Berlin | aktualisiert 17:16 Uhr | Das Bundeskabinett hat das umstrittene Betreuungsgeld verabschiedet. Der Gesetzentwurf sieht die Zahlung von monatlich 100 Euro für Eltern vor, die ihre Kleinkinder nicht in einer Krippe oder von einer Tagesmutter betreuen lassen wollen. Die neue Leistung soll ab 2013 starten und ab 2014 auf 150 Euro erhöht werden. Aktualisiert: Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält einen deutlichen Anstieg der Kosten für das Betreuungsgeld in den kommenden Jahren für möglich.

Das Vorhaben soll nach Angaben von Familienministerin Kristina Schröder deutlich weniger kosten als bisher dafür veranschlagt wurde. „2013 und 2014 bleiben wir jeweils 100 Millionen Euro unter den Eckwerten des Bundeshaushaltes vom März“, zitiert „Spiegel Online“ die Ministerin. Bisher waren für das Jahr 2013 rund 400 Millionen Euro, 2014 dann 1,2 Milliarden vorgesehen.

Auch die Zuschusslösung für die Pflege-Zusatzversicherung fand am Mittwoch die Zustimmung im Kabinett. Demnach will die Bundesregierung private Pflegeversicherungen künftig mit monatlich fünf Euro fördern. Das Vorhaben soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet und ab Anfang 2013 umgesetzt werden. Beide Themen waren in der schwarz-gelben Koalition lange umstritten. Anfang der Woche hatten sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP auf eine Lösung verständigt.

17:16 Uhr > Wirtschaftsforschungsinstitut warnt vor Kostenexplosion

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält einen deutlichen Anstieg der Kosten für das Betreuungsgeld in den kommenden Jahren für möglich. Die Gesamtkosten des Betreuungsgeldes hingen von der Annahme ab, für wie viele Kinder Betreuungsgeld gezahlt werde, sagte der stellvertretende Leiter des Bereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik am IW Köln, Axel Plünnecke, „Handelsblatt-Online“. Dies hänge wiederum vom Erreichen der Ausbauziele der Kinderbetreuung ab.

„Gelingt es nicht, die Ausbauziele bis zum Jahr 2013 zu erreichen, dürften die Kosten des Betreuungsgeldes deutlich höher liegen“, sagte Plünnecke. Hinzu kämen indirekte Auswirkungen auf Bund, Länder und Sozialversicherungen, da nach Einschätzung Plünneckes durch das Betreuungsgeld die Erwerbstätigkeit der Mütter um rund 100.000 sinken dürfte. „Dadurch entgehen der öffentlichen Hand Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Diese dürften die Gesamtkosten der öffentlichen Hand um rund ein Viertel erhöhen“, sagte der IW-Ökonom. Generell sieht Plünnecke das Betreuungsgeld aus ökonomischer Sicht kritisch. „Es setzt gerade für Personen mit geringen Einkommensperspektiven und Teilzeitkräfte Anreize, aus dem Arbeitsmarkt länger auszuscheiden“, sagte er.

„Dies senkt auch langfristig die Einkommensperspektiven dieser Haushalte und erhöht deren Armutsgefährdung.“ Auch seien es gerade Kinder aus bildungsfernen Haushalten, die von einer Förderung in einer Kita profitieren würden, fügte Plünnecke hinzu. „Daher wäre es ökonomisch sinnvoller, die Infrastruktur auszubauen, damit Eltern ihre Erwerbswünsche realisieren können.“

Hierdurch würde man beispielsweise Alleinerziehende unterstützen, deren Armutsrisiken reduzieren und langfristig auch zur Fachkräftesicherung in Deutschland beitragen. Dass das am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligte Betreuungsgeld den Staat zunächst weniger kosten wird als bisher geplant, hält Plünnecke nicht für überraschend. „Die Kosten im Jahr 2013 könnten realistisch sein, da hier ja erst verzögert und mit einem geringeren Betrag begonnen wird“, erläuterte der IW-Experte. Für 2014 hänge die genaue Größe wiederum davon ab, wann welche Altersgruppe welchen Betrag erhalte. Daher könnten auch diese Zahlen durchaus stimmen. Für das Jahr 2015 geht das Ministerium davon aus, dass dann alle Bezugsberechtigten in vollem Umfang Betreuungsgeld erhalten und kalkuliert dies auf 1,23 Milliarden Euro. „Nicht berücksichtigt sind jedoch die entgangenen Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge“, gab Plünnecke zu bedenken. „Diese dürften rund 300 Millionen Euro betragen und sind aus ökonomischer Sicht das eigentliche Problem des Betreuungsgeldes – Verschlechterung der Anreize zur Arbeitsaufnahme von Eltern.“

Autor: dts, ag | Foto: SV Luma/fotolia