Remscheid/Oberhausen | Für Amir Bahram und Gerrit Heinemann wird es am Sonntag (13. Mai) ernst: Die beiden 19-jährigen Schüler sind zum ersten Mal als Wahlhelfer aktiv. Sie sind dabei, wenn um 18.00 Uhr die Urne geöffnet wird, wenn Tausende Wahlzettel auf den Tisch flattern und das große Zählen beginnt.
„Politik ist etwas Lebendiges und zum Greifen nahe. Es sollten sich mehr junge Menschen politisch engagieren, egal, wie komplex die politischen Strukturen heute geworden sind“, erklärt der Iraner Amir Bahram sein Engagement. Er lebt seit neun Jahren in Remscheid und besitzt die iranische und die deutsche Staatsbürgerschaft. Er sei durch sein Engagement für die SPD an der Basis auf die Idee gekommen, mehr tun zu wollen, als nur seine Stimme abzugeben. Er habe neben seinen Verpflichtungen in der Schule und dem Jugendrat der Stadt durch die einfache, aber sehr wichtige Arbeit der Wahlhelfer eine besondere Motivation: „An der Wahlurne entscheidet sich die Politik der nächsten Jahre.“
Gerrit Heinemann, ein blonder junger Mann aus Oberhausen, hat einen anderen Beweggrund, als Wahlhelfer zu arbeiten. Er suche schon lange nach einer Partei, die zu seinen Interessen passt, politisch engagieren wolle er sich aber auch ohne Parteibuch: „Ich wollte schon immer einmal bei einer Wahl helfen. Vor ein paar Wochen habe ich gelesen, dass sich angeblich Neonazis als Freiwillige melden wollen, um den Ablauf zu stören. Das wollte ich nicht zulassen.“
„Wenig Aufwand, aber für viele eine prägende Erfahrung“
Die beiden jungen Männer haben sich bei „Mehr Demokratie NRW“ eingetragen: Eine überparteiliche, private Initiative mit Sitz in Köln, die sich seit 1988 für Demokratie und Volksentscheide einsetzt. Ihre Mitglieder helfen in Bezirken, die die benötigten Wahlhelfer nicht stellen können und setzen sich im Landtag für Volksbegehren ein.
Thorsten Sterk von „Mehr Demokratie NRW“ erklärt das große Interesse vieler junger Menschen an direkter, demokratischer Teilhabe so: „Für viele ist es ein Einstieg in ein lebenslanges politisches Engagement. Gerade junge Menschen, Schüler, Studenten interessieren sich für die praktischen Vorgänge hinter der Urne. Es ist wenig Aufwand, aber für viele eine prägende Erfahrung.“ Rund 20 Prozent der Registrierten bei „Mehr Demokratie NRW“ sind jünger als 26 Jahre alt. Eine Statistik, wie viele junge Wahlhelfer am 13. Mai landesweit im Einsatz sind, gibt es nicht.
Das Land NRW fördert den Einsatz junger Wahlhelfer. Gerade an Schulen und Universitäten wird gezielt um politisches Engagement geworben. Die „Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie“ (RAA) in Essen hat noch ein weiteres Ziel ins Auge gefasst: Das bundesweit unterstützte Projekt versucht politisch interessierte junge Muslime für ein Engagement als Wahlhelfer zu gewinnen. Ohne deutsche Staatsbürgerschaft dürfen sie am Sonntag keine Stimme abgeben, doch die RAA bemüht sich zu vermitteln, dass sie auch ohne Wahlrecht politisch aktiv werden können.
„Es wird unvergesslich“
„Viele muslimische Jugendliche fühlen sich den großen Volksparteien nicht zugehörig, viele dürfen nicht einmal in dem Land wählen, in dem sie aufgewachsen sind. Wir zeigen, dass ihre Meinung und ihre Hilfe wichtig sind“, sagt Asia Afaneh von der RAA in Berlin. Hier startete bei der Senatswahl 2011 ein beispielloses Projekt: Insgesamt 24 junge Muslime, unter anderem aus Syrien, Palästina und der Türkei, leiteten eigenverantwortlich den Wahlablauf im Rathaus in Berlin Pankow. Ab 2013 ist den Angaben zufolge ein ähnliches Pilotprojekt in Düsseldorf geplant.
Wahlhelfer sind landesweit unverzichtbar, die Motivation der jungen Menschen ist politisch geprägt. Als Aufwandsentschädigung für das stundenlange Zählen der Stimmzettel gibt es 30 Euro. Sich einmal als aktiver Teil der Demokratie fühlen, ist für alle jungen Wahlhelfer ein Erlebnis. Dieser Gedanke ist auch für Amir Bahram ausschlaggebend: „Ich bin sehr aufgeregt, wie es am Sonntag genau ablaufen wird und ich glaube, es wird unvergesslich sein – völlig unabhängig davon, wie die Wahl ausgehen wird.“
Autor: Emily Loh, dapd