An der Zülpicher Straße wird die Uniwiese hergerichtet. | Foto: Bopp

Köln | Die Bezirksvertretung Innenstadt (BV Innenstadt) hat am gestrigen Abend eine richtungsweisende Entscheidung zum Schutz des Inneren Grüngürtels getroffen und sich gegen die Stadtverwaltung gestellt. Es geht um die Feiern zu Straßenkarneval und die Nutzung des Inneren Grüngürtels im Rahmen der Gefahrenabwehr als Überlaufflächen für das Zülpicher Viertel. Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, Ausweichflächen außerhalb des Grüngürtels zu definieren.

Dauerhafter Schutz des Landschaftsschutzgebiets Innerer Grüngürtel

Die Beratung in der BV Innenstadt geht auf eine Petition zurück. Diese entschied, dass das Landschaftsschutzgebiet Innerer Grüngürtel dauerhaft in seiner gesamten Dimension zu schützen ist und damit keine Events oder Open-Air-Veranstaltungen dort genehmigt oder durchgeführt werden dürfen. Ausdrücklich nennt der Beschluss der BV Innenstadt, dass die Flächen auch nicht mehr zur Gefahrenabwehr genutzt werden dürfen. Die Stadtverwaltung hatte bislang die Gefahrenabwehr gegen den Landschaftsschutz rechtlich ins Spiel gebracht. Mit dem Beschluss gibt die Politik jetzt der Verwaltung den Rahmen vor, dies nicht mehr zu tun.

Im zweiten Teil des Beschlusses wird die Stadtverwaltung zum Handeln aufgefordert. Sie soll für den Elften im Elften und an Weiberfastnacht im Innenstadtbereich öffentliche Räume für Karnevalsevents finden und auswiesen, die ein junges Zielpublikum ansprechen. Damit soll die Partymeile „Zülpicher Straße“ und die angrenzenden Straßen entlastet werden. Die BV Innenstadt macht konkrete Handlungsanweisungen: Die Nord-Süd-Fahrt soll für den motorisierten Individualverkehr gesperrt werden. Vom Offenbachplatz bis zum Blaubach soll eine Partyzone ausgewiesen werden. Auch die Roonstraße wird als Partyfläche zur Verfügung gestellt. Der Planungs- und Genehmigungsrahmen soll sich an der Veranstaltung „strassenland“ orientieren, die dort bereits stattfanden. Auch gewerbliche Anbieter sollen dort ihr Angebot feilbieten können. Weiter heißt es in dem Beschluss: „Zusammen mit Akteuren aus der traditionellen und alternativen Karnevalsszene, die bereits mehrfach beim runden Tisch Karneval Konzepte für alternative Feierzonen bislang vergeblich eingebracht haben, wird auf verschiedenen Bühnen ein kostenloses, dezentrales Programm unter Federführung der Stadtverwaltung organisiert. Die neuen Eventzonen zu Karneval werden entsprechend frühzeitig durch „adressatengerechten Kommunikations-Tools“ (O-Ton Pressemitteilung der Oberbürgermeisterin vom 27.06.2023) beworben.“ Der runde Tisch Karneval tagt erneut im September.

BV Innenstadt entzieht Stadtverwaltung die Oberhoheit

Vor allem der dritte Punkt des Beschlusses hat es in sich. Die BV Innenstadt beschloss, dass die Planungen und Festlegungen für den öffentlichen Raum zum Elften im Elften und an Straßenkarneval nicht mehr das Geschäft der laufenden Verwaltung ist, sondern dieses an sich zu ziehen und auf Basis der Beschlüsse der Verwaltung Vorgaben auferlegt werden. Sofern der Rat zuständig ist gibt die BV Innenstadt die Empfehlung aus, dass die Ratsgremien analog handeln. Nach Paragraf 41 Absatz 3 der Gemeindeordnung NRW (GO NRW) kann sich die Politik Entscheidungen aus dem Geschäft der laufenden Verwaltung zurückholen. Die Gemeindeordnung nennt dabei auch explizit die Bezirksvertretung.

Der Beschluss kam durch 11 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen zustande. So stimmten Grüne, Linke, FDP, Klimafreunde und Die Partei für den Beschluss und die CDU dagegen. Die SPD enthielt sich.

Es ist voll in der Partymeile der Zülpicher Straße. | Foto: Bopp

Die Argumente

Der BUND verwies in seiner Stellungnahme vor der BV Innenstadt auf den „Klimanotstand“ und den „Masterplan Grün“. Der Innere Grüngürtel als eine der ältesten Grünzonen der Stadt sei vor Beschädigungen zu schützen. Es wurde kritisiert, dass die Verwaltungsspitze Kölns die massiven Beschädigungen durch die Karnevalevents einfach ignorierte. Trotz Schutz sei die Uni-Wiese massiv beschädigt worden. „Die sehr teure Schutzplatten-Maßnahme hat ihr Ziel im Wesentlichen verfehlt“, sagte Jörg Frank für den BUND. Er sieht die Aufgabe der Verwaltung darin, die Feiern zu steuern und nicht zu verbieten. Stadtverwaltung und politische Gremien hätten die Pflicht, für die Feierlichkeiten einen Rahmen zu setzen, und diese im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Frank: „Statt dafür endlich Lösungen zu präsentieren, wird sich auf die Herstellung der Gefahrenabwehr herausgeredet und Akteure aus Karneval, Gastronomie und freier Kultur mit Arbeitskreis-Sitzungen beschäftigt. Wir machen hingegen mit unserer Bürgereingabe einen inhaltlichen Vorschlag: Der Bereich der Nord-Süd-Fahrt vom Offenbachplatz bis zum Blaubach soll als Feierzone bereitgestellt und in diesem Bereich ein kostenloses Programm insbesondere für die jungen Zielgruppen angeboten werden. Somit kann das Zülpicher Viertel, das weiterhin Zugangsbeschränkungen unterliegen soll, deutlich entlastet werden und auf die Nutzung des Grüngürtels verzichtet werden.“

Der Stabsstelle Events, die im Dezernat der Oberbürgermeisterin angesiedelt ist, komme nun die Aufgabe zu die neue Feier-Zone zu organisieren. Diese habe nun zur Spielemesse Gamescom erst wieder eine Veranstaltung mit dem Gamescom City Festival organisiert. 2 Bühnen und 2 Tage Sperrung der Ringe inklusive. Der BUND kritisiert, dass die Verwaltung nie die Nord-Süd-Fahrt geprüft habe, sondern nur die Turiner Straße. Auch der Bereich Rothgerberbach sei nie geprüft worden. Auch die Großveranstaltung „Straßenland“ sei in der Prüfung durch die Verwaltung einfach ignoriert worden. Auch die Feuerwache 1 sei von den „Straßenland“-Veranstaltungen 2019 und 2022 nicht eingeschränkt worden.

Die Stadtverwaltung will die Petition nicht umsetzen und bezweifelt Zuständigkeit der BV Innenstadt

Die Stadtverwaltung wollte die Petition nicht umgesetzt wissen und schlug dies der BV Innenstadt vor. Sie will auch die Anregungen nicht umsetzen. Sie stellte in ihrer Begründung heraus, dass der Innere Grüngürtel schon durch den Alltag mitten in einer Großstadt belastet sei. So sei die Uni-Wiese vor dem Straßenkarneval bereits vorbelastet gewesen. Sie verweist auf den Einsatz der Rasenschutzplatten und stellt fest: „Daher ist durch die Nutzung der Uni-Wiese zum Straßenkarneval als Ausweichfläche für die Feiernden an den Wiesen- und Grünflächen des Inneren Grüngürtels kein erheblicher Schaden verursacht worden.“ Zum wiederholten Mal verweist die Verwaltung als Ordnungsbehörde auf ihre gesetzliche Verpflichtung, notwendige und angemessene Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen. Sie will aber durch Alternativen nicht noch mehr Menschen zum Karneval feiern in Köln animieren. Es sei nicht möglich gewesen eine private Veranstaltungslösung und eine Alternativfläche zu finden. Alle Flächen seien ungeeignet. Allerdings finden sich in den überprüften Bereichen nicht die vom BUND vorgeschlagenen Flächen.

Aber die Verwaltung äußerte sich zur Nord-Süd-Fahrt: „Der Bereich „Nord-Süd-Fahrt“ stellt eine Teilfläche der Veranstaltung „Straßenland“ dar, welche 2019 stattgefunden hat. Hierbei wurde der Teilbereich Ulrichgasse und Tel-Aviv-Straße lediglich als Teststrecke für E-Autos und Zugang zum nördlichen Veranstaltungsgelände bei einem auf Nachhaltigkeit ausgelegten Familienfest genutzt. Vor allem die Brücke über dem Perlengraben und den KVB-Schienen eignet sich nicht für eine Veranstaltung mit insbesondere in den Nachmittagsstunden hochgradig alkoholisierten Personen. Der Bereich zwischen der Cäcilienstraße und der Leonhard-Tietz-Straße ist aufgrund der in die Unterführung (Neu-kölner Straße) und der erheblichen Beeinträchtigung der Feuerwache 1 nicht geeignet.

Darüber hinaus wurde im Nachgang zur Eingabe der Bereich Rothgerberbach/Blaubach als Alternativstandort vorgeschlagen. Dieser Bereich ist zwar örtlich naheliegend am Zülpicher Viertel, weist jedoch erhebliche Schwächen auf, da es sich bei dem Rothgerberbach sowie dem Blaubach um Hauptanbindungen der Severinsbrücke sowie die Hauptanfahrtswege der Rettungsfahrzeuge in Richtung Zülpicher Viertel handelt und eine Nutzung dieser Flächen den U-Bahn-Verkehr der KVB AG an der Haltestelle Poststraße und damit den Betrieb von vier Bahnlinien unterbrechen wird.“

Auch beim Rückholrecht kommt die Stadtverwaltung zu einer komplett anderen Einschätzung. Ein „Rückholrecht“ stehe der Bezirksvertretung nach GO NRW nicht zu. Dies könne nur der Rat tun. Nach Auffassung der Stadtverwaltung könne die BV Innenstadt dies nur dem Rat vorschlagen. Zudem schreibt die Stadtverwaltung: „Die Planung und Koordination für die Karnevalstage wird in Köln als Geschäft der laufenden Verwaltung wahrgenommen. Dabei werden die Beteiligten aus Stadtverwaltung, Politik und Zivilgesellschaft im Rahmen des Runden Tischs Karneval einbezogen und die Gremien informiert.“

Spannend dürfte nun sein, wie die Bezirksvertretung Lindenthal und der Ratsausschuss Allgemeine Verwaltung und Recht, die die Angelegenheit ebenso beraten, entscheiden wird.