Köln | aktualisiert | Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies wirkt angespannt, als er über die Demonstrationen am kommenden Sonntag in Köln informiert. Da ist die Demonstration der Nationaltürken, bei der die Polizei mit bis zu 30.000 Demonstranten rechnet, die rechtspopulistische „Pro NRW“, die von anderen rechten Kräften unterstützt werden könnte und drei weitere Demonstrationen. 2.300 Beamte sollen zum Einsatz kommen und die Politik diskutiert über das Versammlungsrecht, nicht zuletzt durch den Einwurf von Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Lesen Sie auch die aktuellen Entwicklungen.
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Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln zu den Demonstrationen:

1. Entscheidung: Auf der türkischen Kundgebung darf eine Videoleinwand aufgebaut werden >

2. Entscheidung: Das Verwaltungsgericht Köln gestattet Demonstrationszug von „Pro NRW“ durch die Kölner Innenstadt >

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Die aktuellen Entwicklungen

Stand 29. Junli, 18:30 Uhr

Nachdem das Verwaltungsgericht Köln die Videoleinwand für die türkische Demonstration genehmigt hat, wird die Polizei Köln diese Entscheidung akzeptieren. Nicht akzeptieren will die Polizei Köln allerdings die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln zur Genehmigung eines Aufmarsches von Rechten durch die Kölner Innenstadt. Hier hat die Polizei Köln, so deren Sprecher Christoph Gilles, Rechtsmittel beim OVG Münster eingelegt. An dieser von „Pro NRW“ angemeldeten Demonstration wollen sich auch Rechte der Partei „Die Rechte“ aus Dortmund beteiligen, die der Verfassungsschutzbericht NRW 2015 auch als Sammelbecken von Neonazis aus den Kameradschaften bezeichnet. Die Polizei fürchtet hier auch die Beteiligung von Anhängern der „HOGESA“-Bewegung und rechnet mit 1.000 Teilnehmern. Das Bündnis „Köln gegen Rechts“ hat sich mittlerweile mit der Polizei auf einen Weg geeinigt. Man wird in der Südstadt am Kartäuserwall starten und bis zum Heumarkt ziehen, wo man sich der Kundgebung der Julis, Grüne Jugend, Jusos und Linksjugend anschließen wird.

Der Türkische Anmelder hatte auch am Abend gegen 18 Uhr der Polizei die Rednerliste nicht bekannt gegeben.

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Die Demonstration der Nationaltürken könnte noch verboten werden

Der Veranstalter hat seine Teilnehmerzahl nach oben auf 20.000 Teilnehmer korrigiert. Die Kölner Polizei rechnet sogar mit 30.000 Anhängern der Regierungspartei AKP, die gegen den Putsch in der Türkei auf die Straße gehen werden. Die Teilnehmer werden aus der ganzen Bundesrepublik erwartet, daher rechnet die Polizei mit der Ankunft hunderter Busse und tausender privater PKW.

Der Veranstalter, der aus dem Kreis der UETD – der Union Europäisch-Türkischer Demokraten kommt, antwortet auf Medienanfragen nicht. Weder zu Inhalt noch Ablauf der Veranstaltung. Eine entsprechende Anfrage von report-K bleibt unbeantwortet. Die UETD gilt als AKP, also der Partei Erdogans nah. Auch die Kölner Polizei kannte bis zum heutigen Morgen die Rednerliste nicht, so Polizeipräsident Mathies in einer Pressekonferenz. Untersagt hat die Kölner Polizei den Aufbau einer riesigen Videowand auf dem Veranstaltungsgelände der Deutzer Werft. Der Veranstalter hat dagegen Rechtsmittel eingelegt. Die Polizei Köln hatte zuvor behauptet dieser hätte keine Rechtsmittel eingelegt. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass der Veranstalter diese Wand aufbauen darf und Übertragungen der Veranstaltung vor Ort dort genehmigt sind. Einspielungen, etwa von Politikern aus der Türkei sind dem Veranstalter allerdings untersagt.

Heute Nachmittag hat Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies ein Gespräch mit dem türkischen Generalkonsul. Mathies deutete an, dass auch Minister aus der türkischen Staatsregierung, konkret der türkische Jugend- und Sportminister Cagatay Kilic, an der Veranstaltung auf der Deutzer Werft teilnehmen könnten. Kilic gilt als Vertrauter Erdogans. Aufgefallen war dieser in Deutschland zu Letzt mit seiner Kritik an der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages im Mai. In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ sagte Kilic: „Wie über die Geschichte geurteilt wird, liegt nicht in der Hand von Parlamenten. Beim sogenannten Völkermord handelt es sich nicht um eine politische, sondern um eine juristische Definition“.

Sollten Minister aus der Türkei teilnehmen oder Redner genannt werden, die in dieser angespannten Lage, die erwarteten Massen aufpeitschen könnten, würde die Kölner Polizei die Sicherheitslage noch einmal neu bewerten. Dann wäre auch ein Verbot der Veranstaltung bis kurz vor ihrem Beginn möglich, so Mathies.

Gestern meldete sich schon NRW-Innenminister Ralf Jäger zu Wort, so eine schriftliche Mitteilung des Ministeriums. NRW-Innenminister Ralf Jäger warnt die Veranstalter und Teilnehmer der Großdemonstration für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am kommenden Sonntag auf der Deutzer Werft in Köln: „Sollte diese Kundgebung für Gewaltaufrufe missbraucht werden, wird die NRW-Polizei rigoros einschreiten“.

Die Rechten mobilisieren nach Köln

Ester Seitz, eine rechte Aktivisten hat eine Demonstration angemeldet. Die sollte am Hauptbahnhof beginnen und mit einem Aufzug durch die Kölner Innenstadt, über die Deutzer Brücke am Ottoplatz enden. Diesen Aufzug hat die Kölner Polizei verboten und stattdessen eine Standkundgebung am Deutzer Bahnhof auf dem Ottoplatz genehmigt. Ester Seitz und „Pro NRW“, die den Demonstrationsaufruf unterstützen, haben dagegen Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Richterin Jeannette Hamm vom Verwaltungsgericht Köln bestätigte den Eingang der Klage und deutete an, dass es heute noch eine Entscheidung geben könne. Auch „Die Rechte“ aus Dortmund mobilisiert für die Gegenveranstaltung zur Demonstration der Nationaltürken und fordert dazu auf nach Köln zu reisen. Ob auch Mitglieder der „HOGESA“-Bewegung sich anschließen werden, ist dagegen nicht mit Sicherheit zu sagen. Der Veranstalter „Pro NRW“ rechnet mit rund 350 Teilnehmern, die Polizei spricht davon, dass sogar bis zu 1.000 Personen kommen könnten.

1.500 bei Demonstration verschiedener Jugendorganisationen von Parteien

Die Jugendorganisationen von Grüne Jugend Köln, JuLis Köln, Jusos Köln, und Linksjugend [solid] Köln haben unter dem Motto „Erdowahn stoppen – Demonstration für Demokratie und Meinungsfreiheit in der Türkei“ zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. Die wird auf dem Heumarkt stattfinden. Gemeldet seien bis zu 1.500 Menschen. Man verurteile zwar den Militärputsch in der Türkei, aber auch die Maßnahmen die die türkische Regierung unter Erdogan im Anschluss verhängt hat, wie die Festnahme tausender Beamter, der Ausnahmenzustand, die Diskussion um die Wiedereinführung der Todesstrafe oder die Einschränkung der Medienvielfalt.

Auch das Bündnis Köln gegen Rechts wird unter dem Motto „Gegen Nationalismus und Rassismus in der BRD und in der Türkei“ demonstrieren. Hier laufen noch Kooperationsgespräche mit der Kölner Polizei. Der Sprecher Reiner Schmidt teilte gestern mit: „Wir wollen am 31. 7. um 12 Uhr am Sachsenring/Kartäuserhof gegenüber dem alten türkischen Generalkonsulat, dass im Kontext des letzten Militärputsch in der Türkei 1980 von türkischen Migranten erfolgreich besetzt wurde, mit einer Auftaktkundgebung beginnen. Wollen dann – ca. 13 Uhr über Chlodwigplatz – Severinsstrasse zum Heumarkt zur Kundgebung des Parteienjugendbündnisses auf dem Heumarkt.“ Danach will man den Demonstrationszug so nahe wie möglich an die Demonstration von „Pro NRW“ bringen. So kündigt man auf der eigenen Website an, nach Deutz zum Ottoplatz ziehen zu wollen.

Viele Beamte im Einsatz – niedrige Einschreitschwelle

Die Kölner Polizei wird rund 2.300 Beamte einsetzen. Dazu kommen acht Wasserwerfer und weitere Spezialfahrzeuge. Es werden elf Hundertschaften aus Nordrhein-Westfalen und je zwei Einsatzhundertschaften aus Rheinland-Pfalz und Hessen im Einsatz sein. Dazu kommen die Kölner Polizeibeamten. Geführt wird der Einsatz durch den leitenden Polizeidirektor Klaus Rüschenschmidt. Polizeipräsident Mathies und Einsatzleiter Rüschenschmidt machten deutlich, dass die Polizei am Sonntag eine sehr niedrige Einschreitschwelle für die Beamten im Einsatz ausgegeben haben. Schon im Vorfeld von Auseinandersetzungen werde die Polizei konsequent einschreiten. Rüschenschmidt verdeutlichte, dass die Polizei alles unternehmen werde, um rivalisierende Gruppen auseinanderzuhalten.

Reker schaltet sich ein

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat sich um die Diskussion zur Genehmigung von Demonstrationen eingeschaltet. Sie forderte, dass Demonstrationen in Zukunft untersagt werden, denen ein hohes Gewaltpotential von unabhängiger Seite bescheinigt wird oder Demonstrationen unterschiedlicher und gewaltbereiter Interessengruppen zeitlich entzerrt werden. Polizeipräsident Mathies wies noch einmal darauf hin, dass die Polizei eine Demonstration nicht genehmige, sondern lediglich zur Kenntnis nehme und je nach Sicherheitslage Auflagen erteilen könne, die bis zu einer Untersagung reiche. Der DGB Köln hat sich in einem internen Papier zu den Demonstrationen am kommenden Sonntag positioniert. Der DGB verurteilt den Putschversuch in der Türkei, zeigt sich aber auch besorgt über die von der türkischen Regierung im Nachgang getroffenen Maßnahmen. Bei den Demonstrationen am kommenden Sonntag befürchtet der DGB Köln weiter polarisieren und an der Eskalationsspirale drehen, eine Entwicklung die nach Auffassung der Gewerkschafter nicht dazu geeignet sei Konflikte zu lösen.

Die Polizei hat ein Bürgertelefon geschaltet: 0221 / 229-7777, zudem will man twittern #koeln3107 und auf Facebook informieren.

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Hinweis der Redaktion: Report-K wird am Sonntag von den Demonstrationen berichten.

Autor: Andi Goral
Foto: Polizeisprecher Wolfgang Baldes, Polizeipräsident Jürgen Mathies und der Leitende Polizeidirektor Klaus Rüschenschmidt