Das Bild zeigt ein Plakat der Initiative kameras-stoppen.org und eine gebastelte Kamera auf der Kundgebung vor dem Verwaltungsgericht Köln am 14. Mai 2024. | Foto: as

Köln | Die Polizei Köln setzt seit Jahren auf Videobeobachtung. Mittlerweile sind über 100 Kameras rund um die Uhr im Einsatz. Seit 2022 wird die Beobachtung in den Kölner Stadtteilen Kalk und Humboldt-Gremberg durchgeführt. Dagegen klagt eine Frau. Sie wird unterstützt von der Initiative kameras-stoppen.org. Es ist die siebte Klage gegen die polizeiliche Videoüberwachung, von denen bisher keine einzige im Hauptsacheverfahren vom Verwaltungsgericht Köln entschieden wurde.

Darum geht es

In Köln betreibt die Polizei 106 Kameras, die Livebilder auf Bildschirme ins Polizeipräsidium übertragen vor denen Mitarbeitende der Kölner Polizei jeden Tag 24 Stunden das Geschehen und die Menschen auf der Straße beobachten. Die einen sprechen von Videobeobachtung, andere von Videoüberwachung. Diese Bewegtbilder werden für 14 Tage gespeichert. Die Menschen, die durch die Kameras erfasst werden sind identifizierbar. Dazu schreibt die Initiative kameras-stoppen.org: „Niemand kann sich an den betroffenen Orten der Überwachung entziehen und niemand weiß, ob die Bildaufnahmen der eigenen Person nicht länger als 14 Tage gespeichert werden, weil im direkten Umfeld etwas Verdächtiges geschehen ist, das die Polizei veranlasst hat, die Bilder für noch längere Zeit zu sichern.“

Seit Einführung 2016 erfährt die Videobeobachtung in NRW eine Ausweitung

Am 6. April 2016 schrieb das Innenministerium NRW noch unter der Führung von SPD-Mann Ralf Jäger in einer Mitteilung an die Öffentlichkeit: „Die Voraussetzungen für Videobeobachtung durch die Polizei sind streng. Sie kommt nur an Kriminalitätsschwerpunkten in Betracht. Die Kameras dürfen allein der Verhinderung von Straftaten dienen und nicht zu einer Verlagerung der Kriminalität an andere Orte führen.“ Das Innenministerium sprach bei der Einführung der Videobeobachtung davon, dass es eine flächendeckende Videobeobachtung nicht geben solle und die Maßnahmen auf ein Jahr befristet seien. Und heute acht Jahre später? Das Polizeigesetz NRW sieht die Videobeobachtung vor und regelt dies in den Paragrafen 15 und 15a. Im Gesetz steht aber auch: „Maßnahmen nach Absatz 1 sind zu dokumentieren. Sie sind jeweils auf ein Jahr befristet. Rechtzeitig vor Fristablauf ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen gemäß Absatz 1 weiter vorliegen. Eine Verlängerung um jeweils ein Jahr ist in diesem Fall zulässig.“ Dies bezieht sich auf die Frage, ob der beobachtete und überwachte Bereich ein Ort ist an dem wiederholt Straftaten begangen wurden oder werden. Jetzt gibt es in NRW zehn mobile Videobeobachtungsanlagen zusätzlich zu den stationären Anlagen, die auch schon in Köln im Einsatz waren. Das Innenministerium beteuert den Datenschutz einzuhalten.  

Zwar kündigen die Behörden die Erstinbetriebnahme der stationären oder mobilen Videobeobachtung öffentlich an. Allerdings bleibt die Verlängerung der Maßnahme meist öffentlich intransparent und die Behörde legt keine Daten oder Fallzahlen vor, wenn sie die Verlängerungen durchführt.

Die beiden rechtsrheinischen Gebiete

Die in der neuen Klage betroffenen Gebiete liegen in Kalk und Humboldt Gremberg. Das städtische Areal ist rund 20 Hektar groß und damit der Ort an dem seit 2022 das größte zusammenhängende Gebiet per Video beobachtet wird. Viele Menschen die hier leben haben eine internationale Familiengeschichte. Die Initiative kameras-stoppen.org spricht von einem Wohngebiet, dass von der Überwachung betroffen sei und die Beobachtung stark in das Privatleben der Menschen eingreife. So fragt die Initiative: „Wie muss man sich in einer Wohnung in der Kalk-Mülheimer-Straße fühlen, auf die polizeiliche Kameras sowohl von der Vorderseite, als auch von der Rückseite gerichtet sind? Wo jeder Schritt aus der Wohnung heraus und in sie hinein erfasst und gespeichert wird? Dieses Horrorszenario ist in Kalk seit zwei Jahren Realität! Der Nutzen, vor allem die Verhinderung von Straftaten, ist dem gegenüber sehr gering. Bisher konnte die Polizei aus unserer Sicht keinen Nachweis dazu erbringen, dass der Aufenthalt für Menschen im öffentlichen Raum durch die Videoüberwachung sicherer geworden ist.“

„Die Besonderheit im Videobereich Köln-Kalk/Humboldt-Gremberg ist tatsächlich, dass dort sehr viele Menschen wohnen. Dass also unmitelbar auch private Wohnbereiche betroffen sind“, sagt die Anwältin der Klägerin, Sabine Schölermann, bei der Einreichung der Klage beim Verwaltungsgericht Köln am 14. Mai 2024. Teilweise sei der Abstand der Kameras zu den Fenstern der Wohnungen unter zwei Meter, so Schölermann. Der zweite Rechtsbeistand der Klägerin, Michael Biela-Bätje, stellt zudem heraus, dass es für Köln-Kalk statistische Erhebungen zu Kriminalität gäbe, diese sich aber nicht mit dem überwachten Gebiet deckten: „Der Erfassungsbereich für die erhobene Kriminalität ist ungefähr 50 Prozent größer als letztlich der überwachte Bereich. Und es gibt auch Bereiche, wie auch bei der Klägerin, die gar nicht von der Kriminalität her erfasst werden, die aber eigentlich grundlos mit überwacht werden, sodass es unabhängig von der Größe [des überwachten Gebiets, Anm. d. R.] einfach ein Problem ist, dass jetzt ein reiner Wohnbereich erfasst wird, ohne dass wir da Datenmaterial haben, ohne dass das der Polizeipräsident im einzelnen begründet“, so Biela-Bätje. Daher könne die Überwachung in Kalk und Humboldt-Gremberg auch als Testlauf interpretiert werden, von touristischen Gebieten wie dem Kölner Dom, dem Roncalliplatz oder Neumarkt auf Wohngebiete umzuschwenken. Michael Biela-Bätje: „Ich glaube, das ist der Testlauf, ob das in Kalk rechtlich in Ordnung ist und ob es akzeptiert wird.“

Das will die Initiative erreichen

Die Klägerin und die Initiative kameras-stoppen.org wollen mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln erreichen, dass die Videoüberwachung in den Stadtteilen Kalk und Humboldt-Gremberg eingestellt wird. In Bezug auf die sechs weiteren Klagen schreibt die Initiative: „Keine der seit 2018 eingereichten Klagen ist bisher vom Verwaltungsgericht Köln in der Hauptsache verhandelt worden. In Eilverfahren, die einen Zustand bis zur Hauptentscheidung regeln, konnten aber bereits Erfolge zum Schutz von Privaträumen und Demonstrationen errungen werden.“

Als Gründe, warum es bisher nicht zu Verhandlungen in der Hauptsache gekommen sei, nennt Anwalt Biela-Bätje Gründe wie den Wechsel der Richter und das Ausstehen einer eingehenden Prüfung: „Wir halten es auch, angesichts von sechs Jahren, die die Klage schon anhängig ist, für dringend geboten, dass man jetzt mal in eine intensive Prüfung kommt. Zumal der Polizeipräsident auch sehr mauert, das heißt, er teilt dem Verwaltungsgericht gar nicht mit, was das für Kameras im einzelnen sind, welche Möglichkeiten dadurch und welche Reichweiten bestehen, wie dringend auch vom OVG geforderte Verschattungen und Verpixelungen tatsächlich technisch stattfinden. Da gibt es eigentlich mehr Fragen als Antworten vom Polizeipräsidenten, der sehr bewusst eigentlich Informationen auch für die Kammer zurückhält.“

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