"Deutschland soll unter dem Revisor stöhnen"
Roland Küpper, Polizeidirektor, leitete die Festnahme in Schleswig Holstein selbst. SEK Kräfte stoppten den 38-jährigen Haupttäter als dieser mit seinem Fahrzeug unterwegs zu neuen Taten war. Später gibt der Tatverdächtige den geplanten 4-5 Raubüberfällen selbst den Titel „Deutschland soll unter dem Revisor stöhnen“. Im Juni 2009 geschah die erste Tat in Niedersachsen. 18 weitere, verstreut über das gesamte Bundesgebiet sollten folgen, Beute deutlich im sechstelligen Bereich, aber unter 500.000 Euro. Der Kölner Polizeipräsident erinnerte eindringlich an die Opfer, die Kassiererinnen und Marktleiter die teilweise mit einer Waffe bedroht und gefesselt wurden.

Ein Netto-Mitarbeiter wahrscheinlich involviert
Der Haupttatverdächtige hat bereits bei der Fahrt nach Köln ein umfassendes Geständnis abgelegt und alle Taten detailliert beschrieben, so Roland Küpper. Der zweite Verdächtige, ein Netto Gebietsverkaufsleiter, der seinen Komplizen, so die Polizei mit Detailwissen, über Tage mit besonders hohen Einnahmen, die Beschaffenheit der Tresore, die Lage der Geldkassetten ausgestattet hat, wurde am Niederrhein festgenommen, bestreitet aber die Taten. Dabei legt ihm die Polizei sogar aktive Tatbeteiligung zur Last, so soll der Mann den Fluchtwagen in mindestens drei Fällen gefahren haben und in anderen Fällen den Haupttäter mittels Funkgerät geleitet haben.

Die landesweiten Ermittlungen wurden Köln im Juli 2010 vom Innenministerium übertragen, nachdem die Täter in Düsseldorf und Köln zwei Nettomärkte überfallen hatten. Dabei gestalteten sich die Ermittlungen besonders schwierig, da der Haupttäter alles tat um sich zu tarnen. Er war lediglich in Lübeck bei seinen Eltern gemeldet, hatte aber seinen Lebensmittelpunkt nach Nairobi verlegt, wo er auch mit einer Frau zusammenlebte. In Deutschland benutzte er sogar das Mobiltelefon seiner geschiedenen Frau. Auf die Spur kamen die Ermittler dennoch über die Auswertung von Telefondaten. Der Mann reiste für die Taten nach Deutschland und sofort wieder aus. Das Geld transferierte er nach Kenia. Auch nach diesem Samstag wollte der Täter sofort wieder ausreisen, hatte sogar schon die Koffer im Fluchtwagen dabei. Über 1.000 Hinweise erbrachte die öffentliche Fahndung der Polizei auch mittels Aktenzeichen XY.

Drei unterschiedliche Rollen angenommen
Der Täter und sein mutmaßlicher Komplize ändert sogar die Rolle. Zu Beginn gelangen die Raubzüge mit dem Revisor-Rollenspiel. Der Gebietsverkaufsleiter konnte da wahrscheinlich besonders gute Tipps geben, so die Polizei, hatte er diese Funktion bei einem anderen Unternehmen sogar gelernt. Der Täter, fein gekleidet betrat die Märkte und gab sich als Revisor aus. Dann „übte“ er mit den Angestellten eine Überfallsituation, fesselte diese und verschwand mit dem Geld. In seiner zweiten Rolle gab er sich als Mitarbeiter von Netto aus, der eine Apfelsinenkiste abzustellen hatte, oder einen defekten Drucker reparieren wolle. Bei seinen letzten Taten allerdings hielt er seinen Opfern eine Gaspistole vor, die in ihrer Form alten Polizeidienstwaffen ähnelt und forderte das Geld. Ständig wechselte er auch seine äußerliche Identität. Eine ganze Reihe von Phantombildern entstanden so und Polizeidirektor Roland Küpper attestiert allen eine gewisse Ähnlichkeit. So trug der Mann ab und an auch eine Brille, die die Beamten bei der Festnahme im Wagen fanden, ebenso wie blaue Handschuhe die er bei der Arbeitrolle verwendet haben soll oder Funkgeräte mit denen sich die Täter bei den Überfällen absprachen.

Das der Täter über Insiderwissen verfügen musste, war den Beamten, durch die Vorgehensweise rasch klar. Der Gebietsverkaufsleiter der über rund 40-50 Nettofilialen gebietet scheint ihm dieses vermittelt zu haben. Denn er hatte natürlich intime Kenntnisse, auch für Führungskräfte bei Netto. Beide Täter kannten sich aus der Schulzeit, die sie auf einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen verbracht hatten. Der Haupttäter „Revisor“ hatte dann von 1998-2001 eine Ausbildung im mittleren Dienst der Polizei absolviert, den Dienst aber dann quittiert und war zu einer privaten Wachfirma gewechselt, wo er unter anderem auch Nato Standorte schützte. Die Täter gingen sehr präzise vor. Sie erkundeten wie die Polizei rund um die Märkte organisiert ist und suchte sich meist Märkte an der Autobahn und eher in ländlichen Regionen aus.

Mutmaßliche Täter kannten sich aus der Schule
Polizeipräsident Klaus Steffenhagen: „Ich bin sehr froh, dass die rücksichtslos agierenden Täter festgenommen sind. Am vergangenen Samstag endete um 11:45 Uhr mit einem Paukenschlag die Raubserie.“ Eine Frau und Mitarbeiterin von Netto, die am Samstag ebenfalls festgenommen wurde, wurde durch die Aussage des Haupttäters entlastet und wurde daher wieder freigelassen. Da die Täter die Beute auch zu je 50 Prozent aufgeteilt hatten, geht die Polizei bei der Frau lediglich von Mitwisserschaft aus und das sie keine aktive Rolle gespielt habe. Anders als bei dem Gebietsverkaufsleiter, verfügte der 38 jährige Tatverdächtige kein anderes Einkommen mehr. Stoff für einen anständigen Kriminalroman oder Drehbuch haben die Tatverdächtigen reichlich geliefert.

[ag]