Herr Welters, zehn Jahre lang haben Sie nun die Agentur für Arbeit in Köln geleitet. Wie hat sich die Stadt seitdem verändert? Und wie hat sich Ihre Arbeit verändert?
Peter Welters:
Köln steht heute gut da – der Strukturwandel ist weit fortgeschritten, wir haben hier viele anspruchsvolle Arbeitsplätze und viele qualifizierte Beschäftigte. Es ist jedoch in dieser Zeit nicht gelungen, die schwierige soziale Lage vieler Kölnerinnen und Kölner deutlich zu verbessern. Viele Kölner sind weiterhin abhängig von Transferleistungen, von Arbeitslosengeld II, von Wohngeld. Die Folgen des Strukturwandels von einer industriell geprägten zur Dienstleistungs- und Medienstadt waren zu heftig, um die insgesamt hohe Arbeitslosigkeit zu verhindern. Die großen Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, können wir nur dann meistern, wenn alle Akteure – dazu zähle ich auch die Arbeitsagentur – an einem Strang ziehen. Wir arbeiten in vielen Netzwerken gut und erfolgreich zusammen, um die Probleme zu lösen.

Ist Köln für die Zukunft gut gerüstet? Wo sehen Sie Potentiale in Köln?
Die Kölner Wirtschaft ist heute gut aufgestellt: Die Stadt hat einen sehr guten Branchenmix, davon hat der Arbeitsmarkt in der Krise profitiert. Köln ist dadurch weniger anfällig als andere Regionen. Ein echtes Plus sind die Hochschullandschaft und die hohe Zahl der Arbeitsplätze für Hochqualifizierte.

Darüber hinaus ist Köln attraktiv als Wohn- und Arbeitsort. Deshalb hat Köln bislang deutlich geringere demografische Probleme als andere Städte und auch als das Umland. Während beispielsweise das Ruhrgebiet aufgrund der demografischen Entwicklung unter einem Bevölkerungsrückgang leidet und die Bevölkerung überaltert, ist die Kölner Bevölkerung relativ jung. Dennoch muss sich auch Köln für die demografischen Verschiebungen rüsten, denn künftig werden sich die Regionen und Kommunen einen Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte und Attraktivität des Wirtschaftsstandortes liefern.

Was werden in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen für den Kölner Arbeitsmarkt sein?
Aus meiner Sicht sind das zwei Entwicklungen: Zum einen werden auch Kölner Unternehmen mit der demografischen Entwicklung konfrontiert, sie werden verstärkt nach qualifizierten Arbeitskräften Ausschau halten und um sie werben müssen. Zum anderen haben wir in Köln viele Menschen, die keinen Schulabschluss oder keinen Berufsabschluss haben. Sie haben große Schwierigkeiten auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Der Stadt droht eine Spaltung. Auf der einen Seite die Gutqualifizierten, Flexiblen, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind, auf der anderen Seite die Geringqualifizierten, die oft über einen langen Zeitraum arbeitslos sind. Die Stadtgesellschaft muss dafür Sorge tragen, dass auch die jungen Leute, die eine schlechte Ausgangssituation haben, eine Perspektive auf einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung bekommen. Damit würde zugleich das Fachkräfteproblem gemildert.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit der Agentur für Arbeit und der Stadt? Wo sehen Sie in diesem Bereich Verbesserungsmöglichkeiten?
Unsere Zusammenarbeit ist gut – aber es gibt nichts, was nicht noch verbessert werden könnte. Wir stimmen in der Einschätzung der wirtschaftlichen und arbeitsmarktlichen Situation überein und entwickeln gemeinsam Lösungen zur Verbesserung der Bildungs- und Beschäftigungschancen der hier lebenden Beschäftigten und Arbeitslosen. Weiterhin stehen wir in der gemeinsamen Verantwortung für die hilfebedürftigen und erwerbsfähigen Bürgerinnen und Bürger. Wir sichern im gemeinsamen Jobcenter nicht nur deren Lebensunterhalt, sondern unterstützen sie auch bei der beruflichen Eingliederung bzw. Wiedereingliederung.

In Köln gibt es einen sehr hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen. Was müsste geschehen, um diese Kölner wieder in den Arbeitsmarkt integrieren zu können?
Die Konjunktur zieht an, das ist in jedem Fall ein gutes Signal. Damit Langzeitarbeitslose stärker davon profitieren, müssen wir noch einiges tun – manchen fehlt eine Qualifizierung, andere brauchen eine Betreuungsmöglichkeit für die Kinder, wieder andere müssen Schritt für Schritt wieder ans Arbeitsleben herangeführt werden. Und wir müssen davon ausgehen, dass ein Teil der Langzeitarbeitslosen aufgrund verschiedener Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, in Vollzeit zu arbeiten. Hier kommen Minijobs oder Stellen auf dem Zweiten Arbeitsmarkt zum Einsatz.

Welche Tipps geben Sie Ihrer Nachfolgerin/ Ihrem Nachfolger?
Meine Nachfolgerin, Roswitha Stock, hat viele Jahre in der Agentur für Arbeit Köln gearbeitet, sie hat in den vergangenen vier Jahren die benachbarte Agentur Brühl geleitet – insofern kennt sie die Stadt, die Region und die Akteure sowie die Arbeitsagentur selbst bestens. Ich müsste schon sehr lange überlegen, um Frau Stock noch Tipps geben zu können.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre persönliche Zukunft.

Das Gespräch führte Cornelia Schlösser
Foto: PR