Köln | KOMMENTAR | „Es gibt Menschen, denen ist ein Grashalm wichtiger als ein Menschenleben“, so argumentiert Manche in bester Schwarz-Weiß Manier in der Kölner Kommunalpolitik oder aus der Stadtgesellschaft, wenn es um die Nutzung des Inneren Grüngürtels für die zwei gigantischen Karnevalsparties am Elften im Elften und an Weiberfastnacht geht. Jetzt gibt es eine Entscheidung des Hauptausschusses. 23 Tage bevor die Jeckinnen und Jecken auf die Abdeckung der Uniwiese stürmen duckt sich die Kommunalpolitik weg und das Ratsbündnis zeigt sich gespalten. Um ab Karnevalsfreitag oder spätestens Aschermittwoch wieder die Klage anzustimmen, deren Urheber sie selbst ist. Ein Kommentar von Andi Goral
An der Entscheidung des Kölner Hauptausschusses ist nach der Vorlage der Stadtverwaltung vor allem ein Satz für eine eingehendere Analyse interessant: „Er hält jedoch die Nutzung der Uniwiesen als Ausweichfläche für die Feiernden aus dem sogenannten „Kwartier Latäng“ zum Straßenkarneval 2024 im Zeitraum vom 08.02.2024 (Weiberfastnacht) bis 12.02.2024 (Rosenmontag) aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses für erforderlich.“ Mit „Er“ ist der Hauptausschuss gemeint. Diese Entscheidung trafen vor allem CDU und SPD und alle anderen stimmberechtigten Mitglieder. Nur Grüne und Die Fraktion stimmten dagegen.* Das Ratsbündnis bilden Grüne, CDU und Volt. Unterschiedlicher konnte das Ratsbündnis nicht abstimmen. Und die Frage steht im Raum: Wer führt das Ratsbündnis, wenn es um Kernfragen geht? Die stärkste Fraktion, die Grünen? Eine Frage, die sich auch für die Verwaltung stellt: Die Grünen haben der CDU bei der Besetzung der Stadtdirektorin den Vorrang gelassen. Dafür haben sie das Umweltressort besetzt. Aktuell setzt sich die Stadtdirektorin durch.
Die Kommunalpolitik knickt vor der Verwaltung ein, weil die Kölner Kommunalpolitikerinnen und -politiker nicht die Verantwortung übernehmen wollen, sollte bei den Feierlichkeiten etwas aus dem Ruder laufen. Denn die Verwaltung malt ein düsteres Szenario an die Wand und geht all in: die Gefahr für Leib und Leben, wenn nicht die Platten auf der Uniwiese liegen und die Jeckinnen und Jecken dorthin umgeleitet werden können. Die Platten auf die Uniwiese zu legen, ist der einfachste Weg für die Kölner Stadtverwaltung sich des Problems feiernde Masse Mensch an Weiberfastnacht zu entledigen. Denn Grashalme werden sich nicht beschweren.
Wer definiert eigentlich „überwiegend öffentliches Interesse“ und für wen? Das ist die eigentlich spannende Frage. Kölner Kommunalpolitiker und auch die Kölner Verwaltung sind für die Kölnerinnen und Kölner da. Denn diese wählen sie direkt oder indirekt, auch die Dezernentinnen und Dezernenten über Parteien. Folgt man diesem Gedankengang, dann müssten Kölner Kommunalpolitikerinnen und -politiker das überwiegend öffentliche Interesse der Kölnerinnen und Kölner verfolgen. Aber tun sie das konkret im Fall des Inneren Grüngürtel?
Die Nutzung des Inneren Grüngürtel
Eine hypothetische Rechnung: Der Innere Grüngürtel wird von Kölnerinnen und Kölnern vor allem zur Erholung genutzt. Zieht man die beiden Hauptfeiertage am Elften im Elften und an Weiberfastnacht ab, dann gilt die Erholungs- und nicht Partynutzung an 363 Tagen im Jahr.
Nehmen wir an, am Elften im Elften und an Weiberfastnacht kamen zusammengerechnet 50.000 Menschen auf die Uniwiese, deren Kapazität die Stadt selbst mit 25.000 angibt. Das sind ja nicht nur Kölnerinnen und Kölner, sondern auch Menschen aus der Region oder aus ganz Deutschland. Zahlen, die die Stadtverwaltung aber nicht vorlegen kann. Natürlich liegt auch der Tourismus im Interesse der Stadt Köln und der Kölner Wirtschaft nebst Gastroszene. Das Interesse dieser 50.000 ist klar: Party, Party und noch mehr Party. Alles andere ist egal: Umwelt, Müll oder Grashalme.
Nimmt man die Zahl 50.000 Partypeople und teilt diese durch 363 Tage, dann erhält man rechnerisch und gerundet die interessante Zahl 138.
Annahme: Wenn nur 138 Kölnerinnen und Kölner den Inneren Grüngürtel an den 363 Tagen jeweils für Ihre Erholung nutzen, dann wäre dies die gleiche Anzahl Menschen wie die der Partypeople. Wir gehen davon aus, dass weit mehr als 138 Kölnerinnen und Kölner jeweils an den 363 Tagen den Inneren Grüngürtel für Ihre Erholung nutzen, vor allem über das Jahr zusammengezählt. Was ist mit deren überwiegendem Interesse einen intakten Grüngürtel vorzufinden? Und wie definiert Kölner Stadtverwaltung vor diesem Hintergrund „überwiegend öffentliches Interesse“? So schön populistisch das mit dem Grashalm ist, verkennt hier nicht Politik und Stadtverwaltung wessen Interessen sie wahrnehmen muss? Es sind nicht die Grashalm-Interessen, sondern die der Kölnerinnen und Kölner. Und Stadtverwaltung und Kölner Kommunalpolitik sind gleich welcher politischen Farbe in der Pflicht zu erklären wie sie „überwiegend öffentliches Interesse“ definieren und dann entsprechend handeln.
Es ist davon auszugehen, dass ab Karnevalsfreitag oder spätestens Aschermittwoch, wenn der letzte Rollmops gegessen ist und Ernüchterung sich breit macht, wieder eine Debatte gegen die Vermüllung des Inneren Grüngürtels und des rauschhaften Festes Straßenkarneval einsetzen wird. Es ist zweitens davon auszugehen, dass kurz vor der dann anstehenden Session, die eingeläutet werden soll, die Gefahrenabwehr über den Naturschutz im Inneren Grüngürtel gestellt werden wird. Denn der abgeknickte Grashalm schreit nicht Aua.
Es grüßt der Lappenclown zweimal im Jahr in Köln, wie das Murmeltier am Groundhog Day in der Kleinstadt Punxsutawney in Pennsylvania.
Die Entscheidung im Hauptausschuss
*Hinweis der Redaktion: Aufgrund eines Übermittlungsfehlers wurde in dem Artikel das Abstimmungsergebnis des Hauptausschusses nicht korrekt wiedergegeben und behauptet, dass Volt und die Linke sich enthalten hätten. Dies entspricht nicht der Abstimmung und wurde entsprechend korrigiert.