Köln | Der Bundesligist 1. FC Köln will am Geißbockheim ausbauen und dafür in das Landschaftsschutzgebiet Äußerer Grüngürtel eingreifen. Aktuell sind die Baupläne des 1. FC Köln im Verfahren in der Offenlage, bevor der Kölner Rat eine Entscheidung treffen wird. Mit Birgit Blech und Harald Grieser, beide im Vorstand der Bürgerinitiative „Grüngürtel für alle!“ sprach Andi Goral. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mahnte in der „Kölnischen Rundschau“ das Ergebnis der Offenlage, wie es der Prozess vorsieht, abzuwarten. Die Grünen gehen auf Abstand zu den Plänen des 1. FC Köln, während SPD, CDU und FDP sich hinter den FC stellen vor Ablauf der Offenlage. Hier stellt sich die Frage ob SPD, CDU und FDP die Einwendungen der Kölner Bürgerinnen und Bürger egal sind? Einwendungen für oder gegen die Ausbaupläne können noch bis zum 30. August abgegeben werden.

Die Initiative

Im Gespräch mit dieser Internetzeitung mahnen und warnen Birgit Blech und Harald Grieser den Äußeren Grüngürtel, der sich im Besitz der Stadt Köln, also aller Kölnerinnen und Kölner befindet vorschnell dem Unternehmen 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA zu überlassen. Sie weisen auf den Umstand hin, dass es sich eben nicht um den Verein 1. FC Köln handelt, sondern den gewinnorientierten Unternehmensteil des Fußballklubs, der im Milliardengeschäft Bundesliga unterwegs ist und Millionenumsätze macht. Die Akteure der Initiative mahnen bei den Kölner Ratspolitikern an eine Entscheidung im Sinne der Stadt Köln und ihrer Bürgerinnen und Bürger zu treffen und vor allem die Offenlage im Verfahren abzuwarten und nicht vorher Solidaritätsbekundungen für einen privatwirtschaftlichen Investor abzugeben. Irritiert zeigt sich die Initiative darüber, dass Alexander Wehrle, Geschäftsführer des 1. FC Köln, mitteilt, er habe die Zusage von Kölns Baudezernent Greitemann, dass ihm im Herbst diesen Jahres eine Baugenehmigung vorliege. Die Initiative fragt, wie dies sein könne, wenn der Rat noch gar keine Entscheidung getroffen habe?

Die Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Reker sagte gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass sie sich wünsche im Einvernehmen mit dem FC einen anderen Platz zu finden, als den Äußeren Grüngürtel. Sie begründet dies mit geänderten Rahmenbedingungen, wie etwa dem in diesem Jahr von der Stadt Köln ausgerufenen Klimanotstand. Mit ihrer Aussage, die ihr viele böse Kommentare und Häme aus Politik und Medien einbrachte, verschafft Reker dem geordneten Verfahren wieder den Raum, den es braucht. Denn mitnichten ist etwas bisher endgültig entschieden. Der Regionalrat der Bezirksregierung stimmte lediglich der Änderung des Flächennutzungsplans zu. Aktuell, mitten in den Sommerferien, werden die Baupläne der Öffentlichkeit vorgestellt, die dagegen Einwendungen vorbringen kann. Mit diesen Einwendungen, so das demokratische Verfahren, muss sich die Verwaltung und Politik auseinandersetzen und trifft dann eine Entscheidung.

Der Baudezernent Greitemann

Stimmt die Aussage des 1. FC Köln Geschäftsführer Alexander Wehrle, dass er weiter davon ausgehe, dass der Verein im vierten Quartal dieses Jahres die zugesicherte Baugenehmigung bekomme, ist die Rolle des Baudezernenten, dem im Stadtvorstand die Führung des Verfahrens obliegt, zu hinterfragen oder desjenigen, der dem 1. FC Köln diese Zusage gab. Denn, mit dieser Aussage greift derjenige der Ratsentscheidung vor. Greitemanns Dezernat wird es sein, das die Einwendungen aufarbeitet. Gegenüber Medien sprach er davon, dass bereits über 2.000 Einwendungen vorlägen, mittlerweile sollen es über 4.000 sein. Interessant wird sein, wie die Stadt Einwendungen bewertet, die gar nicht aus Köln kommen, denn viele Fans des 1. FC Köln wohnen gar nicht in Köln.

Der FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle

Alexander Wehrle ist Angestellter der 1. FC Köln GmbH & Co KGaA und gilt als sehr geschäftstüchtig, vor allem weil es ihm gelungen ist, gemeinsam mit dem scheidenden Präsidium, den 1. FC Köln finanziell zu stabilisieren. Ein Verdienst der Wehrle hoch angerechnet werden muss. Dafür bekam Wehrle im Oktober 2015 auf der Mitgliederversammlung in der Lanxess Arena (Bericht von report-K lesen) viel Applaus. Dort versprach er den Mitgliedern vor allem auch eines Wachstum und eine Internationalisierung sowie die Umsetzung des Masterplans Rheinenergie Sportparks am Geisbockheim. Hier steht Wehrle seit vier Jahren bei den Mitgliedern im Wort, also lange bevor das Verfahren began. Umso weniger erstaunt es, dass Wehrle jetzt auf „effzeh.com“ verkünden lässt: „Für uns gilt: Ich kenne keinen Alternativ-Standort, an dem der FC morgen anfangen kann zu bauen. Denn selbst wenn es andere Standorte gäbe, die die nötigen Flächen hätten, müsste man auch dort das ganze Verfahren erneut durchlaufen. Und das würde wieder zwei, drei Jahre dauern. Von daher stellt sich die Frage nach den Alternativen gar nicht“. Anscheinend ging Wehrle nie davon aus, dass die städtische Politik ihm und seinem 2015 angekündigten Projekt Steine in den Weg legen werde und dennoch bleibt die Frage offen: Selbst wenn die Stadt Köln den Bebauungsplan im Rat beschließt, können Ausbaugegner den Rechtsweg beschreiten und auch der dauert und ist im Ausgang unsicher. Insofern irritiert die Aussage des Managers Wehrle keine Alternativen im Rücken zu haben oder sich noch nie um welche gekümmert zu haben, schließlich müsste er auch die „Grüngürtel Charta“, die der Rat 2012 unter Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters, SPD, beschloss, kennen (siehe Punkt Regionale 2010 am Ende des Artikels). Am 30. April 2013 stimmten übrigens bei Enthaltung des Ratsmitglieds Thor Zimmermann, damals Deine Freunde, alle Fraktionen, also auch CDU, FDP und SPD für die „Grüngürtel Charta“. Und Wehrle gilt in der Liga jetzt etwas und wurde am gestrigen Mittwoch für drei Jahre in das Präsidium der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gewählt.

FC „genießt“ die Unterstützung von SPD, CDU und die FDP

Wohlwollend schreibt der 1. FC Köln auf „effzeh.com“: „Oberbürgermeisterin Reker wünscht sich noch für dieses Jahr einen Ratsbeschluss, der bei der derzeitigen politischen Großwetterlage vermutlich zugunsten der ‚Geißböcke‘, die die Unterstützung der SPD, CDU und FDP genießen, ausgehen wird.“ Diesem Wunsch entsprechen die drei Parteien derzeit öffentlich. Auch hier irritiert, dass die Parteien jetzt schon Bekundungen a la In Treue fest zum FC vor Ende der Offenlage abgeben und dass, ohne die Einwendungen der Bürgerinnen und Bürger Kölns zu kennen, zu diskutieren und zu bewerten.

Die Kölner SPD etwa spricht von einem taktischen Manöver der Oberbürgermeisterin und dass diese die Glaubwürdigkeit der Stadt gefährde.Peter Kron, sportpolitischer Sprecher: „Wir haben für diesen Sinneswandel kein Verständnis. Der gefundene Kompromiss ist eine Investition in die Zukunft der Sportstadt Köln. Die Trainingsanlagen werden allen Menschen zur Verfügung stehen und sind für den Jugend- und Breitensport sehr wichtig. Wir haben uns als Kölner Politik in einem langen und intensiven Prozess und nach Diskussion mehrerer Standorte gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin und dem FC für diese Lösung entschieden. Dass die Oberbürgermeisterin diesen Kompromiss jetzt öffentlich einseitig aufkündigt, hat vermutlich andere als Sachgründe. Es ist sehr enttäuschend, dass sie damit eine Lösung mit Füßen tritt, die demokratisch und in Abwägung aller berechtigten Interessen gefunden wurde, nur um sich selbst in Position zu bringen.“Interessant ist, dass die Kölner SPD von mehreren Standorten spricht, obwohl der FC-Geschäftsführer Wehrle schon 2015 nur vom Ausbau am Geisbockheim sprach und jetzt sagt, es stelle sich die Frage nach Alternativen gar nicht. Die „Grüngürtel Charta“ wurde 2012 unter OB Jürgen Roters, SPD, am 30. April 2013 mit den Stimmen der SPD-Fraktion verabschiedet.

Für die FDP kommentiert Ulrich Breite in einer Pressemitteilung schriftlich: „Es müssen sachfremde Gründe – die Zustimmung der Grünen zur ihrer Oberbürgermeisterinkandidatur lässt grüßen – sein, die zu diesem Meinungsumschwung führen. Dabei lässt sie ihre eigene Verwaltung vor die Wand laufen, die vier Jahre Arbeit in die Tonne kloppen soll, weil das Wort von gestern heute nichts mehr wert ist. Über so eine sprunghafte OB sind wir wahrlich enttäuscht. Wie sollen Investoren der Stadt und der Oberbürgermeisterin noch trauen, wenn selbst der FC sich nicht mehr auf Zusagen und Beschlüsse verlassen kann?“ Breite spricht zudem von hochwertigen Ausgleichsmaßnahmen und dass die heutigen Planungen des 1. FC Kölns zu den Sportplatzplanungen aus dem Jahr 1920 passten. Ob 1920 schon ein Gebäudekomplex, wie das geplante FC-Leistungszentrum dazu gehörte, lässt Breite offen. Breite weiter: „Die FDP geht davon aus, dass CDU und SPD nicht gegenüber dem FC wortbrüchig werden und bei ihren Zusagen pro Ausbau bleiben. Auch ohne die Stimme der OB gibt es dann weiterhin eine Mehrheit im Rat.“ Auch die FDP stimmte 2013 für die „Grüngürtel Charta“, wie auch die CDU.

Die Kölner CDU positionierte sich derzeit vor allem in den Medien zum aktuellen Sachstand und hält sich mit öffentlicher Kritik zurück. So zitiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geschäftsführer der CDU-Stadtratsfraktion mit den Worten: „Es gibt keinen Anlass, von unserer Position abzurücken. Wir stehen beim FC im Wort.“ Reker habe sich zum „falschen Zeitpunkt“ geäußert.

Kölner Grüne fordern Abkehr vom „Wir gegen die“

Die Kölner Grünen begrüßen die Haltung von OB Reker das Verfahren und die Offenlage zu achten. Gleichzeitig lehnen sie weiter die Bebauung der Gleueler Wiese ab. Dazu erklärt Frank Jablonski, Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Köln: „Wir möchten alle, dass der FC optimale Trainingsbedingen erhält, aber eingezäunte Kunstrasenplätze im Äußeren Grüngürtel gehören sicher nicht dazu. Die Menschen die sich für den Schutz der Umwelt und des Grüngürtels einsetzen, haben gute faktenbasierte Argumente gesammelt, die gegen die Versiegelung von 36.000 m² Grünfläche sprechen. Es ist bezeichnend, dass sich einige Ausbaubefürworter nicht mit den Argumenten auseinandersetzen, sondern eine emotionalisierte „Wir gegen die“ Diskussion führen wollen. An solch einer Diskussion werden wir nicht teilnehmen. Umweltschutz, Sportförderung und optimale Trainingsbedingungen für den FC sind keine Widersprüche, sondern gehören zusammen.“ Das Jablonski mit der „Wir gegen die“-Theorie nicht falsch liegt, zeigt etwa der Blog „Ruhrbarone“ wo ein Yannik Stracke unter dem Titel „Grünes Schmierentheater um´s Geißbockheim“ emotionalisiert und neben „Fake News“ wie das Geißbockheim sei vom FC errichtet worden, läge in Widdersdorf oder der Regionalrat der Bezirksregierung habe schon lange entschieden. Die Ausbaugegner werden als „ominöse Bürgerinitiative“ oder „vermeintliche Umweltschützer“ diffamiert.

Katja Trompeter, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Köln, betont: „Wir nehmen, genau wie die OB, die Offenlage und die Bürgerbeteiligung sehr ernst. Es ist sehr irritierend, dass im Moment einige Akteure so tun, als ob die Offenlegung nur eine Showveranstaltung wäre. Für einige Akteure, zu denen auch die Kölner SPD und FDP gehören, ist Bürgerbeteiligung offensichtlich ein Fremdwort. Im Gegensatz dazu, sind wir überzeugt, dass die Kölnerinnen und Kölner das Recht haben mit zu entscheiden, wie unsere Stadt aussehen soll.“

An die Regionale 2010 und die „Grüngürtel Charta“ sei erinnert

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Projekt „Regiogrün“ der Regionale 2010, also lange vor dem Jahr 2015. Zitiert sei: „‚RegioGrün‘ ist ein strategisches Konzept zur nachhaltigen Sicherung und Entwicklung von Freiflächen, das aufbauend auf den beiden Kölner Grüngürteln die Erftaue, die Ville und das Bergische Land über radiale Freiraumkorridore verbindet und somit einen dritten Grüngürtel schafft. Neben dieser Sicherung der natürlichen Ressourcen – schutzwürdige Böden, Wälder, Flußauen, Quellbereiche etc. – und der Erhaltung unversiegelter Freiräume und landwirtschaftlicher Nutzflächen wird so schon frühzeitig einer weiteren Suburbanisierung und der Auflösung identifizierbarer Stadt-Freiraum-Grenzen von Köln und seinen Umlandkommunen aktiv gegengesteuert. Damals entstand auch die sogenannte „Grüngürtel Charta“ für den Äußeren Grüngürtel. Dort steht unter anderem: „Köln ist eine wachsende Stadt. Dem steigenden Bedarf an Flächen für Wohnungen, Gewerbe und Verkehr steht ein begrenztes Freiraumpotenzial gegenüber. Dessen Sicherung und Qualifizierung ist daher geboten. Dies gilt für das gesamtstädtische Grünflächensystem mit Innerem und Äußerem Grüngürtel sowie den verbindenden Grünzügen. Der Äußere Grüngürtel ist ein Freiraum, in dem sich eine städtische Gesellschaft mit ihren vielfältigen Lebensformen verwirklicht. Als Raum des Alltags, der Freizeit und Erholung hat er umfassende Bedeutung und ist attraktiver öffentlicher Raum für die Bevölkerung Kölns und der umliegenden Gemeinden. Er gliedert und strukturiert das Siedlungsgefüge und gibt der Stadt eine unverwechselbare Gestalt. Auf Grund seiner landschaftlichen Prägung und seiner Größe ist er gleichzeitig geschützter und gepflegter Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Er ist Entstehungsgebiet für die Grundwasserbildung, er verbessert das Stadtklima und sichert den Boden als nachhaltige Lebensgrundlage.“ Den kompletten Text finden Sie hier: Diese findet sich auf der Homepage der Stadt Köln [PDF]

Die „Kölnische Rundschau“ kommentierte 2012 die „Grüngürtel Charta“: „Deshalb kommt der Grüngürtel-Charta, mit der sich die Stadt zum Erhalt und zur Entwicklung des Äußeren Grüngürtels verpflichtet, so große Bedeutung zu. Sie zeugt von der Einsicht, dass das städtische Grün die Entwicklung nicht hemmt, sondern im Gegenteil erst ermöglicht. Mit dem Grüngürtel im Rücken kann die Stadt weiter wachsen.“

Alle Informationen zum Beschluss „Grüngürtel: Impuls 2012“ finden sich hier im Ratsinformationssystem der Stadt Köln [Datenbank]

Autor: Andi Goral