Die Markierungen auf der Venloer Straße am 29. November 2022.

Köln | ag | Die Venloer Straße war zunächst Tempo 20 Zone, jetzt Einbahnstraße von Ehrenfeld kommend in Richtung Stadtmitte. Der Verkehr auf der Straße hat deutlich abgenommen. Wer die teils chaotischen Zustände von früher kennt, der wundert sich. Das bedeutet aber auch weniger Durchgangsverkehr und damit womöglich weniger Kunden für die Einzelhändler. Die IHK Köln positioniert sich gegen die Venloer Straße als Einbahnstraße.

Die Debatte um die Venloer Straße kommt nicht zur Ruhe. Als urbaner Ort war sie dies, also ruhig, vor der Einbahnstraßenregelung auch nie wirklich. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit, auf der Venloer Straße in Ehrenfeld war immer etwas los. Sie war gerade im Abschnitt zwischen Ehrenfeldgürtel und der Inneren Kanalstraße das pulsierende Herz Ehrenfelds. Das lässt sich einfach daran erkennen, dass genau hier immer das größte Straßenfest im Veedel stattfand. Hier reiht sich Döner-Restaurant an Döner-Restaurant, Friseurgeschäfte, Apotheken, Brauhaus, Ein-Euro-Laden, Supermärkte, Drogeriemärkte oder Buchhandlung sowie Bäckereien dicht an dicht aneinander. Und hier Ecke Gürtel war der legendäre Imbiss Strohhut Eck, dessen Currywürste immer leicht nach chemischen Zusatzstoffen schmeckten.

Einfach war es auf der Venloer Straße noch nie. Weder für Radfahrende, Fußgänger oder Autofahrende. Es war immer chaotisch und für alle galt: besonders aufmerksam zu sein, um nicht mit irgendjemand zusammenzustoßen. Das was manche als Overkill bezeichnen, empfanden andere als besonders urban und großstädtisch. Schöne Begriffe wie quirlig passten nie zur Straße. Dabei war die Straße nie wirklich schön und das obwohl sie den Blick auf den Heliosturm, die 4711 Buchstaben oder St. Joseph hat. In den 1990er Jahre galt sie zudem als gefährlich. Aber im Veedel war sie immer die belebteste Straße in den vergangenen Jahrzehnten. Wenngleich das auch schon einmal anders war, als in der Lukasstraße noch die Schornsteine rauchten und die Menschen durch die Körnerstraße als zentraler Straße des alten Ehrenfeld nach Hause oder in die Kneipe gingen. Das hat sich jetzt geändert.

Verkehrsversuch die Erste

Erst wurde die Venloer Straße von der Bundesstraße degradiert zur kommunalen Meile. Dann kam der Verkehrsversuch mit den 20 Stundenkilometern. Das brachte die Straße in die Satiresendungen der Republik. In den Seitenstraßen durfte 30 km/h gefahren werden und auf der Hauptverkehrsstraße 20 km/h. Selbst Freundinnen und Freunde dieser Regelung müssten insgeheim zugeben, dass dieser Versuch nicht nur ein Kommunikationsproblem hatte, sondern auch so gar nicht in den Kölner Westen passte und für viele Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer zu komplex. Aber es war immer noch mächtig was los auf der Venloer.

Jetzt also die Einbahnstraßenregelung. An der Ecke wo einst der Strohhut die seine hatte geht es jetzt rein in Ehrenfelds Meile. Radfahrende und zu Fuß gehende dürfen die Ehrenfelder Avenue weiter in beide Richtungen nutzen. Und von dort bis zur Piusstraße dann einspurig. Der Verkehr wurde beruhigt. Die Straße ist oft leer. Vor allem jetzt im Winter, wenn die Frequenz derer, die mit dem Rad unterwegs sind geringer ist. Zumindest in der einfachen Beobachtung. Sie wirkt fast ausgestorben. Wer im Veedel wohnt und motorisiert unterwegs ist muss Umwege fahren. Die Vogelsanger wird voller. Auch die Querstraßen, wie die Kepler Straße dürften stärker frequentiert sein. Diese Ruhe auf der Venloer Straße kann man durchaus als angenehm empfinden. Die weiten Wege aber, die zumindest wenn man motorisiert unterwegs sein muss, stören.

IHK gegen Einbahnstraßenregelung

Die Ruhe auf der Venloer Straße scheinen auch die Geschäftsleute mitzubekommen. Die Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK Köln) schickte ihre Leute los und befragte die, die dort Handel treiben. Die IHK Köln lehnte die Einbahnstraßenregelung immer ab. Jetzt spricht sie von alarmierenden Rückmeldungen der Händlerinnen und Händler vor Ort. So schreibt die Kammer: „Zum Teil haben die Geschäfte mit Umsatzeinbußen von bis zu 30 oder gar 40 Prozent zu kämpfen.“

 „Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es bei solchen Verkehrsversuchen unerlässlich ist, die Wirtschaft vor Ort von Anfang an mit einzubeziehen“, sagt Dr. Uwe Vetterlein, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln. „Das ist an der Venloer Straße genau so wenig passiert wie an anderen Orten.“ So hat es im Vorfeld der Entscheidung kein Verfahren zur Partizipation der betroffenen Gewerbetreibenden gegeben. Dies ist jetzt erst in der Anfangsphase. „In den kommenden Tagen stehen dazu verschiedene Gespräche mit der Verwaltung an“, so Vetterlein. „Wünschenswert wäre aber gewesen, wenn wir von Anfang an mit einbezogen worden wären.“ Die IHK Köln berichtet zudem von chaotischen Verhältnissen in den Seitenstraßen, da dort Lieferanten nicht mehr durchkommen oder keine Parkflächen fänden.

Es ist anzunehmen, dass es um die Venloer Straße eine ähnliche Debatte geben wird, wie an der Deutzer Freiheit, die in Teilen für den motorisierten Verkehr komplett gesperrt wurde. Diese Sperrung wurde dann wieder aufgehoben. In der Zwischenzeit wurde sogar das Verwaltungsgericht Köln bemüht.

Nun kann das kommende Frühjahr und der Sommer zu ganz anderen Einschätzungen führen, wenn die Menschen wieder mehr im Freien verbringen oder mit dem Rad unterwegs sind. Vielleicht füllt sich die Straße dann wieder in einer ähnlichen Dimension wie früher. Für die Außengastronomie ist der minimierte motorisierte Verkehr sicher ein Gewinn. Denn in der Parkbucht neben der Autostrada auf Auspuffhöhe seine Pizza zu mümmeln, war nun auch kein Hochgenuss.