Berlin | Diskussion um Wasserstofftechnologie: Die Energieökonomin Claudia Kemfert fordert, im Zuge der nationalen Wasserstoffstrategie den Ausbau von Wind- und Sonnenstrom stärker voranzutreiben. „Wer von Wasserstoff träumt, muss in erneuerbare Energien investieren und deutlich schneller ausbauen als bisher“, sagte Kemfert dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Donnerstagausgaben). Nur mit grünen Wasserstoff, der mittels Öko-Strom gewonnen wird, könne Deutschland die Pariser Klimaziele erreichen. Der Energiewissenschaftler Volker Quaschning hat die milliardenschwere Wasserstoffstrategie der Bundesregierung kritisiert.

Eine besondere Rolle spiele dabei Norddeutschland, wo große Mengen Windstrom erzeugt werden: „Statt wie derzeit teure und unbeliebte Übertragungsnetze in den Süden zu bauen oder Windanlagen abzuregeln, könnte man sinnvollerweise aus der überschüssigen Windenergie die Produktion von Wasserstoff ermöglichen“, so Kemfert weiter. Von der Geschwindigkeit des Erneuerbaren-Ausbaus hänge auch ab, ob und wann sich die Produktion des grünen Wasserstoffs lohne. Kemfert macht aber auch darauf aufmerksam, dass Wasserstoff enorm teuer sei: „Er ist quasi der Champagner unter den Energieformen.“

Seine Herstellung erfordere drei- bis fünfmal so viel Energie wie wenn man erneuerbare Energien direkt nutzen würde. Man werde Wasserstoff deshalb vernünftigerweise nur dort einsetzen, wo es keine andere Möglichkeit gibt. Dazu zählten die Herstellung von Stahl oder der Schwerlast- und Schiffsverkehr.

Für die Energieökonomin ist es weiterhin unabdingbar, die Verkehrswende voran zu bringen: „Dafür sollte man gezielt die Elektromobilität über den Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie den ÖPNV und Schienenverkehr fördern“. Der „verschwenderische oder klimaschädliche Einsatz“ von Wasserstoff im Gebäudebereich könne ebenfalls verhindert werden, etwa indem die energetische Gebäudesanierung gefördert werde und auch dort erneuerbare Energien eingesetzt würden. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ihre Wasserstoffstrategie beschlossen, die Zuschüsse, rechtliche Erleichterungen und Produktionsziele vorsieht. Neben den laufenden Förderprogrammen sind dafür zusätzlich neun Milliarden Euro eingeplant.

Energiewissenschaftler kritisiert Wasserstoffstrategie

Der Energiewissenschaftler Volker Quaschning hat die milliardenschwere Wasserstoffstrategie der Bundesregierung kritisiert. „Das ist ein reines Ablenkungsmanöver“, sagte der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin dem Nachrichtenportal Watson. Für die langfristige Stromspeicherung sei Wasserstoff wichtig.
„Es ist also sinnvoll, Wasserstofftechnologien weiterzuentwickeln und in Forschung und Entwicklung zu investieren.“ Aber Szenarien wie Wasserstofftankstellen oder Importe von Wasserstoff aus Afrika machten derzeit keinen Sinn. „Das ist eine reine Luftnummer.“

Zunächst müsse man von Kohle- und Kernenergie auf erneuerbare Energien umsteigen, um klimafreundlichen Wasserstoff herstellen zu können. „Von einer flächendeckenden Überproduktion an Strom aus erneuerbaren Energien sind wir bei dem heutigen Ausbautempo in Deutschland noch weit entfernt“, sagte Quaschning. „Also macht es eigentlich keinen Sinn, über grünen Wasserstoff nachzudenken.“

Dass die Zukunft den Wasserstoffautos gehört, glaubt Quaschning nicht. „Die Bundesregierung will zwar auf Wasserstofftankstellen setzen, aber ich sehe da keinen Markt.“ Das werde teuer und es gebe keine großen Vorteile gegenüber E-Autos mit Batterien.

„Die heutigen Batterieautos kommen auch schon weit“, so der Energiewissenschaftler. „Man könnte Wasserstoff vielleicht bei Lkw verwenden, die wirklich lange Strecken fahren.“ Aber das Wasserstoffauto werde „definitiv“ nicht kommen. „In Wasserstofftankstellen zu investieren ist also, wie Geld zu verbrennen.“

Autor: dts