Köln | aktualisiert | Die Bezirksregierung Köln beabsichtigt kurzfristig eine provisorische Flüchtlingsunterkunft des Landes am Fühlinger See in Köln zu errichten. Auf einem Parkplatz sollen rund 1000 Flüchtlinge in „temporären Bauten“ untergebracht werden, so die Formulierung der Bezirksregierung. Gleichzeitig soll der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) prüfen, ob auf dem Parkplatz gegenüber dem Polizeipräsidium in Köln-Kalk , der sich in Landesbesitz befindet,eine Regelunterkunft errichtet werden kann.

Die Stadt Köln soll im Falle des Parkplatzes am Fühlinger See dabei im Wege der Amtshilfe diesen Platz für die Landeseinrichtung zur Verfügung stellen und technische Unterstützung bei den notwendigen Vorarbeiten leisten. Der Betrieb der Unterkunft soll durch das Land erfolgen.  

Als größte Stadt im Regierungsbezirk Köln und auch im Land Nordrhein-Westfalen seien im Kölner Stadtgebiet bislang verhältnismäßig wenige Flüchtlinge in Landesunterkünften untergebracht, so die Bezirksregierung. Deshalb würden in Köln kurzfristig weitere Plätze geschaffen, um die Erstaufnahme- und Zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes zu entlasten. Dort sollen Flüchtlinge aufgenommen und versorgt werden, bevor sie den Kommunen zugewiesen werden. Die in Köln durch das Land errichteten Plätze sollen der Stadt in vollem Umfang auf ihre Aufnahmequote angerechnet werden.

Regelplätze und Notunterkünfte reichen nicht aus

Aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen reichten die auf mittlerweile über 17.500 erweiterten landesweiten Regelplätze und Notunterkünfte nicht aus, um alle Flüchtlinge unterzubringen, so die Erklärung der Kölner Bezirksregierung. Derzeit treffen wöchentlich über 5.000 Asylsuchende in Nordrhein-Westfalen ein. Seit Anfang Juli hat die Bezirksregierung Köln deshalb rund 650 zusätzliche Plätze in meist kleineren Gemeinden, wie zum Beispiel Simmerath in der Eifel, geschaffen. Anfang dieser Woche wurden die kreisfreien Städte Leverkusen und Aachen aufgefordert, in Amtshilfe weitere 400 Plätze zur Verfügung zu stellen. Seit Mittwoch werden auch kreisangehörige Kommunen gebeten, bei der Landesunterbringung zu helfen. Dadurch könnten im Kölner Regierungsbezirk aktuell rund 1.700 Flüchtlinge in Landesunterkünften aufgenommen werden, so die Bezirksregierung.

Reker: keine Änderung der bisherigen Planung

Henriette Reker, Leiterin des Sozialdezernats der Stadt Köln erklärte, dass die Stadt ungeachtet der Anrechung der durch das Land nun untergebrachten Flüchtlinge auf die Kölner Unterbringungsquote, den sukzessiven Ausbau an Plätzen für Flüchtlinge wie geplant weiterbetreiben werde. Seitens der Stadt rechnet man mit einem weiteren Anstieg der Anzahl der Flüchtlinge. Auch sei die Quote für die zugewiesenen Personen, die die Stadt laut Landesregierung aufzunehmen verpflichtet ist, von 5,1 Prozent aller in NRW Unterzubringenden in 2014 auf aktuell 5,46 Prozent angestiegen.

Die Standortwahl Fühlinger See und die Anzahl von 1000 Personen an einem Standort bewertet Reker kritisch. Die Stadt hätte von sich aus nie diese Fläche dem Land zur Notunterbringung von Flüchtlingen angeboten, stellt sie klar. „Die Zahl 1000 hat mich überrascht“, so Reker, diese sei aber wohl der gegenwärtigen Situation geschuldet. Eine Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund sei in der Vergangenheit mehrmals wegen Überfüllung geschlossen worden. Die durch die Bezirksregierung angefragte Amtshilfe deuten die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung derzeit so, dass damit die Bereitstellung des Parkplatzes, der sich in städtischem Besitz befindet, gemeint ist. Über Einzelheiten sei man seitens des Landes noch nicht informiert worden, so Reker.

6725 Flüchtlinge in Köln

Insgesamt beherbergt die Stadt Köln derzeit 6725 Flüchtlinge. Man geht hier seitens des Sozialdezernats von einem Anstieg dieser Zahl von monatlich 300 Personen aus. Dementsprechend plant man den Ausbau der verfügbaren Plätze bis zum Jahresende von 6816 auf 8410. Sollten gemäß Prognose jeden Monat bis zum Jahresende 300 Flüchtlinge hinzu kommen, gäbe es eine Versorgungslücke von rund 90 Plätzen.

Stadt baut Wohncontainer an vier weiteren Standorten

Heute stellte Reker vier weitere Standorte der Stadt Köln für die Unterbringung von Flüchtlingen vor, die teilweise bis zum Jahresende, teilweise bis zum Frühjahr 2016 realisiert werden sollen. An allen vier Standorten sollen Unterkünfte in Containerbauweise errichtet werden.

Diese Standorte sind:
– Max-Planck-Straße, Lindenthal: hier soll verteilt auf drei Gebäude Platz für maximal 304 Personen geschaffen werden. Dies setzt jedoch eine Belegung rein mit Familien und damit eine Viererbelegung der Zimmer voraus. Bei Einzelpersonen kommt nur eine Zweierbelegung der Zimmer infrage, hierdurch ergibt sich eine Minimalbelegung des Standorts von 152 Personen. Die tatsächliche Belegungszahl werde laut Stadt irgendwo dazwischen liegen.

– Berrenrather Straße, Sülz: Hier sollen ab Spätherbst maximal 150 Flüchtlinge untergebracht werden.

– Ostmerheimer Straße, Merheim: Maximal 194 Plätze soll es hier geben, die Fertigstellung ist für das Frühjahr 2016 geplant. Hier steht aktuell noch die Entscheidung aus, ob die Einrichtung dort als Notunterkunft genutzt werden soll oder nicht.

– Hermann-Heinrich-Gossen-Straße, Marsdorf: Hier sind Unterkünfte für maximal 264 Personen geplant, geplante Fertigstellung ist der November 2015.

Stimmen aus der Politik:

Möbius (CDU): „Land führt sich auf wie ein Besatzer“

Sehr kritisch hat sich der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Möbius zu der vom Land kurzfristig geplanten Flüchtlingsunterkunft am Fühlinger See im Kölner Norden geäußert. Dass das Land kein Einvernehmen mit den Kommunen gesucht habe, findet der Kölner Abgeordnete mehr als skandalös: „Das Land führt sich hier auf wie ein Besatzer“, lässt sich Möbius in einer Pressemitteilung zum Thema zitieren. Möbius sieht vor allem die Art und Weise, wie das Land hier vorgeht, mit großer Sorge: „Wenn ohne Rücksprache mit den Kommunen solche weitreichenden Maßnahmen beschlossen werden, ist das taktisch sehr unklug. Mit einer Hau-Ruck-Aktion im Alleingang, wie es das Land gerade vormacht, werden Ressentiments gegen Flüchtlinge in der Bevölkerung geradezu geschürt. Das ist gefährlich“, kritisiert der CDU-Landtagabgeordnete. Man brauche ein Klima, in dem Flüchtlinge wohlwollend von der Bevölkerung aufgenommen werden und auf Akzeptanz stoßen. Doch das Vorgehen des Landes bewirke genau das Gegenteil, so Möbius.

Der CDU-Landtagsabgeordnete hat große Zweifel, ob die Unterkunft planungsrechtlich überhaupt zulässig ist. Empörend finde er, so die Pressemitteilung, dass die Stadt Köln in einer auch für die Bürgerinnen und Bürger so wichtigen Entscheidung vor vollendete Tatsachen gestellt werde: „Die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft in dieser Dimension ist mit erheblichen Konsequenzen für die Bevölkerung verbunden“, so Möbius. Der Fühlinger See sei für die Bewohner des Kölner Nordens ein wichtiges Naherholungsziel.

Es fänden dort außerdem zahlreiche große Veranstaltungen statt, die ohne den Parkplatz wahrscheinlich nicht durchzuführen seien. Es könnte durchaus sein, dass aus diesem Grund bekannte Veranstaltungen wie „Summer Jam“ oder „Colonia Olé“ und diverse Ruder- und Segelregatten in Zukunft nicht mehr stattfinden würden.

Kritik äußert Christian Möbius auch an der konkreten Wahl des Standortes: Zum einen sei der Parkplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen, zum anderen befinde er sich in unmittelbarer Nähe zum See, der eine Gefahrenquelle für Nichtschwimmer darstelle.

Kölner Linke: Keine Zelte am Fühlinger See – NRW-Mindeststandards einhalten

In der Diskussion über die geplante Notunterkunft des Landes für Flüchtlinge am Fühlinger See fordert der Fraktionsvorsitzende der Linken im Rat der Stadt Köln, Jörg Detjen, aktuell vier Punkte. Hier die Forderungen im Originalwortlaut:

1. Die Sozialdezernentin Reker soll mit dem Land schnellst möglich über einen geeigneten Standort sprechen. Jörg Detjen erläutert das: „Der Parkplatz am Fühlinger See ist deshalb ungeeignet, weil er ein isolierter Standort ist. Es gibt weder eine ausreichende Verkehrsanbindung mit Bus und Bahn noch eine Infrastruktur mit Einkaufsmöglichkeiten, Kitas oder Schulen. Eine vergleichbar isolierte Erstaufnahme gibt es in ganz NRW nicht.“

2. Das Land darf keine Zelte errichten. Diese vom Land ins Spiel gebrachte Möglichkeit empört Jörg Detjen: „Das wäre ein schlimmer Rückfall in alte Zeiten. In wenigen Wochen steht die kalte Jahreszeit wieder vor der Tür.“

3. Das Land NRW muss sich bei der Notaufnahmeeinrichtung an die sozialen NRW-Standards für Erstaufnahmeeinrichtung halten. Dazu gehört für Jörg Detjen insbesondere „deutlich weniger als 1000 Menschen dort unterzubringen. Wir brauchen kleinere Wohneinheiten mit Küche und Sanitärbereich im Modulsystem, Gruppenräume für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen und die Einsetzung eines Beschwerdemanagements mit einer Ombudsperson.“

4. Die Verwaltung der Notaufnahmeeinrichtung muss die Bevölkerung, insbesondere Multiplikatoren, soziale Dienste, Kirchengemeinden und Willkommensinitiativen im Stadtbezirk miteinbeziehen.

NRW-Innenministerium: In diesem Jahr kamen bereits 77.000 Flüchtlinge

Wie das NRW-Innenministerium mitteilt, sind seit Jahresbeginn bereits mehr als 77.000 Flüchtlinge nach NRW gekommen. „Das konnte niemand voraussehen. Wir tun alles, um ihnen ein sicheres Dach über dem Kopf zu bieten. Das schaffen wir nur gemeinsam mit den Kommunen und den Hilfsorganisationen. Wir müssen dabei alle vernünftigen und sinnvollen Lösungen nutzen“, lässt sich NRW-Innenminister Ralf Jäger schriftlich zitieren.

Die Landesregierung hat angekündigt, die Kommunen finanziell gerecht bei der Unterbringung der Flüchtlinge unterstützen. „Deshalb sind wir mit den Kommunalen Spitzenverbänden in einem konstruktiven Dialog, um die tatsächlichen Kosten der Gemeinden zu ermitteln und schnell helfen zu können.“ Gleichzeitig forderte der NRW-Innenminister mehr finanzielle Hilfe vom Bund. „Denn die bisherigen Zusagen aus Berlin beruhen auf überholten Prognosen. Die bisher gewährte Unterstützung für Länder und Kommunen ist nicht mehr als ein Anfang. Spätestens bei den geplanten Gesprächen zwischen Bund und Ländern in den nächsten Wochen brauchen wir konkrete Ergebnisse“, so Jäger.

Auch bei der Bearbeitung der Asylanträge erwartet der NRW-Innenminister mehr Tempo. „Der Bund muss jetzt die Ärmel hochkrempeln. Die Verfahren dauern rund ein halbes Jahr. Deshalb braucht das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration mehr Mitarbeiter. Derzeit dauern die Verfahren zu lange. Die Zahl der unbearbeiteten Anträge hat sich bundesweit auf mittlerweile rund 270.000 erhöht. „Das ist völlig inakzeptabel für die geflüchteten Menschen, die bei uns eine Perspektive bekommen sollen und darüber schnell Klarheit brauchen. Außerdem dürfen wir den Menschen, die keine Chance haben, bei uns zu bleiben, keine falschen Hoffnungen machen“, so Jäger.

NRW nimmt laut Angaben des Innenministeriums derzeit mehr Flüchtlinge auf als Frankreich. In der letzten Woche trafen rund 5.000 Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen ein. Und in dieser Woche rechnet NRW mit einem Höchststand von 5.300. „Dies verdeutlicht die immense Dynamik, die in diesen Tagen alle vor eine riesige Herausforderung stellt und deshalb auch unkonventionelles Vorgehen erfordert. Und diese Herausforderung besteht nicht nur in NRW, sondern bundesweit. Wir stellen uns auf deutlich mehr als doppelt so viele Asylbewerber wie 2014 ein und haben unsere bisherigen Planungen angepasst“, so Jäger. Im vergangenen Jahr hatte NRW 40.000 Flüchtlinge aufgenommen.

Autor: dd | Karte: mapz.com
Foto: Der Fühlinger See im Kölner Norden: hier sollen laut Plänen der Bezirksregierung Köln 1000 Flüchtlinge auf einem Parkplatz untergebracht werden (Karte: www.mapz.com).