Berlin | Anlässlich der zahlreichen Anti-Israel-Demonstrationen haben die Innenminister verschiedener Bundesländer ihre Entschlossenheit betont, keine Toleranz bei antisemitischen Ausschreitungen zu zeigen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, hat die jüngste Gewalt gegen Synagogen in Deutschland verurteilt. Am Kölner Heumarkt wurde eine Demonstration vorzeitig von der Versammlungsleitung vorzeitig beendet, weil zu viele Menschen kamen und der Platz zu klein war, die Kundgebung unter der Corona-Schutzverordnung durchzuführen. Mit der Demonstration in Köln begingen die Palästinenser den sogenannten „Nakba-Tag“.

Demonstrationen im Rahmen des „Nakba-Tag“ – auch in Köln

An der Kölner Demonstration sollen rund 800 Menschen teilgenommen haben. So konnte auf dem Kölner Heumarkt die Abstände nicht gewahrt werden, die die Corona-Schutzverordnung vorsieht. Die Menschen hatten die Fahne Palestinas dabei und forderten „Freiheit für Palästina“. Die Demonstration in Köln war im Rahmen des sogenannten „Nakba-Tag“ angemeldet worden. Anlass ist der alljährliche Nakba-Tag, den Palästinenserinnen und Palästinenser am 15. Mai begehen. „Nakba“ bedeutet Katastrophe und bezieht sich dabei auf die Flucht und Vertreibung von arabischen Menschen aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina bis zum Waffenstillstand von 1949 nach dem Palästinakrieg, den sechs arabische Staaten gegen den am 14. Mai 1948 gegründeten Staat Israel führten.

Im Vorfeld gab die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ein Statement ab:„Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht darf nicht für die Verbreitung von Judenhass missbraucht werden. Freie Meinungsäußerung umfasst weder Volksverhetzung noch die Verächtlichmachung von Jüdinnen und Juden. Ebenso sind Gewalttaten gegen jüdische Einrichtungen inakzeptabel und keine Form irgendeines Protests. Deutschland darf nicht zum Schauplatz gewalttätiger und antisemitischer Aktionen werden. Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen der angemeldeten Demonstrationen zum Nakba-Tag sich von jeglicher Form des Antisemitismus distanzieren und diesen bei ihren Kundgebungen unterbinden. Dazu gehört selbstverständlich auch, das Existenzrecht Israels nicht in Frage zu stellen oder den Staat Israel zu dämonisieren.“

Die Statements der Innenminister
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte der „Welt am Sonntag“: „Ich warne alle Randalierer, Chaoten und Straftäter: Die Bayerische Polizei wird ihre Präsenz in den nächsten Tagen bei Versammlungen mit Israel-Bezug deutlich erhöhen. Straftaten während der Versammlung werden nicht geduldet und konsequent verfolgt.“

Das gelte für antisemitische Beleidigungen ebenso wie für Verunglimpfungen staatlicher Symbole. „Die Bayerische Polizei wird sehr wachsam sein und konsequent einschreiten.“ Der Schutz jüdischer Einrichtungen in Bayern habe höchste Priorität.

„Die Bayerische Polizei bewertet ständig die Gefährdungslage jeder einzelnen jüdischen Einrichtung.“ Die polizeilichen Schutzmaßnahmen reichten von der Bestreifung der Objekte zu unregelmäßigen Zeiten bis hin zum Standposten durch Polizeibeamte. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) schließt sich dieser Position für sein Bundesland an.

„Läuft eine Demonstration Gesetzen zuwider, wird sie verboten oder aufgelöst, Straftaten werden hart und konsequent verfolgt. Vor dem Hintergrund der Ausschreitungen werden wir ein sehr scharfes Auge auf die Demonstrationen bei uns im Land richten“, sagte Strobl der „Welt am Sonntag“. „Wer die garantierte Meinungs- und Versammlungsfreiheit missbraucht, um antisemitische Parolen zu brüllen, israelische Flaggen zu verbrennen oder jüdische Einrichtungen anzugreifen, der begeht Straftaten, die mit aller rechtsstaatlichen Konsequenz verfolgt werden. Antisemitismus hat in Niedersachsen keinen Platz“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius der „Welt am Sonntag“. Der SPD-Politiker forderte außerdem, den Antisemitismus umfassender zu bekämpfen. „Wir müssen noch mehr in Prävention und Aufklärung investieren, und zwar bei allen Bürgerinnen und Bürgern, egal ob jung oder alt oder welcher Herkunft. Wir brauchen ein langfristiges und umfassendes Konzept, um den Antisemitismus nachhaltig und auf Dauer zu bekämpfen.“

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) lehnt ein generelles Demonstrationsverbot gegen pro-palästinensische Versammlungen ab. Der „Welt am Sonntag“ sagte Reul: „Das Demonstrations- und Versammlungsrecht genießt in Deutschland zu Recht einen besonderen Schutz durch das Grundgesetz.“ Wenn der Konflikt andauere, müsste NRW mit verstärkten Reaktionen rechnen. „Schon jetzt sehen wir eine hohe Emotionalisierung und Mobilisierung vor allem bei arabischstämmigen Jugendlichen, aber auch bei türkischen Rechtsextremisten. Dabei geht es allerdings nicht um Kritik an Israel. Die verbindende Klammer ist blanker Antisemitismus, den wir mit allen Mitteln des Rechtsstaats konsequent verfolgen“, sagte Reul der „Welt am Sonntag“.

Eine ähnliche Haltung nimmt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, ein: „Ein Verbot jeglicher Demonstrationen zum Thema Nahost käme der Unterstellung gleich, von solchen Versammlungen ginge stets Gefahr beziehungsweise Gewaltbereitschaft aus.“ Dieses Signal sei falsch. „Wenn aber solche Kundgebungen genutzt werden, um antisemitischen Hass zu verbreiten, so darf das nicht geduldet werden“, sagte Klein der „Welt am Sonntag“.

Zentralrat der Muslime verurteilt Gewalt gegen Juden

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, hat die jüngste Gewalt gegen Synagogen in Deutschland verurteilt. Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) schrieb er: „Wer unter dem Vorwand von Kritik an Israel Synagogen und Juden angreift, hat jedes Recht auf Solidarität verwirkt.“ Die „widerlichen Attacken auf unsere jüdischen Mitbürger“ in den letzten Tagen verurteile er entschieden.

„Wer Rassismus beklagt, selbst aber antisemitischen Hass verbreitet, verliert alle Glaubwürdigkeit und muss mit meinem entschiedenen Widerstand rechnen.“ Der hessische Landesgeschäftsführer des türkisch geprägten Moscheeverbandes DITIB, Onur Akdeniz, teilte der FAS mit, er beobachte „mit großer Besorgnis“ wie der palästinensisch-israelische Konflikt „missbraucht wird, um das emotionale Empfinden der muslimischen Gläubigen in Deutschland zu instrumentalisieren“. Wer die tragischen Geschehnisse missbrauche, habe sich „auf Abwege der prophetischen Tradition verirrt“.

Dass die „vermeintlichen Proteste“ in Düsseldorf, Münster, Bonn und Gelsenkirchen „antisemitische und demokratiefeindliche“ Züge angenommen hätten, sehe man mit „großem Entsetzen“. Akdeniz schrieb: „Jüdinnen und Juden in Deutschland, jüdische Symbole und Einrichtungen wie Synagogen werden zunehmend zur Zielscheibe von antisemitischen Hassübergriffen. Dies ist auf das Schärfste zu verurteilen.“

Das koranische Menschen- und Gottesbild verpflichte zur Achtung der Menschenwürde. Muslimische Gläubige seien wie die gesamte Gesellschaft aufgefordert, „Zeug en der Barmherzigkeit Gottes auf Erden zu sein und Frieden zu stiften“. Musliminnen und Muslime seien wie alle in dieser Gesellschaft „angehalten, sich von hasserfüllten Menschenansammlungen fernzuhalten“.

Autor: dts