang der Straße, die auf der deutschen Seite Hellweg und auf der niederländischen Heelweg heißt. Am Mittwoch wird das freundliche Miteinander der Menschen auf eine harte Probe gestellt: Denn bei der Europameisterschaft spielen die Deutschen gegen die Niederlande, in Dinxperlo auf dem Markt gibt es ein Public Viewing. „Wir haben eine groote Schirmbild dort, hoffentlich kommen auch viele Deutsche“, radebrecht Jonneke Gerritsen von der Frauenfußball-Mannschaft des SV Dinxperlo und lacht.

In Dinxperlo befindet sich die erste deutsch-niederländische Polizeistation

Überhaupt: Die Sprache. Als Louisa Heckelt und Ann-Christin Volmering vor zwei Jahren vom GSV Suderwick zu den niederländischen Fußballerinnen wechselten, mussten sie erst einmal Vokabeln lernen. „Auf dem Platz wird Niederländisch gesprochen. Am Anfang wusste ich nicht, dass Buitenspel Abseits heißt“, erzählt Louisa Heckelt. Und die 16-jährige Ann-Christin Volmering erinnert sich: „Als im Training jemand rief: ‚Met de vreef schieten‘, habe ich erstmal nachgefragt. Und dann gelernt, dass ich mit dem Spann schießen sollte.“ Im Spiel, wenn es schnell gehen muss, sprechen die Fußballerinnen auch schon mal Englisch miteinander.

In Dinxperlo und Suderwick wird europäische Integration jeden Tag gelebt. Auf der Raadhuisstraat befindet sich die erste deutsch-niederländische Polizeistation. Hier arbeiten Polizeihauptkommissar Jürgen Schütte und Brigadier Jan Hoving Hand in Hand. Auch wenn die Technik den gemeinsamen Ermittlungen noch immer im Wege steht: Die beiden Polizisten können über Funk nicht direkt miteinander sprechen, weil die deutsche Polizei analoge Frequenzen, die Niederländer digitale verwenden. Beide werden am Mittwoch beim Public Viewing dabei sein und für Ordnung sorgen. Der Respekt vor den Polizisten endet jedenfalls nicht an der jeweiligen Grenze. „Die niederländischen Autofahrer nehmen ihre Handys ganz schnell vom Ohr, wenn ich sie überhole“, berichtet Jürgen Schütte lächelnd.

Die Lieblingsspieler der deutschen Fußballerinnen sind Niederländer

Grenzenlos ist auch die Liebe der Mitglieder des 1. deutsch-holländischen FC Schalke 04 Fanclub Suderwick-Dinxperlo. „Ich arbeite als Deutscher in den Niederlanden und muss mir seit Wochen was anhören von meinen Kollegen“, erzählt Installateur Jens Siemkes, der 2. Vorsitzende des Fanclubs, und ergänzt: „Sie sagen: Wir gewinnen am Mittwoch gegen euch, ihr fahrt sowieso nach der Vorrunde nach Hause“, erzählt der 29-jährige. Darauf reagiert er augenzwinkernd und schmückt seinen niederländischen Firmenwagen ohne die Zustimmung seines Chefs mit zwei Deutschlandfahnen und einem schwarz-rot-goldenen Schal.

Wenn die weibliche B-Jugend des SV Dinxperlo am Mittwoch das Europameisterschaftsspiel sieht, geht es nicht nur um Fußball. „Bei den Deutschen spielt so ein Blonder, der sieht gut aus“, sagt Joelle Rougoor. Den Namen des Spielers kennt sie nicht. „Mein Lieblingsspieler ist Arjen Robben“, gesteht Ann-Christin Volmering. Auch ihre Mannschaftskameradin Louisa Heckelt hat ein niederländisches Idol: „Ich mag Klaas-Jan Huntelaar“, sagt die 17-jährige. Insgeheim drücken viele Deutsche in Suderwick den freundlichen Nachbarn und deren Nationalelf Nederlands Elftal die Daumen. Also heißt es am Mittwoch auch in Dinxperlo: „Hup Holland hup.“

Autor: Herbert Spies, dapd