Köln/München | Der „Bayerische Rundfunk“ (BR) und die „Nürnberger Nachrichten“ berichtet über den Fall der Taschenlampen-Bombe aus dem Jahr 1999 in der Nürnberger Scheurlstraße. Das damalige Opfer gab bei seiner erneuten Vernehmung im Jahr 2013 an, eine enge Vertraute von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe identifiziert zu haben. Laut BR sollen die Ermittler die Spur nicht mit Nachdruck verfolgt zu haben.

Der BR recherchierte gemeinsam mit den „Nürnberger Nachrichten“ und veröffentlichte heute Morgen diese Erkenntnisse. Die Hinweise auf eine Mitwirkung des NSU-Umfeldes bei diesem Bombenanschlag seien den Ermittlern seit fünf Jahren bekannt.
Die beiden Medien beschreiben Ihre Recherchen so: „Nachdem 2013 im NSU-Prozess der wegen Beschaffung der Mordwaffe mitangeklagte Carsten S. erklärte, dass der Bombenanschlag auf die Pilsbar „Sonnenschein“ am 23. Juni 1999 auf das Konto des NSU gehe, hatten Ermittler den früheren Kneipeninhaber Mehmet O. (Name geändert) erneut vernommen. In einer gemeinsamen Recherche haben jetzt der Bayerische Rundfunk und die Nürnberger Nachrichten den heute 38-jährigen Türken ausfindig gemacht. Er hatte den Anschlag leicht verletzt überlebt, weil die mutmaßlich vom NSU selbstgebastelte Bombe nicht richtig gezündet hatte. Auf Fotos erkannte er eine enge Vertraute des NSU-Kerntrios.

„Dieses Mädchen“ komme ihm „dermaßen bekannt vor“ und gehe ihm nicht mehr aus dem Kopf, sagte Mehmet O., als ihm Beamte des Bundeskriminalamtes im Juni 2013 eine Serie von 115 Bildern vorlegten. Sie hatten ihn nach dem Geständnis von Carsten S. an seinem neuen Wohnort aufgesucht. Doch wen Mehmet O. da identifiziert hatte, sagten sie ihm nicht: Es ist Susann E., eine überzeugte Rechtsextremistin aus Zwickau und enge Freundin von Beate Zschäpe. Susann E. hatte Zschäpe, die mit Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos im Untergrund in Zwickau lebte, regelmäßig besucht.

Susann E. ist zudem die Ehefrau von André E., der im Münchner NSU-Prozess wegen Beihilfe zum versuchten Mord und wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt ist. Er soll die Wohnmobile angemietet haben, mit denen Böhnhardt und Mundlos mutmaßlich die Raubüberfälle begangen haben. Er und seine Frau Susann sollen Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe auch ihre Bahncards überlassen haben. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Maik hatte er die „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ gegründet, eine rassistische Gruppe, der weitere NSU-Unterstützer angehörten.

Die Bundesanwaltschaft, die seit fünf Jahren Kenntnis davon hat, dass Mehmet O. auf Fotos Susann E. erkannt hat und nicht ausschließt, dass sie seine Kneipe „Sonnenschein“ besucht hat, hat auf eine BR-Anfrage dazu nicht reagiert.

Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der im Münchner NSU-Prozess Opfer vertritt und vom Rechercheteam von BR und Nürnberger Nachrichten auf die Zusammenhänge in der Nürnberger Kneipe aufmerksam gemacht wurde, hat bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragt. Er bekräftigte seinen Eindruck, dass das NSU-Trio zur Ausübung seiner Taten Helfer gehabt haben muss. Ob der Fall des mutmaßlich ersten NSU-Anschlags von 1999 juristisch aufgearbeitet wird, ist weiter fraglich. Die Bundesanwaltschaft hatte schon im Mai 2015 aus „verfahrensökonomischen Gründen“ darauf verzichtet, die Tat im NSU-Prozess anzuklagen.“

Autor: ag
Foto: Das Fahndungsplakat des BKA