Köln | In diesem Jahr stand die Energiearmut im Mittelpunkt der Aktionswoche der deutschen Schuldnerberatungsstellen vom 23. bis 27. Juni 2014, an dem sich auch die Kölner Wohlfahrtsverbände beteiligten. Laut der Kölner Liga der Kölner Wohfahrtsverbände haben rund 40 Prozenten derer, die eine der Kölner Schuldnerberatungsstellen aufsuchen, Strom- und Energieschulden. Diese Problematik betreffe nicht nur ALG-II-Empfänger sondern vermehrt auch Senioren und Menschen mit geringem Einkommen, so die Feststellung der Liga.

Laut Angaben der Kölner Liga der Wohlfahrtsverbände wurde im Jahr 2013  bei rund  10.000 Kölner Haushalte der Strom abgestellt, weil die Bewohner ihre Energieschulden nicht begleichen konnten. Angesichts steigender Kosten für Strom und Heizung gerieten neben Arbeitslosen und Beziehern von Sozialleistungen auch immer häufiger Geringverdiener und Rentner an die Grenze ihrer materiellen Leistungsfähigkeit, so die Kölner Wohfahrtsverbände. Von den rund 80 Fällen, die eine Schuldnerberaterin im Jahr bearbeite, seien rund 40 Prozent mit Energieschulden verbunden, so Karolin Balzar, Leiterin der Wohnungslosenhilfe des Sozialdiensts Katholischer Frauen (SKF).

„Regelsatz für Energie zu niedrig bemessen“

Bei Hartz-IV-Beziehern sehen die Wohlfahrtsverbände das Problem darin, dass der Regelsatz von 391 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt mit 32,68 Euro für Wohnen, Energie und Wohninstandhaltung zu wenig vorsehe. Meist lägen die Abschlagszahlungen für Energie deutlich darüber, das fehlende Geld werde dann aus anderen Posten abgezogen, teilweise würden die Energiekosten mit dem Kindergeld bezahlt.

Im Falle einer Klientin, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern (2 und 8 Jahre alt) und Aufstockerin nach ALG-II, betrage der Anteil für Energiekosten, der vom Jobcenter bezahlt werde, 47,20 Euro, so Sabine Brüsting und Mechthild Bläsius, beide Tätig für Schuldnerberatungen der Caritas.  Die monatliche Abschlagszahlung für den Haushalt aber betrage 68 Euro im Monat. Hinzu käme, dass die junge Frau 267 Euro Stromkosten aus dem Vorjahr nachzahlen habe müssen. Um ihre Energieschulden bedienen zu können, sei ihr daraufhin ein Darlehen vom Jobcenter eingeräumt worden, allerdings würden 25 Euro aus dem Regelsatz zur Tilgung des Darlehens vom Jobcenter einbehalten. Dieses Geld müsse die junge Frau nun an anderer Stelle einsparen.

Zunehmend Senioren betroffen

Aber auch zunehmend Senioren sind laut der Wohlfahrtsverbände von der sogenannten Energiearmut betroffen. Ihre Beratungsstelle sei auf den Fall eines Senioren aufmerksam gemacht worden, so Claudia Lautner von der Schuldnerberatung der Diakonie für Köln und Region, der über Monate hinweg ohne Strom und Heizung gelebt habe. Der Mann habe seinen Ruhestand aus privaten Mitteln bestritten, so Lautner. Diese seien irgendwann aufgebraucht gewesen. Als ihre Stelle den Kontakt zu dem Rentner aufgenommen habe, verfügte dieser weder über eine Krankenversicherung noch über Strom oder Gas. Um den Weg zu seinem fensterlosen Badezimmer zu finden, habe dort Tag und Nacht eine Kerze gebrannt.

Vor allem bei älteren Menschen liege die Hemmschwelle sehr hoch, Hilfe durch Beratungsstellen anzufordern, so die Vertreter der Liga. Aus Scham würden viele so lange versuchen, ohne Hilfe von Außen alleine mit der Situation klar zu kommen, bis das letzte Geld aufgebraucht,  Konten bis zum Limit überzogen seien.

Strom- und Energieschulden könnten so eine Verschuldungsspirale in Gang setzen, aus der den Betroffenen kein Ausweg bleibe, so die Liga. Könnten die Haushalte die Forderungen der Energieunternehmen nicht mehr bedienen, stehe am Ende eine Stromsperre. Im Falle einer 64-jährigen Frau, die auf Grundsicherung angewiesen sei, hätte der Anteil für Abschlagszahlungen und Tilgung von Altschulden für die Energie annähernd die Hälfte ihrer Bezüge ausgemacht, so Sabine Brüsting. Zu der finanziell prekären Lage ihrer Klientel käme oft die Tatsache hinzu, dass sie oftmals veraltete Geräte verwendeten, die einen hohen Stromverbrauch hätten. Auch seien bewohnten Räumlichkeiten schlecht isoliert, teilweise mit einfach verglasten Fensterscheiben ausgestattet oder zum Teil noch mit Kohle beheizt, so Balzar. Diese Umstände trieben dann die Veschuldungsspirale zusätzlich an.

Pilotprojekt: Stromdrosselung statt Stromsperre

Eine Stromsperre sei eine massive Einschränkung des Alltags, so die Kölner Wohlfahrtsverbände und könne spezielle bei Kindern sowie kranken oder älteren Menschen zu einer existentiellen Gefährdung werden. Die Sperrung eines Stromzählers sowie die Entsperrung sind kostenpflichtig und schlagen im Falle der Rheinenergie aktuell mit 44,90 Euro bzw. 59,90 Euro zu Buche. Dies stellt laut Wohlfahrtsverbänden eine zusätzliche Belastung für die Schuldner da.

In Köln sind in den vergangenen Jahren verschiedene Ansätze erprobt und umgesetzt worden, um Stromsperren zu verhindern. So etwa bei einem Pilotprojekt der Caritas in Köln-Meschenich, an dem sich der regionale Energielieferant Rheinenergie beteiligt.

Hierbei soll bei säumigen Haushalten die sofortige Stromsperre ersetzt werden durch eine Phase, in der der betroffene Haushalt eine gedrosselte Strommenge erhält, um eine gewisse Grundversorgung mit Strom etwa für den Betrieb eines Kühlschranks  oder die Nutzung einer Herdplatte oder einer Kaffemaschine – nicht jedoch mehrere Geräte gleichzeitig – zu gewährleisten. Gleichzeitig müsse dann jedoch eine Lösung zur Begleichung der Schulden seitens des Schuldners innerhalb einer bestimmten Frist gefunden werden, so eine Caritas-Vertreterin.

Möglich macht diese Strombegrenzung der Einsatz von elektronisch drosselbaren Stromzählern. Rund 600 solcher Zähler, so ein Sprecher der Rheinenergie, seien in Meschenich verbaut, jedoch nur ein Bruchteil dieser Geräte sei momentan tatsächlich gedrosselt.  

Wohlfahrtsverbände formulieren Forderungen

Auf Bundesebene fordern die deutschen Wohlfahrtsverbände eine Anpassung der Transferleistungen an die steigenden Energiepreise um eine Verschuldung oder gar Überschuldung von Privathaushalten zu vermeiden. Nur so lasse sich längerfristig eine Verschuldung aufgrund von Energiekosten vermeiden. Ebenfalls fordern sie die Einführung von Sondertarifen etwa durch eine Senkung der Energiesteuern zur Vermeidung von sogenannter Energiearmut. Vorstellbar wäre dabei auch ein Sockeltarif, um eine Grundversorgung mit Strom sicherzustellen.

Autor: Daniel Deininger
Foto: Symbolfoto