Nachrodt-Wiblingwerde | Beim Namen „Lübold 600“ dürften Fußballer nicht unbedingt aufhorchen. Und doch werden sie es demnächst wohl tun müssen: Denn bei der anstehenden Europameisterschaft wird mancher Kicker mit dieser neuen Schiedsrichter-Pfeife auf Spielfehler hingewiesen werden. Entwickelt hat sie eigens für das Fußball-Ereignis der nach eigenen Angaben bundesweit einzige verbliebene Hersteller von Signal- und Trillerpfeifen, die Firma MBZ Obernahmer im sauerländischen Nachrodt-Wiblingwerde.

Pfeifen-Verkaufsleiter Heinz Liebold führt das pechschwarze Plastikmodell vor. Er holt kräftig Luft, setzt die Pfeife an die Lippen und bläst: Die „Lübold 600“ klingt unüberhörbar überzeugend – nicht zuletzt, weil sie drei Kammern hat und damit gleich drei eng aneinander liegende Töne produziert. „Der Schall wird deshalb als unangenehm empfunden“, sagt Liebold. Offizieller Lieferant für die EM ist MBZ aber nicht. „3 der 16 EM-Schiedsrichter haben fest zugesagt, unsere Pfeife zu nutzen. Die waren begeistert“, sagt Liebold. Die anderen setzen auf die Modell-Konkurrenz insbesondere aus Kanada und den USA. Liebold nimmt den Wettbewerb gelassen, denn Schiedsrichterpfeifen stellen für den kleinen Metallwarenbetrieb mit nicht einmal zehn Mitarbeitern nur einen Teil der Produktion dar. Die Firma kann auf eine langjährig gewachsene Kundschaft zurückgreifen und produziert nach eigenen Angaben bis zu 300.000 Pfeifen pro Jahr, verteilt auf durchschnittlich 30 Modelltypen.

Ob Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, Strafvollzug sowie die Deutsche und Schweizer Bundesbahn: Sie alle greifen auf Metall- oder Plastikpfeifen aus der sauerländischen Produktion zurück – überwiegend aus Tradition. Denn die Firma MBZ setzt die Markengeschichte der ehemals in Lüdenscheid beheimateten Firma Lübold von der Crone fort, die bereits seit 1923 Triller- und Signalpfeifen herstellt.

Fertigung in Handarbeit

Die zum Teil aus den 1930er Jahren stammenden Werkzeuge und Maschinen für die Herstellung von Metallpfeifen wurden ebenfalls übernommen und kommen weiter zum Einsatz. „Im Grunde hat sich an der Fertigung nichts geändert“, erläutert Liebold. Für Pfeifen aus Metall wird Messing ausgestanzt, die einzelnen Bauteile zurechtgebogen und verlötet, dann verchromt, poliert und mit einer Gravur versehen – alles in aufwendiger Handarbeit. Die Feinarbeit für jedes Modell ist eine Wissenschaft für sich: „Eine Pfeife ist ein Musikinstrument. Jeder Pfeifentyp hat seine eigene, offiziell festgelegte Frequenz“, sagt Liebold. Eine Schaffner-Pfeife klinge deshalb anders als eine Warn-Pfeife für den Rangierbetrieb oder eine für einen Bootsmann auf einem Schiffsdeck. Bei ihren Metallpfeifen setzt MBZ zudem Kugeln aus Kork statt aus Kunststoff oder Metall in den Resonanzraum – für einen saubereren Klang, weil der Kork nicht am Luftschlitz kleben bleibt. Pfeifen für die Marine werden zudem unterkupfert, damit sie von der salzhaltigen Seeluft nicht angegriffen werden. „Ansonsten würde sich das Messing aufrauen. Dann ist der Ton hin“, erklärt Liebold.

Demnächst sind die Pfeifen aus dem Sauerland sogar am Hindukusch zu hören. Über die Bundeswehr vermittelt, fertigt MBZ Messing-Pfeifen für die afghanische Polizei. Das entsprechende Modell habe allerdings einen fachfremden Hintergrund, sagt Liebold: „Es ist eine Dreiton-Pfeife, die eigentlich für den Schwimm- und Volleyball-Sport entwickelt wurde.“

Autor: Frank Bretschneider | dapd | Foto: Sascha Schuermann/dapd
Foto: Trillerpfeifen „Lübold 600“