Das Chaos am 11.11. sorgt noch immer für Kopfzerbrechen bei den betroffenen Wirten. Foto: Krücken

Köln | Mehr als eine Woche danach herrscht weiter Fassungslosigkeit über den 11.11. im Kwartier Latäng. Wie will man bis Weiberfastnacht das Chaos der feiernden Massen vor Ort in den Griff bekommen?

Darüber zerbrechen sich vor allem die betroffenen Gastronomen die Köpfe. Sie sind enttäuscht vom horrenden Missmanagement der Stadt Köln am Sessionsauftakt. Und der Ton wird zunehmend rauer, die Vorwürfe lauter!

Köln hat Glück gehabt, dass es noch keine Katastrophe gab

Aus einem Posting der IG Kölner Gastro auf Facebook (19.11)

Doch der Reihe nach: Mit einem offenen Brief wenden sich die Betreiber dreier namhafter Lokale nun an Henriette Reker – und distanzieren sich dabei von ihrem Kollegen Markus Vogt, der sich zuvor mit Unterstützung von Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz sowie weiteren Bürgervereinen verschiedener Innenstadtviertel ebenfalls per offenem Brief an die OB gewandt hatte.

Das gemeinsame Schreiben von Claudia Wecker („Das Ding“), Maureen Wolf („Oma Kleinmann“), und Julia Pitz („Venus Celler“) spiegelt ihr Dilemma und große Sorge derzeit wider.

Maureen Wolf (Zweite von r.) in ihrem Lokal „Bei Oma Kleinmann“

Hier der O-Ton in Auszügen:

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist nicht lange hin, bis Karneval 2023 und der nächste 11.11. wird ein Samstag sein. Bis dahin müssen unserer Meinung nach alle, wirklich alle, Vorschläge zur Verbesserung der Situation für alle Menschen im Kwartier Latäng auf den Tisch und gemeinsam Lösungen eruiert werden. (…)

Wir brauchen dringend Lösungen, die sich nicht auf Ansätze, wie mehr Toiletten, mehr Ein- und Ausgänge, mehr Polizei, oder Zäune usw. beschränken. Das Kwartier Latäng ist der „Place To Be“ für junge Leute. Hierzu gehören auch in großem Maße Minderjährige. Dies sollte man im ringen um Lösungen nicht vergessen, sondern eher auch den Fokus darauf legen, wie man die Jugend besser schützen kann. Von Ballermann Sauf Touristen zu sprechen, ist ein Wording, dass uns im Bezug auf Kinder und Jugendliche doch wenig angemessen erscheint. Das mag uns allen nicht gefallen, dass die Jugend von heute ganz andere Vorstellungen vom feiern hat als wir. Dennoch muss man dies auch ein Stück weit als Problem akzeptieren, um dieses Problem auch nur in die Nähe einer Lösbarkeit zu rücken.

Dass das Kwartier Latäng dringend entlastet werden muss, dass weniger Menschen auf die Zülpicher und die Nebenstraßen gelassen werden müssen, da sind wir uns wohl alle einig. Unterschiedliche Auffassungen herrschen darüber, wie dieses Ziel am besten zu erreichen ist. Viele sind für die Lösung, ein dezentralisiertes Angebot zu schaffen. Was sich gut anhört birgt aber einige Probleme. Dazu muss ein Ort oder mehrere gefunden werden, an dem eine solche Veranstaltung durchführbar wäre. Dazu kommt weder der Rudolfplatz, noch der Friesenplatz in Frage. Dort einen Veranstalter zu finden ist schwer, denn die Auflagen und Kosten sind hoch. Polizei und Feuerwehr haben große Bedenken, ob dort ein vernünftiger Schutz machbar und genug Einsatzkräfte vakant sind. Klar ist, dass die Stadt Köln einen Veranstalter für jedwede Veranstaltung braucht, da die Verwaltung weder die Organisation, noch die Durchführung, noch die Kosten stemmen kann.

Fraglich ist auch, ob eine dezentralisierte, organisierte Veranstaltung überhaupt angenommen würde. Uns erscheint die Idee ein wenig so, als würde man einem FC Fan vor dem Stadion sagen, er solle ein paar Straßen weiter gehen, dort fände ein Volleyball Turnier statt. Wir haben große Bedenken, wenn allein auf eine dezentralisierende Lösung gesetzt wird. Was ist, wenn diese nicht funktioniert und niemand auf einen großen Ansturm auf die Zülpicher gut vorbereitet ist? Wir würden eher eine Lösung präferieren, die vor den Toren des Kwartier Latängs stattfindetund die gut zu steuern und zu regulieren ist.

Klar ist: Eine solche Veranstaltung darf nicht umsonst sein, sondern muss zumindest ein kleines Eintrittsentgeld beinhalten. Dazu muss am Einlass nach Minderjährig und Volljährig sortiert werden und das Mitbringen von Alkohol und Glas untersagt werden. Man sollte einen abgesperrten Bereich (Area) nur für Minderjährige zur Verfügung stellen. Hier gibt es keinen harten Alkohol! (…)

Die Kölner OB Henriette Reker, Foto: Bopp

„Brandbrief“ der IG Kölner Gastro gegen die Stadt Köln

Samstag Morgen dann legte die einflussreiche IG Gastro nach. In Form eines Postings in den sozialen Netzwerken. Die Initiatoren unterstützen darin das Schreiben der drei Wirtinnen ausdrücklich, fordern zukünftig ebenso vehement die Einbeziehung von Veranstaltungsprofis. Und sie legen den Finger mit einem emotionalen Statement ganz tief und vorwurfsvoll in die jecken Wunden:

Uns allen war klar, dass das überhaupt keine gute Idee ist, zehntausende Menschen zu einem Eingang zu schicken und keine Ausweichprogramme als Alternative anzubieten. Es einte uns alle, dass das nicht klappen kann. Darauf aber wurde nicht gehört und es kam wie es kommen musste, zu lebensbedrohlichen und sehr unschönen Szenen.

Videos auf Twitter lassen jeden Veranstalter und jede Veranstalterin erzittern, es hätten in einigen Situationen Menschen nur stolpern müssen und Hunderte wären drüber gerannt. Die Folgen wären nicht nur für die betroffenen jungen Menschen fatal gewesen, auch diese Stadt hätte sich nicht davon erholt, es hätte Nachwehen gegeben wie die Silvesternacht und auf viele Jahre wäre das unbeschwerte Lebensgefühl der Jecken Tage verloren gegangen. Die Stadt Köln hat das alles in Kauf genommen, gepokert, mit Verletzungen und Menschenleben gespielt. (…)

Die Verfasser kritisieren vor allem den Kontrollverlust der Sicherheitsdienste.

Zwei 19jährige, die morgens 10 Minuten Schulung und ne Warnweste bekommen, können keinen Straßenzug gegen hunderte Betrunkene verteidigen. Das ist wie wenn sich der Vatikan militärisch mit den USA anlegt.„, heißt es und schließlich: „Köln hat Glück gehabt, dass es noch keine Katastrophe gab. Ausschließlich Glück. Wie lange möchten wir diese Glück noch herausfordern? Packen wir es an, es ist unsere Stadt, es ist unser Karneval.