Stenzelberg | aktualisiert | Ein schmaler Trampelpfad schlängelt sich durch eine unwirkliche Landschaft. Auf der linken Seite fasziniert das weite Panorama von Bonn wie auf einer Postkarte. Rechts vom Weg stehen bis zu acht Meter hohe Felswände mitten im Wald. Der Blick von unten lässt erahnen, dass sie ein Plateau bilden. Bäume wachsen fast senkrecht über die Klippe hinaus. Kommt man da hoch?


Karte: www.mapz.com

An den steilen Felswänden sind in regelmäßigen Abständen weiße Abdrücke zu sehen. In Spalten und Furchen der ansonsten unnatürlich glatten Wände haben sich feine Kreidereste gesammelt. Es scheint fast so, als ob sie dort jemand gezielt nach einem Muster angelegt hat.

Wir sind im Naturpark Siebengebirge, dem ältesten Naturschutzgebiet Deutschlands. Genauer gesagt am Stenzelberg. Das Siebengebirge liegt rechtsrheinisch, also auf der Schäl Sick, südöstlich von Bonn. Anders als der Name vermuten lässt, besteht das Siebengebirge aus weit über vierzig Bergen und Anhöhen. Diese Berge zählt man zum Siebengebirge: Petersberg, Nonnenstromberg, Ölberg, Lohrberg, Löwenburg, Wolkenburg und Drachenfels. Diese „sieben“ sind aus jeder Himmelsrichtung von weitem zu sehen, die heben sich deutlich ab aus den über 40 Erhebungen des Siebengebirges.


Der ehemalige Steinbruch am Stenzelberg

Einzigartige Flora und Fauna im ehemaligen Steinbruch

Valentin [Name von der Redaktion geändert] stapft über den schmalen Trampelpfad und blickt mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne, die tief über Bonn steht. „Perfektes Wetter zum Bouldern“ erklärt er freudig. Mit nacktem Oberkörper trägt er ein großes, gepolstertes Quadrat wie ein Rucksack auf seinem Rücken. Nach einigen Metern verlässt er den Pfad und geht direkt auf die steilen Felswände des Stenzelbergs zu. Mit seinen flexiblen Zehenschuhen bewegt er sich mühelos über den steinigen Boden. Nach einiger Zeit kommt er in einen beeindruckenden Felskessel. Am Fuße der Felswand legt er sein gepolstertes Quadrat hin und klappt es auf. Die Form erinnert an eine Matratze.

Der Stenzelberg liegt zwischen dem Dorf Heisterbacherrott und dem Kloster Heisterbach. Die einmaligen Felsformationen entstanden durch einen Steinbruch, der mehrere Jahrhunderte Quarz lieferte. Das Gestein wurde in vielen Kirchen in der Umgebung, darunter auch dem Bonner Münster, genutzt. Für den Kölner Dom diente der benachbarte Drachenfels lange Zeit als Lieferant für Trachyt-Steine.

Am Stenzelberg wurde der Steinbruch 1931 stillgelegt. Tiefe Schluchten, ein breiter Kessel und freistehende „Umläufer“, kleine Türme aus nicht brauchbaren Gestein, bieten eine besondere Landschaft. Mit der Zeit konnte sich dort eine vielfältige Flora und Fauna ausbreiten.

Valentin hat sich nicht auf seine Matratze schlafen gelegt, sondern daneben gedehnt und aufgewärmt. Im Anschluss packt er eine kleine Tasche voller feiner Kreide aus. Er pudert sich die Handinnenflächen und hängt sich die Tasche mit einem Karabiner an seine Hose. Im Anschluss positioniert er noch einmal die Matratze genau und legt den Kopf in den Nacken. Dann packt er zu.
Weite Teile des Siebengebirges sind seit 1923 als Naturschutzgebiet ausgezeichnet. Damit zählt es zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands. Durch die Nähe des Köln-Bonner Ballungsraum sind pro Jahr rund  2,5 Millionen Besucher im Siebengebirge. Darunter auch viele Kletterer. Vor allem der Stenzelberg galt dank seiner Felsformationen als Hotspot der Kletterer. Die Bonner Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV) war dort lange Zeit aktiv und bot unter professioneller Aufsicht Klettertouren an. Der zuständige Rhein-Sieg-Kreis duldete die Kletterer, auch wenn teilweise nur in gewissen Zeitfenstern das Klettern im ehemaligen Steinbruch erlaubt war.

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Klettern am Stenzelberg ist lebensgefährlich

Eine Leserin von report-K machte uns darauf aufmerksam, dass das Klettern im Stenzelberg lebensgefährlich ist: „Der Beitrag beschreibt in erster Linie das Klettern/Bouldern im Gelände des alten Steinbruchs Stenzelberg. Es ist zu recht beschrieben, dass dies dort seit Jahren aus Naturschutzgründen verboten ist. Doch noch wichtiger ist es, dass es lebensgefährlich ist, dort zu klettern! Der Trachyitstein ist sehr brüchig und weich, der Berg bröselt förmlich weg und ich weiß aus eigener Erfahrung wie oft es dort zu teils lebensgefährlichen Verletzungen von Kletterern kam, oft genug haben wir Rettungswagen gerufen, mangels einem funktionierendem Handynetz im Gelände.“

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Trendsportart ist am Stenzelberg illegal

In zweieinhalb Metern Höhe hängt Valentin mit einer Hand an einem schmalen Vorsprung. Die Beine sind weit gespreizt und geben ihm weitere Stabilität. Er klettert komplett ohne Seil oder Sicherung. Die einzigen Hilfsmittel sind das Magnesiapulver, das aussieht wie Kreide und als letzte Rettung die gepolsterte Matte, die auf dem Boden liegt. Diese besondere Art des Kletterns heißt „Bouldern“ und kommt vom englischen Boulder („Felsblock).

Die acht Meter hohe Felswand wird Valentin nicht komplett hochklettern. Es geht vorrangig um das Klettern in Absprunghöhe an Felsblöcken und –wänden. Seit den 1990iger Jahren hat die Disziplin des Sportkletterns stetig an Popularität gewonnen.
Für den offiziellen Klettersport am Stenzelberg war im Juni 2005 Schluss. Als die europäische Union das Siebengebirge als sogenanntes „Flora-Fauna-Habitat“ anerkannte, war eine neue und damit schärfere Naturschutzgebietsverordnung notwendig. Das Klettern fiel dieser trotz zahlreicher Bemühungen und Entgegenkommens des DAV zum Opfer.
 
„Ach, die Mauereidechse kann sich auch neben mir auf dem Felsen sonnen. Ich nehme ihr ja nichts weg.“ spielt Valentin das Kletter-Verbot herunter. Da er sehr naturverbunden ist und regelmäßig klettert bzw. „bouldert“, kümmert er sich zum Beispiel regelmäßig um den Müll vor Ort und leistet so seinen Beitrag zum Naturschutz. „Würde ich hier nicht klettern, würde ich auch nicht den Müll wegräumen.“

Um auf das Plateau zu gelangen, gibt es auf der Rückseite einen ungefährlichen Weg nach oben. Und hier gilt: Je höher man kommt, desto besser ist die Aussicht. Der Rhein schlängelt sich an Bonn und dem Post-Tower vorbei, im Dunkeln blinken die Signalleuchten des Köln-Bonner Flughafens und am Horizont stechen zwei enge Türme in den Abendhimmel. Der Kölner Dom grüßt bis ins Siebengebirge. Und Valentin grüßt zurück – ganz legal, da er über den Weg nach oben gekommen ist.

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Stenzelberg (278 Meter)

Der Stenzelberg liegt im Siebengebirge 20 Gehminuten südwestlich von Heisterbacherrott und ganz in der Nähe des Kloster Heisterbach. Parkmöglichkeiten gibt es zahlreiche im Ort. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von Köln Hbf sind circa 60 bis 80 Minuten einzuplanen. Der RB27 fährt bis Niederdollendorf und von dort der Bus 520 in Richtung Heisterbacherrott. Je nachdem, wie viel man laufen möchte, hat man mehrere Haltestellen zur Wahl.

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Tipp: Das Einkehrhaus Waidmannsruh

Wer am Stenzelberg einkehren will, der findet in Königswinter das Einkehrhaus Waidmannsruh mitten im Naturpark Siebengebirge. Die Gaststätte gibt es seit 1927 und sie darf nicht mit dem Auto angefahren werden. Das Traditionshaus ist über Wanderwege in 10 bis 20 Minuten von den Parkplätzen „Im Mantel“, „Petersberg“ oder Margarethenhöhe zu erreichen.  Dort gibt es selbstgebackenen Kuchen und eine gut-bürgerliche Küche. Alle Infos, auch die aktuellen Öffnungszeiten im Netz: www.einkehrhaus-waidmannsruh.com

Autor: Julian Körver
Foto: Die Aussicht vom Stenzelberg