Berlin | Ein sogenannter „Konvent für Deutschland“ hat die etablierten Parteien in Deutschland und die Führung der CDU durch Angela Merkel heftig kritisiert. In einem Appell zur „Revitalisierung der politischen Parteien“, den unter anderem der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwochsausgabe) veröffentlichte, werden die Ergebnisse der Landtagswahlen vom 13. März als „Quittung für das kollektive Versagen der arrivierten Parteien“ bezeichnet. Sie gehorchten seit Jahren einer „Sachzwang-Logik“, die sich in der Euro-Krise, aber auch in der Flüchtlingspolitik in angeblicher „Alternativlosigkeit“ geäußert habe und „immer mehr Wählerinnen und Wähler in die Ablehnung unserer Parteiendemokratie getrieben“ habe.

Der „Antiparteien-Populismus“, der den Aufstieg der AfD begleite, so heißt es in dem Appell in der FAZ weiter, sei dem Versagen des „Altparteien-Establishments“ geschuldet. „Populismus ist kein Stigma, sondern eine Reaktion auf die Negierung von Problemen durch die herrschende Politik“, heißt es in dem Text. Neuen Konkurrenzparteien würden die Wähler nicht dadurch streitig gemacht, dass man sie als populistisch und rassistisch ausgrenze.

„Wenn Parteien ihre seismographische Aufmerksamkeit verloren haben, weil sie nicht mehr in den unterschiedlichen Milieus unserer Gesellschaft verankert sind, dann werden sie irgendwann – und zwar gewaltig – vom Wähler abgestraft.“ Es sei „parteiübergreifende Schönfärberei“, wenn es nach den Landtagswahlen geheißen habe, dass doch die Parteien, die für die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin eingetreten seien, fast 80 Prozent der Stimmen erhalten hätten. Die Parteien müssten zu ihrer Wiederbelebung „auch dort präsent sein, wo der Parteienverdruss, die kollektive Wahlverweigerung wohnt“.

Wenn Parteien stattdessen ganze Stadtviertel als irrelevant für ihre Meinungsbildung einstuften, weil dort für sie nichts zu holen sei, dann würden sie eine „demokratieschädliche Exklusion von immer größeren Teilen der Bevölkerung“ betreiben. So entstünden Zonen, „in denen das Potential für soziale und politische Radikalisierung wächst“. Volksparteien lebten nicht nur „von einer One-Man- oder One-Woman-Show“, heißt es in dem Appell.

„Nur Parteien, die ihre programmatische Bandbreite auch mit einem entsprechenden Personalangebot unterfüttern, sind auf Dauer erfolgreich.“ Unterzeichner des Appells sind neben Herzog die ehemalige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD), der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Erwin Teufel (CDU), der ehmalige baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU), der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans Hugo Klein, die ehemalige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die Grünen-Politikerin Christine Scheel, der FDP-Politiker Karl-Heinz Paqué, der RWE-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider sowie der Staatsrechtler Rupert Scholz. Der „Konvent für Deutschland“ besteht seit 2003 und versteht sich als unabhängiges und überparteiliches Beratungsgremium. Mitglieder sind Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft.

Autor: dts