Leverkusen | Laut einer Studie der Pronova Betriebskrankenkasse (BKK) seien in Nordrhein-Westfalen (NRW) 74 Prozent der Menschen prinzipiell bereit dazu, Organe zu spenden. Doch nur 46 Prozent der potenziellen Spender besitzen den dafür notwendigen Organspendeausweis. Das sind drei Prozent mehr als in der Gesamtbevölkerung. Die befragten, die eine Organspende ablehnen, tun dies in erster Linie aus mangelndem Vertrauen in das Vergabesystem sowie Bedenken hinsichtlich einer sicheren Todesdiagnos, heißt es in der Studie. Für die Studie wurden 500 Bürgern aus NRW im Alter zwischen 18 und 65 Jahren befragt. Insgesamt nahmen 1.630 Bundesbürger an der deutschlandweiten Studie teil.

Studie „Knochenmark- und Organspende 2016“

Eine Stammzellenspende würden sechs von zehn Menschen, also 61 Prozent, aus NRW durchführen. Typisiert sind hierzulande jedoch erst 28 Prozent der potenziellen Spender. Wer eine Stammzellenspende ablehnt, nennt vor allem Ängste in Bezug auf den Eingriff und eventuelle Spätfolgen. Dies sind Ergebnisse der aktuellen Studie „Knochenmark- und Organspende 2016“ der pronova BKK. „Deutlich mehr Menschen in NRW sind zu einer Organ- oder Stammzellenspende bereit als diejenigen, die einen Ausweis besitzen oder sich haben typisieren lassen. Mehr als jeder vierte Spendenbereite in NRW fühlt sich von dieser Regelung offenbar nicht angesprochen“, sagt Lutz Kaiser, Vorstand der pronova BKK. Dabei könnte man sein Einverständnis zur Organspende mithilfe des Ausweises ganz einfach schriftlich erklären und so für den Ernstfall vorsorgen. Auch für eine Stammzellenspende ist es notwendig, im Vorfeld die dafür notwendige Typisierung vorzunehmen. „In beiden Fällen sind Viele mit den jeweiligen Regelungen und Abläufen nicht hinreichend vertraut. Das schafft Raum für Vorurteile und Vorbehalte, die wir dringend ausräumen müssen“, so der Experte.

Mehrheit der Spendebereiten in NRW unterscheidet nicht zwischen den Organen

Fast drei von vier der befragten Personen aus NRW, die zu einer Organspende bereit sind, würden ausnahmslos alle Organe spenden, 28 Prozent eine Auswahl vorgeben. Die höchste Spendenbereitschaft besteht bei Nieren und Leber, gefolgt von Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Darm. Gewebespenden, etwa Augenhornhaut oder Knochen, werden eher abgelehnt.
Ihre potenzielle Spendenbereitschaft begründet die Mehrheit, 65 Prozent, der befragten mit dem Wunsch, anderen Menschen helfen zu wollen. Weit weniger – 46 Prozent – geben als Motiv an, deshalb spenden zu wollen, weil sie sich im Ernstfall ebenfalls ein Spenderorgan wünschen beziehungsweise dieses in Anspruch nehmen würden. Menschen zu helfen ist auch die Hauptmotivation der Menschen in Nordrhein-Westfalen, wenn es um eine Stammzellenspende geht. 61 Prozent der regionalen Bevölkerung ist bereit dazu.

Misstrauen in Bezug auf Vergabesystem in NRW stark ausgeprägt

Wer in Nordrhein-Westfalen eine Organspende grundsätzlich ausschließt, hegt vor allem Zweifel am Vergabesystem. Laut Studie sind das 59 Prozent. Damit ist das Misstrauen der regionalen Bevölkerung größer als das der Bundesbevölkerung insgesamt mit 52 Prozent. Die Skepsis werde in erster Linie von Medienberichten über Skandale befeuert – jeder zweite aus NRW lasse sich dadurch negativ in seiner Einstellung zur Organspende beeinflussen. Der am zweithäufigsten genannte Grund sei die Angst, zum Organspender wider Willen zu werden. Zum Beispiel, wenn Ärzte die Überlebenschancen eines potenziellen Organempfängers höher einschätzen als die eigenen. Diesen Grund geben 27 Prozent der Organspendegegner in Nordrhein-Westfalen an.

Zur Organspende existieren viele Vorurteile – viele wünschen Aufklärung

„Viele Bedenken der Menschen in NRW in Bezug auf Organspende sind unbegründet. Hier müssen wir mit Aufklärung und Information ansetzen“, so Kaiser. So wissen etwa viele nicht, dass bereits ein Standardverfahren existiert, bei dem zwei Ärzte den Hirntod unabhängig voneinander durch eine anerkannte Methode diagnostizieren müssen. 51 Prozent der Organspendegegner in Nordrhein-Westfalen geben in der Studie an, dass sie unter diesen Voraussetzungen ihre Entscheidung überdenken würden.

Auch beim Thema Stammzellenspende existieren Vorurteile. Diese beziehen sich vor allem auf Risiken und mögliche Spätfolgen bei der Entnahme. Viele wissen nicht, dass durch moderne Möglichkeiten der Stammzellenentnahme wie der Blutstammzellenspende kein operativer Eingriff notwendig ist. Bei dieser sogenannten peripheren Stammzellenspende ist lediglich eine vorherige Medikamenteneinnahme zur Aktivierung der Stammzellenausschüttung notwendig, die grippeähnliche Symptome als Nebenwirkung hervorrufen kann. Langzeitnebenwirkungen sind nicht bekannt. Nach der Entnahme in Form einer Knochenmarkspende ist lediglich mit einem lokalen Wundschmerz zu rechnen, der mit einem Prellungsschmerz vergleichbar ist. Dabei liegen die größten Risiken in der üblichen Narkose. Die Art der Entnahme ist von den Patienten frei wählbar. Aufgeklärt über diese Methoden, würden über 60 Prozent der Verweigerer einer Stammzellenspende ihren Entschluss revidieren. Jeder zweite würde sich umentscheiden, wenn er wüsste, dass für eine Typisierung als Spender keine Blutentnahme nötig ist – was nicht der Fall ist. „Trotz großer Medienpräsenz des Themas Knochenmark- und Stammzellenspende schreckt nach wie vor jeder fünfte der nordrhein-westfälischen Bevölkerung davor zurück“, erklärt Kaiser. Ein Grund könnte ein falscher Absender der Kampagnen sein. 62 Prozent der befragten aus NRW wünschen sich Aufklärung zum Thema Knochenmark- und Organspende in erster Linie von Vertretern aus dem Gesundheitswesen, vor allem von ihren Krankenkassen oder ihrem Hausarzt (61 Prozent). Medien liegen mit 41 Prozent deutlich dahinter. Lutz Kaiser: „Diese Erwartung an uns und das damit verbundene Vertrauen sehen wir als Auftrag, durch gezielte Aufklärung die Bereitschaft zur Knochenmark- und Organspende der Bewohner Nordrhein-Westfalens signifikant zu steigern.“

Zur Studie

Die Studie „Knochenmark- und Organspende 2016“ wurde im April 2016 im Auftrag der pronova BKK im Rahmen einer Online-Befragung durchgeführt. Dafür wurden 500 Bundesbürger aus Nordrhein Westfalen und insgesamt bundesweit 1.630 Teilnehmer repräsentativ befragt.

Über die pronova BKK

Die pronova BKK ist aus Zusammenschlüssen der Betriebskrankenkassen großer Weltkonzerne wie z.B. Bayer, BASF, Ford, Continental oder Hapag-Lloyd entstanden. Die Kasse ist bundesweit für alle Interessierten geöffnet.

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