Report-k.de: Für Journalisten der Kölner Medien „Radio Köln“, „center.tv“ und den „Express“ zahlte die Stadt Köln den China-Tripp. Ist so ein Vorgang überhaupt statthaft?

Dr. Frank Überall, Journalist und Politologe: Das kommt auf die Sichtweise an: In Ziffer 15 des deutschen Pressekodex heißt es wörtlich: „Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.“ Soweit ich das überblicken kann, ist ein solcher Hinweis in der Berichterstattung in den genannten Fällen nicht publiziert worden. Das ist nicht schön, aber kein dramatischer Fall: Denn in der Geschichte des Deutschen Presserats ist bisher nie eine Rüge wegen Verstoßes gegen Ziffer 15 erteilt worden. Aber es bleibt ein „Geschmäckle“.

„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, sagt der Volksmund. Können Journalisten, die zu einer solchen Reise eingeladen werden, überhaupt unabhängig berichten oder hat man da nicht automatisch die Schere im Kopf?

Auf jeden Fall gibt es die Gefahr – ob bewusst oder unbewusst – eine solche „Schere im Kopf“ zu haben. Man kann es durchaus unter „positivem Klüngel“ abbuchen, wenn Journalisten die Arbeitsbedingungen insofern erleichtert werden, dass ihnen beispielsweise Transportmittel zur Nutzung bereitgestellt werden. Gegen einen Bus-Shuttle-Service zu einer abgelegenen Veranstaltung hätte sicher niemand etwas. Bei so umfangreichen Programmen kann das aber schnell in „negativen Klüngel“ kippen. Ich gehe mal davon aus, dass die Reisen auch nicht komplett bezahlt wurden, sondern es für Essen etc. eine private, teilweise Kostenübernahme gegeben hat.

Ein besonderer Fall ist in diesem Zusammenhang gerade „Radio Köln“, denn hier hält die Stadt einen 25-prozentigen Anteil, ist sozusagen Miteigentümer des Mediums. Kann man bei einer solchen Konstellation journalistische Unabhängigkeit erwarten?

Das sollte in der Betreibergesellschaft des Senders offen diskutiert werden. Ich glaube nicht, dass die Journalisten bei Radio Köln diese Konstellation stets im Hinterkopf haben. Beim WDR wird ja auch nicht den Wünschen der politisch bestellten Rundfunkratsmitglieder nachgeeifert. Wichtig ist aber, dass es eine Klärungs-Instanz für Konfliktfälle gibt.

Für die Leser oder Hörer der eingeladenen Medien ist auf den ersten Blick nicht erkenntlich, ob die Journalisten selbst bezahlt haben oder nicht. Müssten die eingeladenen Medien Beiträge dieser Art, die durch die Finanzierung Dritter entstanden sind, nicht eigentlich – ähnlich wie dies bei Advertorials von Anzeigenkunden üblich ist – für den Rezipienten kennzeichnen?

Das ist eben eine Frage, wie man den Pressekodex auslegt. Ich bin klar der Ansicht, dass man so etwas kenntlich machen sollte, ja eigentlich kenntlich machen muss. Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist es keine Schande eingeladen zu werden, dann braucht man die Veröffentlichung dieser Information auch nicht zu scheuen. Oder es ist einem peinlich – dann wäre das natürlich keine gute Situation…

Als Experte für kölschen Klüngel, der diesen ja auch in positive und negative Formen kategorisiert hat, wie würden Sie diese bezahlten Pressereisen einordnen?

Machen wir uns doch nichts vor: Pressereisen sind üblich. Die Berichterstattung über Touristik, Autos oder Ähnliches wird regelmäßig von solchen Einladungen begleitet. Auch, weil gerade kleine Redaktionen aufwändige Recherchereisen kaum noch bezahlen wollen oder können. Aber die gesellschaftliche Wahrnehmung solcher Einladungen hat sich in den letzten Jahren verändert. Früher fand man auch nichts Negatives an der Einladung von Politikern in Aufsichtsräten kommunaler Gesellschaften. Jahrzehnte lang ging das gut, dann kam die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Ähnlich sieht es bei Reisen für niedergelassene Ärzte aus. Die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Klüngel ist immer eine Definitionssache, und die verändert sich mit der Zeit. Ich denke, noch sind solche Reisen als neutraler Klüngel zu sehen. Aber durchaus besteht die Gefahr des Abrutschens in den negativen Bereich.

Kennen Sie noch andere von staatlicher Seite bezahlte Pressereisen in der Republik oder anderen Städten oder ist Köln hier ein Einzelfall?

Köln ist sicher kein Einzelfall. Regierungen oder Unternehmen laden immer wieder Journalisten ein – die Bandbreite geht von tatsächlichen Informationsprogrammen bis hin zu Lustreisen, bei denen der Spaß im Vordergrund steht.

Nicht alle Kölner Medien wurden von der Stadt über die Reise informiert und eingeladen, diese zu begleiten, selbst wenn sie die Reise selbst bezahlt hätten. Stadtsprecher Gregor Timmer erklärt die Auswahl so: „Die Medien waren in Abstimmung zwischen Presseamt, Amt für Wirtschaftsförderung und Deutschem Pavillon ausgewählt worden. Vorrangiges Ziel war es, auf Grund der besonderen Beschaffenheit der Köln-Präsentation insbesondere Audio- und audiovisuellen Medien die Möglichkeit zur Berichterstattung vor Ort zu schaffen. Außerdem einer auflagenstarken, regionalen Tageszeitung.“ Nun mag dies gängige Praxis sein, aber ist eine solche Vorauswahl mit geltendem Recht, etwa dem Landesmediengesetz vereinbar und wie sehen Verbände wie der DJV diese Vorgehensweisen?

Gegenfrage: Warum wird so etwas nicht ausgeschrieben? Dann muss man die Kriterien öffentlich machen, Interessierte können sich bewerben und dann wird transparent entschieden. Transparenz ist der Schlüssel zum Abstreifen des negativen Klüngel-Vorwurfs! Wo hinter den Kulissen entschieden wird, muss man immer damit leben, dass man der Vetternwirtschaft bezichtigt wird.

Nicht müde wird die Kölner Politik in den letzten Wochen und gerade auch Oberbürgermeister Jürgen Roters über das städtische Haushaltsdefizit zu jammern. Auch wenn bei den großen Summen des städtischen Haushaltes die Reisen sicher ein kleiner Fisch sind, wie sehen Sie das ethisch-moralisch? Immerhin gehören alle drei Medien – zumindest in Anteilen – zum Medienkonzern Dumont Schauberg, dessen Verlegerfamilie erst jüngst vom Manager Magazin auf ein Vermögen von 500 Millionen Euro geschätzt wurde.

Ich möchte mich nicht zur wirtschaftlichen Situation einzelner Medienhäuser äußern. Mir geht es als Politikwissenschaftler eher um die gesellschaftliche Struktur: Die Stadt Köln erweist sich natürlich einen Bärendienst, wenn sie im sozialen Bereich Zuschüsse kürzt und an anderer Stelle intransparente Ausgaben tätigt. Wenige Tausend Euro können für einen kleinen, sozialen Verein schon Existenz bedrohend sein!

Herr Dr. Überall, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Dr. Frank Überall ist Politologe, Journalist und Autor. 2007 veröffentlichte Dr. Frank Überall im Bouvier Verlag „Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns“, in dem er sich unter anderem auch mit dem Verhältnis der Kölner Medien und der Politik auseinandersetzt. Als Journalist arbeitet Überall unter anderem für den WDR oder die Deutsche Presseagentur (dpa). Mehr zu Frank Überall: www.ueberall.tv

Das Interview führte Andi Goal für report-k.de/ Kölns Internetzeitung