Berlin | dts | Klimaschützer in Deutschland zeigen sich zunehmend frustriert von der aus ihrer Sicht zu geringen Wirkung ihrer Demonstrationen auf Politiker und planen eine Ausweitung ihrer Aktionsformen auf Blockaden von Häfen und Flughäfen, Sabotageakte oder Zerstörungen von Industrieanlagen und anderen Maschinen, die den Klimawandeln befördern.
„Aufstand der letzten Generation“
Die Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ stellte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Ultimatum, das an diesem Sonntag abläuft. Sollte Scholz bis dahin der Gruppe gegenüber nicht erläutern, wie er ihre Forderungen umsetzen wird, „sehen wir uns gezwungen, mit zivilem Widerstand für das Überleben aller einzustehen. Wir werden in diesem Fall anfällige Infrastruktur wie Häfen und Flughäfen als Ausdruck unseres unverändert fossilen Alltags in diesem Land stören“ und „zum Innehalten bringen“, schreibt die Gruppe in einer Mitteilung. Einer der Mitgründer der Braunkohlegegner von „Ende Gelände“, Tadzio Müller, hält es für „möglich“, dass sich eine „grüne RAF“ bildet. Er selbst plädierte gegenüber der FAS für die Anwendung „friedlicher Sabotage“.
„Ende Gelände“
Gemeint ist unter anderem das Zerstören von Industrieanlagen. Müller spricht von „Notwehr“ oder „Klima-Notstandsrecht“, die das rechtfertige. „Wir stehen vor einer Krise, die die Überlebensfähigkeit der Spezies auf dem Planeten infrage stellt. Das würde ein fast ins Absolute reichende Widerstandsrecht begründen“, sagt Müller. Die Sprecherin von „Ende Gelände“, Elia Nejem, erklärte gegenüber der FAS, dass ihre Mitstreiter diskutierten, „ihre Aktionsformen zu erweitern“. Nejem sagt, sie finde es „wichtig und notwendig, dass wir überlegen, wie wir selbständig klimaneutraler werden können und den Profitinteressen von Konzernen etwas entgegensetzen“.
„Fridays for Future“
Mit „selbständig“ meint Nejem, eigenmächtig Anlagen, die den Klimawandel befördern, außer Betrieb zu setzen und so ihre Wirkung zu neutralisieren. Auch bei Fridays for Future deutet sich ein Stimmungswechsel an. „Unsere Bewegung hat lange davon gelebt, klassische Proteste zu machen. Wir haben dieses Repertoire durchgespielt und sind trotzdem meilenweit von unseren Zielen entfernt“, sagte Carla Reemtsma, die Sprecherin der Bewegung, der FAS. „Die logische Konsequenz ist, dass Leute sich fragen, was sie noch tun sollen. Sie werden verschiedenste Mittel ausprobieren. Wir werden deshalb eine Verbreiterung der Protestformen erleben wie bei der ‚Letzten Generation‘“.
Vertreter der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ traten während der Bundestagswahlkampfes in den Hungerstreik, um ein Gespräch mit Olaf Scholz zu erzwingen, und blockierten zuletzt mehrfach die Autobahn 100 in Berlin. Der Bewegungsforscher Dieter Rucht ist der Meinung, dass radikale Klimaschützer den gemäßigten einen Verhandlungsvorteil verschaffen können, weil diese, im Kontrast zu ihnen, für die Regierung annehmbarer erscheinen. „Die Existenz eines radikalen Flügels kann die Verhandlungsposition der Moderaten stärken“, sagte Rucht der FAS.
CDU fordert härtere Maßnahmen gegen Autobahn-Blockierer
Die Berliner CDU will härter gegen Klima-Aktivisten vorgehen, die Autobahnen blockieren. Kai Wegner, Vorsitzender der Berliner CDU-Fraktion, fordert in einem Positionspapier, über das die „Bild am Sonntag“ berichtet, konsequente Maßnahmen wie Schnellverfahren durch eine Sonderstaatsanwaltschaft, einen längeren Unterbindungsgewahrsam von bis zu 14 Tagen sowie höhere Polizeipräsenz, die ein präventives Einschreiten vor Ort möglich macht. Die Blockierer sollen zudem die Kosten für die durch sie verursachten Einsätze übernehmen.
Wegner sagte der „Bild am Sonntag“: „Der rechtswidrige Blockade-Spuk muss ein Ende haben. Der Rechtsstaat darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen. Es handelt sich hier nicht um Dumme-Jungen-Streiche, sondern um klare Straftaten. Unsere Gesellschaft darf sich nicht erpressen lassen.“ Rot-Grün-Rot in Berlin müsse mit aller Konsequenz gegen die Blockierer vorgehen.