Köln | „Ich fahre jeden Tag mit dem Rad und finde die Situation auf den Straßen der Stadt als bedrohlich. Nur durch die maximale Aufmerksamkeit schaffe ich es, nicht umgefahren zu werden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Joshua. Er ist einer von mehr als 200 Radfahrern, die sich am Mittwochabend an der Ecke Beethovenstraße/Hohenstaufenring versammelt haben. Forderungen sind Tempo 30 für die ganz Stadt und die Aufhebung der Radwegpflicht.

Dort wurde in der vergangenen Woche eine 33-jährige Frau beim Zusammenstoß mit einem Lastwagen lebensgefährlich verletzt. „Es liegt eine schlimme Woche hinter uns“, sagt Christoph Schmidt vom Kölner ADFC und zählt die Radunfälle auf, bei denen einen Frau getötet und zwei weitere Menschen schwerst verletzt worden sind. Und am Demonstrationstag für mehr Sicherheit von Radfahrern ist schon wieder eine Frau in Niehl lebensgefährlich verletzt worden.

„Das Tempo muss deutlich in der Stadt reduziert werden, dass zeigen die Verkehrsstatistiken. Bei 50 Stundenkilometern haben Radfahrer bei Unfällen keine Chance zu überleben. Bei Tempo 30 sieht das schon anders aus. Ich hoffe, dass sich die OB-Kandidaten nicht nur an der Debatte beteiligen, sondern später im Amt auch wirklich etwas ändern“, fordert Joshua.

Ähnlich sehen das auch die anderen Demonstranten an diesem Mittwochabend: „Für mich gehört Radfahren zu einer lebenswerten Stadt. Aber wenn ich sehe, wie oft ich mich nur noch durch eine Vollbremsung vor einem Unfall retten kann, dann ist das schon problematisch. Ich bin gerade auf dem Weg hierher von einem Autofahrer abgedrängt worden“, berichtet Julia. „Gefährliche Situationen sind in Köln die Regel, man weiß nie, was ein Autofahrer im nächsten Moment vor hat. Ein wichtiger Schritt wäre, die Radfahrer auf die Straße zu holen, damit sie als normale Verkehrsteilnehmer besser sichtbar werden“, fordert Matthias Schmitz die Aufhebung der Radwegpflicht.

Positiv überrascht über die gute Resonanz zum Demonstrationsaufruf zeigt man sich beim ADFC: „Mehrere 100 haben sich angemeldet. Gut ist, dass es auch Unterstützung von Leuten jenseits der Radfahrergemeinde gibt. Mit der Aktion heute hoffen wir, noch mehr Aufmerksamkeit zu erlangen, damit Politik und Verwaltung endlich wach werden“, sagt Clemens Rott, 2. Vorsitzender des ADFC.

Kritik an den Kölner Radwegen gibt es von Anne: „Der Zustand ist desaströs. Parkstreifen und Bäume machen Radler fast unsichtbar. Neben der Aufhebung der Benutzungspflicht von Radwegen wären mehr Radstraßen in Köln sehr wichtig.“ Von der Beethovenstraße zieht der Demonstrationszug über den Rudolfplatz, Neu- und Heumarkt zum Alter Markt, wo vor dem Rathaus die Abschlusskundgebung stattfindet.

Dort fasst Christoph Schmidt die Forderungen an Verwaltung und Politik zusammen: „Das was wir in den letzten Tagen erlebt haben, muss aufhören“, sagt er und erinnert auch an die toten Radfahrer im Frühjahr, darunter die 19-jährige Miriam, die bei einem illegalen Autorennen am Auenweg ums Leben gekommen ist. „Die Polizei hat auf die Raser reagiert und hart durchgegriffen. Aber auch schon bei kleinen Geschwindigkeitsüberschreitungen droht Gefahr. Und bei den Maßnahmen, die Unfälle beim Rechtsabbiegen vermeiden sollen, passiert seit Jahren nichts“, moniert Schmidt.

Das Radkonzept der Stadt sei gut, aber der Zeitplan von zehn bis 20 Jahren sei nicht akzeptabel. Die Umsetzung wäre auch in drei bis vier Jahren möglich. Zu den Forderung des ADFC gehören unter anderem, dass Radfahrer bei Grün an der Ampel einen kleinen Vorsprung bekommen und dass es im Kreuzungsbereich keine Werbetafeln und Parkplätze mehr geben darf, die die Sicht auf Radfahrer versperren. Kreuzungen sollten zudem entschleunigt und Tempo 30 stadtweit eingeführt werden. Die Benutzungspflicht von Radwegen soll zudem in ganz Köln aufgehoben werden.

Autor: Stephan Eppinger