Berlin | In Deutschland sind weniger freie Intensivbetten einsatzbereit als bisher angenommen. „Bundesweit melden Kliniken freie Betten als verfügbar an, obwohl einige wegen des Personalmangels gar nicht genutzt werden können“, sagte Christian Karagiannidis, Sprecher des DIVI-Intensivregisters der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, der „Welt am Sonntag“. Dies wird nun für die künftige Pandemiebekämpfung zum Problem.

„Wir wiegen uns bei der Zahl der freien Intensivbetten in falscher Sicherheit“, sagte Karagiannidis. Die Zahl sei Grundlage für politische Entscheidungen. „Einigen Geschäftsführern ist nicht klar, welche große gesellschaftliche Verantwortung sie mit dieser Meldung tragen.“

Er rufe daher alle Kliniken auf, „ganz ehrlich“ ihre freien Betten zu melden. Aufgefallen ist dem Sprecher die Entwicklung in den vergangenen zwei, drei Wochen. „Wir bekommen immer mehr Rückmeldungen von Notärzten quer aus Deutschland, die uns sagen: Ich habe Schwierigkeiten, meine Patienten in Kliniken unterzubringen, obwohl uns das Register in der Region Dutzende freie Betten anzeigt“, sagte der Intensivmediziner, der die Meldungen anschließend stichprobenartig in einzelnen Kliniken überprüft hat.

Saar-Ministerpräsident warnt vor „Kollaps in vielen Krankenhäusern“

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat vor einem Zusammenbrechen des Gesundheitssystems in der Corona-Pandemie gewarnt. „Die Situation ist erschreckend und alarmierend: Schon bald kann es zu einem Kollaps in vielen der 1.900 Krankenhäuser in Deutschland kommen“, sagte Hans der „Bild am Sonntag“. Gerade jetzt, wo in der zweiten Corona-Welle jeder Intensiv- und Beatmungsplatz dringend benötigt werde, würden Kliniken aus der Versorgung fallen, Stationen geschlossen und Notaufnahmen abgemeldet.

„Grund ist fehlendes oder erkranktes Pflegepersonal“, so Hans. „Es drohen eine Triage und italienische Verhältnisse, wenn wir nicht jetzt auch hier gegensteuern.“ Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, sagte unterdessen der Sonntagszeitung: „Ganz klar: Es ist in einigen Bundesländern nicht mehr viel Spielraum. Berlin hat nur noch 14 Prozent freie Intensivbetten, Bremen 17 Prozent.“ Dies liege auch daran, „dass viele Kliniken immer noch ihr Routineprogramm durchführen, Magen-Bypässe, Gelenk-Operationen“. Für viele drohe sonst der Ruin, solange es nicht wie im April Freihaltepauschalen gebe, so Janssens.

„Damals war die Situation übrigens viel weniger dramatisch als das, was jetzt auf uns zukommt.“ Hans fordert aufgrund der Situation einen Rettungsschirm für die Kliniken: „Sie brauchen dringend Unterstützung. Neben dem Personalengpass droht den Krankenhäusern der finanzielle Kollaps.“

Sein Vorschlag: „Wir sollten jetzt dringend die Freihaltepauschalen wieder einführen, damit die Kliniken in den nächsten Wochen und Monaten finanziell abgesichert sind.“ Außerdem müsse der Bund ein „neues und starkes Pflegestellenförderprogramm“ initiieren. Und: Der „Pakt für eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Schaffung von mehr Stellen in den Gesundheitsämtern“ müsse vorgezogen werden.

Autor: dts