Frankfurt/Main | Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag beschlossen, den Einlagenzins auf minus 0,1 Prozent abzusenken. Damit müssen Geschäftsbanken erstmals Strafzinsen bezahlen, wenn sie kurzfristig nicht benötigtes Geld bei der EZB parken. Mit dem Schritt sollen Unternehmen insbesondere in Südeuropa wieder mehr Kredite bekommen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi hat zudem eine neue Geldspritze angekündigt. Der DAX stieg über die 10.000er Marke, der Euro fiel und der Goldpreis legte kräftig zu.

Der Leitzins der Zentralbank wurde auf das Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt, wie die Währungshüter nach der Sitzung des EZB-Rats mitteilten. Den Zinssatz für die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität, zu dem sich Geschäftsbanken im Euroraum kurzfristig Geld bei der EZB beschaffen können, senkte die Zentralbank auf 0,4 Prozent. Die Währungshüter hatten den Leitzins zuletzt Anfang November des vergangenen Jahres auf 0,25 Prozent gesenkt.

Draghi kündigt milliardenschwere Geldspritze an

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat eine neue Geldspritze angekündigt, mit der die stockende Kreditvergabe in Südeuropa angekurbelt werden soll. Dazu wolle die Zentralbank unter anderem verbriefte Kredite (ABS) aufkaufen, sagte der EZB-Präsident am Donnerstag in Frankfurt. Zudem kündigte Draghi neue langfristige Notenbank-Kredite (LTRO) an, die zunächst ein Volumen von 400 Milliarden Euro haben sollen.

Der EZB-Präsident stellte kurzfristig weitere Maßnahmen in Aussicht, wenn diese notwendig werden sollten. Die Wirtschaft wachse nur schwach, zudem gebe es etwa in den Schwellenländern Risiken, die die Konjunktur belasten könnten, begründete Draghi den Schritt. Der EZB-Präsident forderte die Politik überdies zu weiteren Reformen auf.

Zuvor hatte die Zentralbank mitgeteilt, den Leitzins auf 0,15 Prozent und den Einlagenzins auf minus 0,1 Prozent zu senken. Der Leitzins werde „für eine längere Zeit auf dem aktuellen Niveau bleiben“, sagte der EZB-Präsident. Die EZB-Zinssenkung bugsierte den DAX am Donnerstag erstmals in seiner Geschichte über die Marke von 10.000 Punkten: Um 14:40 Uhr notierte der deutsche Leitindex bei 10.013,69 Zählern.

Die EZB hatte am Donnerstag auch den Zinssatz für die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität, zu dem sich Geschäftsbanken im Euroraum kurzfristig Geld bei der EZB beschaffen können, von 0,75 auf 0,4 Prozent gesenkt. Die Maßnahmen der EZB ließen den Euro auf ein Viermonats-Tief fallen: Die Gemeinschaftswährung fiel von etwas über 1,36 US-Dollar auf 1,3504 US-Dollar.

EZB-Zinssenkung hievt DAX über 10.000-Punkte-Marke

Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), den Leitzins auf 0,15 Prozent und den Einlagenzins auf minus 0,1 Prozent zu senken, hat den DAX zum ersten Mal in seiner Geschichte über die Marke von 10.000 Punkten steigen lassen. Um 14:40 Uhr notierte der deutsche Leitindex bei 10.013,69 Punkten. Die EZB hatte am Donnerstag auch den Zinssatz für die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität, zu dem sich Geschäftsbanken im Euroraum kurzfristig Geld bei der EZB beschaffen können, von 0,75 auf 0,4 Prozent gesenkt.

Nach EZB-Entscheidungen: Goldpreis legt kräftig zu

Nach den EZB-Entscheidungen vom Donnerstag hat der Goldpreis einen kräftigen Satz nach oben gemacht. Selbst der in US-Dollar notierte Preis je Feinunze legte gegen 14:45 Uhr MESZ rund ein Prozent auf bis zu 1.257 Zähler zu. Weil der Euro schon nach der Leitzinsentscheidung eine Stunde zuvor in den Sinkflug gegangen war, befeuerte das den Goldpreis in Euro noch weiter.

Ökonom sieht in EZB-Niedrigzinspolitik große Gefahr für Wirtschaftsentwicklung

Der Frankfurter Ökonom Thorsten Polleit sieht in einer dauerhaften Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) eine große Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Mit der Tiefzinspolitik werde die „Saat für neuerliche Erschütterungen“ gelegt, sagte der Chefökonom der Degussa Goldhandel GmbH und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management „Handelsblatt-Online“. „Je länger die Zentralbanken die Zinsen tief halten, desto wuchtiger wird die künftige Erschütterung in den Finanzmärkten ausfallen. Nicht, dass sie kommt, sondern nur wann sie kommt, liegt im Ungewissen.“ Polleit hält das „Heruntermanipulieren“ des Zinses daher für keinen Kavaliersdelikt. Es verursache „weitreichende“ Wirtschaftsstörungen.

„Die Volkswirtschaften geraten in einem Blindflug. Die verzerrten Zinsen blähen die Preise für Aktien, Anleihen und Grundstücke auf, es kommt zu spekulativen Blasen“, sagte der Ökonom. Sparer werden außerdem „entmutigt, Konsum ermutigt, der Aufbau des volkswirtschaftlichen Kapitalstock unterbleibt“.

Das Ergebnis sei Kapitalverzehr und damit künftige Einkommensausfälle. Polleit kritisierte zudem, dass die Geldpolitik der EZB mehr denn je zu einer Umverteilungspolitik geworden sei. „Die Ersparnisse der Deutschen werden entwertet, damit die Zinslasten in den strauchelnden Euro-Ländern gesenkt werden können“, sagte er.

Grund sei, dass die Politik der tiefen Zinsen darauf abziele, den Realzins, also den Zins nach Abzug der Geldentwertungsrate, negativ zum machen. „Und das bedeutet nichts anderes, als, dass der Halter von Termin- und Sparanlagen, aber auch von Staats- und Bankschuldverschreibungen Verluste erleidet: Er entspart, er wird ärmer“, so Polleit.

Autor: dts