Köln | In die Verbrechen des Nazi-Regimes verwickelt sein, ohne sich schuldig gemacht zu haben? Das wollte viele Deutsche nach 1945 – und es gab dafür ein prominentes Beispiel: Albert Speer, Hitlers Stararchitekt und Rüstungsminister, inszenierte sich nach 1945 als der „gute Nazi“. Und man glaubte ihm allzu gerne. Die Ausstellung „Albert Speer in der Bundesrepublik – Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ im NS-Dokumentationszentrum zeigt, wie seine Lügen erst spät entlarvt wurden.

Als Albert Speer (l.) 1966 aus der Zitadelle in Spandau entlassen wurde, begrüßten ihn hunderte Menschen, darunbter viele Medienvertreter. Foto: Deutsches Historisches Museum

Schon in den Nürnberger Prozessen gelang es Albert Speer, die Richter von seiner „Unschuld“ zu überzeugen. Er gab Nichtwissen von den Verbrechen vor und spielte den von Hitler Verführten, den zu spät Einsichtigen: Er hätte es wissen können, wenn er es gewollt hätte. Schließlich wurde er zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Nach der Haftentlassung 1966 wurde er zum gefeierten Entlastungszeugen

Als er 1966 das Gefängnis in Berlin-Spandau verlassen konnte, wartete vor dem Tor eine Menschenmenge auf ihn, darunter viele Medienvertreter. In den folgenden Jahren pflegte er bis zu seinem Tod 1981 in Dutzenden Zeitungs- und TV-Interviews sein Image als „geläuterter“ Zeitzeuge. Dabei halfen ihm auch autobiografische Bücher wie „Spandauer Tagebücher“, „Erinnerungen“ oder „Der Sklavenstaat. Meine Auseinandersetzung mit der SS“. Im sechstelligen Bereich verkauft, machten sie ihn reich. Und seine Lügen überzeugten selbst Simon Wiesenthal.

Erst nach Speers Tod durchbrachen anerkannte Historiker das Lügenkonstrukt. So forderte Speer für den Umbau Berlins in die monumentale Reichshauptstadt „Germania“, dass vor allem Juden ihre Wohnungen verlassen mussten. Er genehmigte 1941 persönlich den Ausbau des Vernichtungslagers Auschwitz – die Ermordung der Juden dort war ihm durchaus bekannt. In den Stollen von Dora-Mittelbau ließ er unter unmenschlichen Bedingungen von Zwangsarbeitern und KZ-Insassen die „Vergeltungswaffe“ V“ zusammenbauen.

Lange wurde Speers Lügengebilde nicht hinterfragt

Die Wanderausstellung des Dokumentationszentrums Reichsparteitaggelände – Köln ist die dritte Station – zeichnet mit historischen Bild- und Tondokumenten nach, wie sehr Nachkriegsdeutschland nach Speers „Entschuldung“ gehungert hatte. Wie Wissenschaftler kritiklos an seiner Legende mitgewirkt hatten, nicht zuletzt auch Verleger Jobst Siedler und Publizist Joachim Fest.

Erst nach seinem Tod machten sich Historiker wie die Politologin Isabell Trommer, der Historiker Bertrand Porz oder Jens-Christian Wagner von der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten daran, das Lügen- und Fälschungsgebäude auseinanderzunehmen. An Einzeltischen werden sie und ihre Forschungsarbeit vorgestellt und so gewürdigt – eine willkommene Auflockerung der notgedrungen strengen Ausstellungspräsentation mit Vitrinen und Schrifttafeln.

[infobox]„Albert Speer in der Bundesrepublik – Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ – bis 8. August 2019. NS-Dokumentationszentrumder Stadt Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, www.nsdok.de,Di-Fr 10-19 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr, erster Donnerstag im Monat 10-22 Uhr. Katalog

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Autor: ehu | Foto: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände
Foto: Titelbild der „Deutschen Illustrierten“ vom Februar 1938 (Ausschnitt): Albert Speer (r.), „Baumeister des Dritten Reiches“, lässt sich von Adolf Hitler die Pläne vom künftigen Berlin erklären | Foto: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände.