Ralf König wurde mit der Kompassnadel 2010 ausgezeichnet.

Klaus Peter Hackbarth, der Landesvorsitzende der Aids-Hilfe NRW zeigte in seiner Eröffnungsrede neben der Freude über 25 Jahre Bestehen der Aids-Hilfe und 10 Jahre "Kompassnadel"  auch auf, dass man noch lange nicht am Ziel der Arbeit angekommen sei. Hackbarth sprach von einer fragilen Akzeptanz von Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen und Menschen mit HIV und nannte als Beispiel jüngste Äußerungen des Ruhrbischofs – noch dazu im Kulturhauptstadt Europas Jahr 2010 – der "Schwule und Lesben … wider der Natur" bezeichnet hatte. "Ich, Klaus Peter Hackbarth, schäme mich für meinen Essener Mitbürger, den Ruhrbischof Franz-Josef Ovberbeck", so Hackbarth. Hackbarth hätte sich gewünscht, dass diese Äußerungen mehr, auch nicht homosexuelle Gegenstimmern hervorgerufen hätte.  Dafür gab es lange anhaltenden Applaus. Steffen Schwab, der Landesvorsitzende des Schwulen Netzwerks NRW widmete sich dem Thema der Opferverhöhnung in unserer moderenen Gesellschaft. "Ey, Du Opfer" gehöre heute zum Jugendslang und verhöhne die, die benachteiligt, herabgewürdigt oder verfolgt wurden. Dabei wird nicht dem Täter sondern dem Opfer die Schuld für ihr Opfer sein auferlegt. Die Community, so Schwab, bewege sich durch ihre vielfältigen Aktivitäten aus dieser Opferrolle heraus und auch die Abschaffung des Paragraphen 175 oder die Einrichtung der Lebenspartnerschaft wirkten in diese Richtung. Dennoch gibt es Forderungen der "aktiven Minderheitenpolitik" an das Land, aber auch an den Bund. Schwab forderte den Bund auf endlich die Magnus-Hirschfeld-Stiftung einzurichten. Diese soll Unrecht, dass der Staat an Homosexuellen verübt hat, sühnen.

Zudem forderte Schwab in den Aufklärungskampagnen nicht nachzulassen: "Nur aufgeklärte Jugendliche werden dem Wort "schwul" die Bedeutung lassen, die es hat: Wenn mein T-Shirt "schwul" ist, wenn es sogar ein Ball, wir bleiben beim Thema ein Fehlpass also, "schwul" wird – dann soll das ausdrücken, dass Gegenstände, Vorgänge oder Veranstaltungen missfallen. Und wenn die mich als "schwul" erkennen, muss sich dann der Gleichaltrige fragen, gehöre ich dann auch auf den Müll wie die "schwulen" T-Shirts? Bin ich dann "Opfer"?"  Schwab ist sich sicher, auch aus historischen Zusammenhängen heraus, wie der Arbeit der "Politschwestern" in den 70er und 80er Jahren, dass man in eigener Sache aktiv werden muss. Daher passen für ihn auch die Motti des Cologne Pride 2010 mit "Stolz bewegt" und der Gay Games "Be part of it", so hervorragend in dieses Jahr. Aktiv heißt für Schwab auch, dass Schwule selbst Politik mitformulieren und Mandate übernehmen. Wichtig sei dies vor allem auch im Hinblick auf die Kommunalpolitik, denn offen lebende Homosexuelle in der Politik geben den Aktivitäten ein Gesicht.

Ralf König ausgezeichnet mit der Kompassnadel 2010
Ralf König wird als politisch motivierter Künstler geehrt, der weit über seine berufliche Tätigkeit hinaus Bewegungen die sich aktiv für Minderheitenpolitik einsetzen unterstütze, so die Begründung. Zudem erzähle er als Chronist der Schwulenbewegung in witzig, bewegenden und hintersinnigen Geschichten die Lebensweisen von Lesben und Schwulen. Weiter heißt es: "Sein Beitrag führt dazu, dass lesbisches und schwules Leben in seiner Vielfalt und als Bereicherung für die Gesellschaft sichtbar wird." Theo West erzählt von den Anfängen des Zeichners Ralf König im Dortmunder KCR, als er begann auf Bierdeckeln zu zeichnen, sein Talent entdeckt wurde und er immer mehr und mehr Plakate und Flyer zeichnete für Veranstaltungen oder schwule Buchläden und schon damals für Initiativen unentgeldlich. Dieses Engagement, so Theo West, habe König, auch nacdem er überregional bekannt war beibehalten, auch wenn und West nimmt sich da nicht aus, auch er zeitweilig König zu Unrecht reine Kommerzialität unterstellt hatte.

Ralf König – auf die Provokation der katholischen Kirche reagieren
Sichtlich gerührt nahm Ralf König die Kompassnadel entgegen und hielt ein sehr politisch bewegte Rede. König machte klar, dass seine Comiczeichnerlaufbahn nicht erst im KCR in Dortmund begann, sondern in einer Wettbewerbssituation mit einem Cousin im zarten Alter von 5-6 Jahren. Damals ging es um das Zeichnen von Donalds. Als er später mit den schwulen Comics begann lobte ihn seine Mutter nicht mehr so stark wie früher und schlug vor mehr in Asterix zu machen. Ernster wurde die Rede als König von einem Interview beim Comicfestival im italienischen Luca erzählte. Dort weigerte sich eine katholischen Übersetzerin sein Gespräch mit dem Moderator 1:1 zu übersetzen. Auch als König in der "FAZ" einen Comic zum Thema "Adam, Eva und Noah" veröffentlicht hatte, bekam die Redaktion empörte E-Mails, Zusendungen und sogar Abokündigungen. Da der katholische Katechismus immer noch als schlimmste Sünde Homosexualität anprangere, sei die Reaktion darauf keine Provokation, sondern eine Reaktion, so König. Die Community müsste mehr Gegenwehr leisten, davon ist König überzeugt.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberg – die Eisbrecherin
Die Bundesjustizministerin habe als Anwältin der Bürgerrechte nach dem Grundsatz "Gleiche Rechte – gleiche Würde" für Lesben und Schwule in ihrem politischen Wirken umgesetzt. Das Engagement der Ministerin stifte bei jenen Zauderern im politischen Raum Unruhe, die die Gleichgestellung von gleichgeschlechtlich lebenden Menschen immer noch verhindern wollen. Die Laudatio für Leutheusser-Schnarrenberg hielt Manfred Bruns. Bruns nahm aber nicht nur Bezug auf das Engagement der Ministerin für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensformen, sondern auch für Bürgerrechte etwa gegen die Vorratsdatenspeicherung  oder den großen Lauschangriff. Bruns, Bundesrichter a.D.: "Wir brauchen Politker wie Sie, die sich für Diskriminierte einsetzen. Das haben Sie zum Beispiel bei den Koalitionsverhandlungen 2008 in Bayern getan. Dort haben Sie sich gewissermaßen als "Eisbrecher" betätigt, und die Öffnung der Standesämter für Lebenspartner durchgesetzt. Ich habe bewusst den Ausdruck "Eisbrecher" verwandt. Denn seitdem hat sich die Stimmun in Bayern erstaunlich geändert." Bruns ergänzte: "Die Lesben und Schwulen und alle Menschen, deren Menschen- und Bürgerrechte bedroht sind, brauchen Sie als Anwältin."

Leutheusser-Schnarrenberger war schon einmal in Köln, 2005 und erklärte, dass sie sich niemals hätte vorstellen können heute die Kompassnadel entgegenzunehmen. "Ich fühle mich sehr geehrt", so die Ministerin. Leutheusser-Schnarrenberger betonte, dass das Voranbringen schwul-lesbischer Gleichstellung überparteilich erfolgen muss. Sie sieht aber, obwohl der Paragraf 175 abgeschafft ist, den Weg noch nicht als vollendet. Denn es gäbe immer noch alltägliche Diskrimierung, Gewalt gegen Schwule und Lesben. Sie freue sich, dass im Innenministerium die Gleichstellung im Beamtenrecht vorbereitet werde. Im Hinblick auf die Magnus-Hirschfeld-Stiftung erklärte die Ministerin, dass es laufende konkrete Gespräche gebe. Im Hinblick auf die Adoption forderte die Ministerin eine Gleichstellung von homosexuellen und heterosexuellen Paaren: "Eine realistische Definition von Familie ist überfällig. Bei der Enstscheidung wer ein Kind adoptieren darf, geht es einzig  und allein um das Kindeswohl. Und das ist geschlechterunspezifisch. Kinder wachsen nämlich überall dort in Verantwortung auf, wo sie mit Liebe erzogen werden. Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Kinder von einem Mann und einer Frau, oder von einem gleichgeschlechtlichen Paar erzogen werden." Allerdings machte sie auch deutlich, dass bei dem aktuellen Koalitionspartner gerade bei diesem Thema eine sehr ablehnende Haltung gebe, sie aber dafür streiten werde, dieses Recht umzusetzen, aber dies auch schwierig sei.

Viel politische Prominenz hatte sich eingefunden, Volker Beck, MdB, Bettina Herlizius, MdB, MIchael Kauch, MdB, Kerstin Müller, MdB, Josef Winker, MdB, die Vizepräsidentin des Landtages NRW Angela Freimuth, Andrea Asch, MdL, Anna Conrads, MdL, Marc Herter, MdL, Arndt Klocke, MdL, und Marc Ratajczak, MdL. Aus der Kölner Stadtpolitik kamen die Bürgermeisterinnen Elfi Scho-Antwerpes, Angela Spitzig und Manfred Wolf. Der CSD-Empfang erfreute sich in diesem Jahr besonderer Beliebtheit und im Gürzenich müssen Jahr für Jahr mehr Stühle aufgestellt werden. 

[ag]