Berlin | In der „Welt“ äußern sich heute der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Eric Schweitzer und der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Christoph Schmidt zum neuen Koalitionsvertrag.

DIHK-Chef fordert Mindestlohn-Ausnahmen für junge Erwachsene

Der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro soll nicht für Auszubildende, Praktikanten und junge Erwachsene gelten. Das forderte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Eric Schweitzer im Gespräch mit der „Welt“. „Für die Schwächsten am Arbeitsmarkt – Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose – werden mit dem Mindestlohn Beschäftigungshürden aufgebaut“, sagte Schweitzer.

Gerade in Ostdeutschland bestehe die Gefahr, dass sich ein solcher Mindestlohn als Gift für den Arbeitsmarkt erweise. „Sollte es zudem keine Ausnahmen vom Mindestlohn für Azubis, Praktikanten und junge Erwachsene geben, wäre das ein fataler Schritt.“ Schweitzer warnte die Koalition vor Steuererhöhungen.

„Ich gehe davon aus, dass Steuererhöhungen in den kommenden vier Jahren kein Thema sind“, sagte der DIHK-Chef. „Hier steht insbesondere die Union im Wort.“ Der Koalitionsvertrag befasse sich an zu vielen Stellen mit dem Umverteilen – und zu wenig damit, wie Wachstum, Beschäftigung und damit auch Steuereinnahmen erwirtschaftet werden könnten.

Kritisch äußerte sich Schweitzer zu den geplanten Sozialleistungen. „Wenn man sich anschaut, welche Ausgabensteigerungen im Sozialbereich insgesamt vorgesehen sind – Mütterrente, Anhebung des Pflegebeitragssatzes, Lebensleistungsrente, ist das meiner Meinung nach nicht zu verantworten.“ Besonders fatal sei die Rente mit 63, weil der Eindruck vermittelt werde, „man könne dem demografischen Wandel entgehen“, so Schweitzer.

„Aber wir werden nun mal immer älter, also müssen wir auch länger arbeiten.“

Chef der Wirtschaftsweisen warnt vor steigenden Steuern und Beiträgen

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Christoph Schmidt, hält die schwarz-roten Ausgabenpläne für nicht ausreichend finanziert. „Bis zum Jahr 2017 lassen sich die vorgesehenen Mehrausgaben vielleicht finanzieren, ohne Steuererhöhung und ohne neue Schulden ab dem Jahr 2015, darüber hinaus jedoch nicht“, sagte Schmidt der „Welt“. Derzeit profitiere die Politik von drei Sonderfaktoren: der unvermindert wirkenden kalten Progression, dem extrem niedrigen Zinsniveau und einem demografischen Zwischenhoch.

Doch diese Sonderfaktoren seien zeitlich befristet: „Von einer ausreichenden Finanzierung der geplanten Mehrausgaben kann daher keine Rede sein“, so Schmidt. So führten Pläne für eine abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren, eine Mütterrente sowie die solidarische Lebensleistungsrente zu dauerhaften Mehrausgaben. „Sie müssen zwangsläufig über höhere Beiträge, zusätzliche Steuer-Zuschüsse oder eine Absenkung des allgemeinen Rentenniveaus finanziert werden. Insofern ist die Demografie-Festigkeit des Rentensystems tatsächlich akut bedroht“, sagte Schmidt. Auch der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Clemens Fuest, übt an den schwarz-roten Plänen Kritik: „Größtes Problem ist die Kombination aus verschärfter Arbeitsmarktregulierung, Senkung des Renteneintrittsalters und Einführung neuer Rentenleistungen. Das treibt die Sozialversicherungsbeiträge in die Höhe und senkt die Beschäftigung, obwohl wir eigentlich mehr Beschäftigung brauchen.“

Autor: dts