Köln | Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zum Dieselfahrverbot für die gesamte Kölner Umweltzone ab April 2019 für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro IV und ab September Euro V lässt alle politischen Akteure ganz gleich ob Politik oder Interessenvertreter blass aussehen. Denn es zeigt wie phlegmatisch sich die politisch Verantwortlichen im Ping Pong Spiel gefallen, anstatt für ihren Bereich konsequent zu handeln. Die im Bund müssen die Autolobby in den Griff bekommen und die in Köln lokal radikal handeln. Anders wird es nicht gelingen. Ein Kommentar von Andi Goral.

Das ist ja der Gipfel

„Gipfel“ ist die höchste Spitze eines Berges, blickt man auf die reine Definition. „Diesel-Gipfel“ nannte die Politik die Treffen in Berlin, in denen es eigentlich um nichts weniger ging als den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Es gab gleich mehrere dieser so titulierten Gipfel und die Verantwortungsträger scheinen auf unterschiedlichen kleinen Hügeln gestanden zu haben, die sie vor dem Eindringen des jeweils anderen schützten. Die Autolobby auf dem einen, die Kommunen auf dem anderen, die Landesregierungen auf ihrem eigenen und die Bundesregierung hatte auch einen. Immerhin stellte die Bundesregierung Geld in Aussicht. Das Hügeltreffen von Berlin war 2016. Jeder forderte von seinem Hügel herab, den anderen auf zu Handeln, sich zu bewegen. Tat aber keiner, alle blieben auf ihrem Hügel stehen und zeigten mit ausgestrecktem Finger auf den Anderen.
Auch die Kölner Oberbürgermeisterin, die sich damals unzufrieden äußerte und die zugesagten Bundesmittel zur Luftverbesserung als mittel- und langfristige Lösung sah und gleichzeitig forderte: „Wir brauchen aber kurzfristige Lösungen.“ Ausgerechnet heute, am Tag des Urteils des Verwaltungsgerichts zum Dieselfahrverbot in Köln kommt die Meldung, dass die Kommunen die bereitgestellten Mittel der Bundesregierung aus dem Förderprogramm „Saubere Luft“ nicht abrufen. Der Städtetag schiebt den schwarzen Peter noch am gleichen Tag zurück und erklärt, das Verfahren zur Beantragung der Mittel sei für die Kommunen zu kompliziert.

Trickserei

In Berlin gibt es ein neues Treffen zwischen den Vertretern der Diesel-Autofürsten und Bundesverkehrsminister Scheuer. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag kommentiert: „Das Ergebnis von heute ist Augenwischerei. In Wahrheit bedeutet der Kompromiss: Das Tricksen geht ungeniert weiter. Minister Scheuer und die Konzernbosse wollen den betrogenen Dieselbesitzern Neuwagen andrehen und verweigern ihnen die Nachrüstung um weitere Jahre. Damit sind viele weitere Fahrverbote in Städten mit dreckiger Luft vorprogrammiert. Dieses Vorgehen ist ein weiteres grobes Foul gegenüber den Autobesitzern und den Menschen in unseren Städten. Dreist ist die Behauptung, dass es noch keine Nachrüstungspakete gibt. Längst hätte das Kraftfahrtbundesamt die bereits schon entwickelten Nachrüstungspakete unter die Lupe nehmen und zulassen können.“

Seit 2016 beschrieb die Stadt Köln, deren Oberbürgermeisterin zwei Jahre lang keine kurzfristigen Lösungen anbot, Papier und den neuen Luftreinhalteplan, der jetzt bei der Bezirksregierung lagert. Jetzt wird es die geben, die erklären, dass aber hier und da eine Radfahrspur eingerichtet, die Entscheidung mehr Busse einzusetzen getroffen worden sei und es ja das tolle Konzept „Köln mobil 2025“ und so weiter, gebe. Den Menschen am Clevischen Ring hilft das nicht. Die neu zu beschaffenden KVB-Busse werden im Stau stehen und dieseln aktuell statt knapp über 50 Liter pro 100 Kilometer pro Leerfahrt jetzt nur noch 49 Liter in die Kölner Umweltzone. Woher die Busfahrer kommen sollen ist die nächste Frage.

Wer auf dem Gipfel steht, hat meistens ein tolles Panorama und gewinnt an Über- und manchmal auch Weitblick. Dies ist bei der Luftreinhaltung mitnichten der Fall. Es braucht Haltung und Entscheidungsfreude auch für unpopuläre Entscheidungen, die kurzfristig wirken und die auch eine OB Reker und der Stadtrat umsetzen können. Auch radikale Lösungen, wie eine Busspur mit absolutem Vorrang für den ÖPNV. Aber nicht eine, die irgendwo kurz beginnt und wenig weiter wieder endet. Sondern die gesamte Strecke. Dann wird der Bus attraktiv und der PKW unattraktiv. Solche Maßnahmen sind an einigen Stellen in Köln sehr schnell und einfach umzusetzen. Man muss es nur wollen, in den Rat einbringen, beschließen, umsetzen. Aber wie soll das im Moment klappen: Im Stadtrat regieren derzeit CDU und Grüne mit Duldung der FDP, Teile des Rekerbündnisses. Die CDU will die Berufung gegen das Urteil, die das Land jetzt umsetzen wird und damit Zeit gewinnen. Die Grünen sehen Land und Bund in der Pflicht.

Das „arme“ Handwerk

Und die Interessenvertreter von IHK und HWK? Die erzählen seit acht Jahren, wie alt und marode die Dieselflotte der Mitgliedsunternehmen sei und wie schlecht es ihren Mitgliedsunternehmen gehe und die Flotte nicht erneuert werden könne. Und das in einer Zeit in der Kölner dank des Baubooms wochenlang auf einen Handwerker warten müssen und die Preise ins Exorbitante steigen. Wenn nicht jetzt, wann dann kann sich der Handwerker denn ein neues Fahrzeug leisten? Dabei scheint den Lobbyisten ihre eigene Argumentation selbst nicht mehr ganz geheuer, daher spricht man in den neuesten Stellungnahmen schon davon, dass die Autoindustrie so viele Fahrzeuge gar nicht liefern kann. Und es kommt immer die gleiche Forderung: Ausnahmegenehmigung für alte Dieselstinker von Handwerk und Co.. Aber wie wäre es, wenn die Lobbyvertreter ihren Mitgliedsunternehmen zu E-Mobilität in Köln raten und die Stadtspitze auffordern, für entsprechende Ladesäulen zu sorgen? Vorrang für Handwerker und Lieferfahrzeuge, die elektrisch betrieben werden beim Parken?

Es ist das Phlegma und das Beharren auf dem Alten, dass sich besonders in der Diesel-Debatte zeigt. Auf einem echten Gipfel der Erkenntnis ist bislang keiner der Akteure gestanden. Aber vielleicht vernebelten ja die Dieselabgase die Sicht auf den Durchblick. Umso besser, dass das Gericht für eine frische Brise sorgte. Es ist Zeit für jeden der Akteure zu Handeln.

Autor: Andi Goral
Foto: Wenn es unten raucht, behält man auch vom Gipfel aus den Überblick nicht.