Köln | Traditionsgemäß hatte der DGB Köln zur 1.-Mai-Kundgebung auf den Heumarkt gerufen. Hauptredner waren in diesem Jahr NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und DGB-Landesvorsitzender Andreas Meyer-Lauber. Rund 5.000 Menschen hatten sich trotz Dauerregens eingefunden, etwa 2.000 weniger als voriges Jahr bei gutem Wetter.

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Die Rede von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf der 1. Mai Demonstration am Kölner Heumarkt

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Die Rede von Andreas Meyer-Lauber, DGB NRW und die Falken mit Brüder zur Sonne…

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Regenschirme waren diesmal gegenüber Transparenten und Fahnen deutlich in der Überzahl. Rund 2.000 Teilnehmer hatten sich gegen 12 Uhr vor dem Gewerkschaftshaus am Hans-Böckler-Platz versammelt. Über die Ringe, Hahnenstraße und Schildergasse zogen sie zum Heumarkt. Fahnen mit Stalin-Porträts fehlten diesmal ebenso wie – nach einem Verbot von Bundesinnenminister de Maiziere – solche mit dem Bild des inhaftierten PKK-Führers Öcalan.

Auf dem Heumarkt warteten die anderen Kundgebungsteilnehmer auf die Marschierer. Dazu wie immer die Infostände von DGB-Gewerkschaften, linken Parteien, von attac und amnesty international, von Oppositionsgruppen aus Italien, der Türkei und Iran. Der Kölner Spielzirkus sorgte mit einer Rutsche für das Kinderprogramm. Stände mit Revolutions-Devotionalien warteten auf Käufer.

Hannelore Kraft und Andreas Meyer-Lauber waren die Hauptredner

Der DGB-Landesvorsitzende Andreas Meyer-Lauber lobte in seiner Rede die Einführung des Mindestlohns durch die schwarz-rote Bundesregierung sowie die Einführung eines Tariftreue- und Vergabegesetzesrechts und Mehrausgaben für Personal und Frauenförderung durch die rot-grüne Landesregierung.

Länger war seine Liste der Forderungen. Darauf standen unter anderem mehr Unterstützung für fairen Lohn, mehr Geld gegen Kinderarmut, die Bekämpfung der drohenden Altersarmut, Besteuerung von Kapitaleinkünften, Vermögen und Erbschaften, Chancengleichheit an allen Schulen sowie die kostenlose Ausbildung von der Kita bis zur Hochschule. Auch ein verbilligtes „Azubiticket“ für den öffentlichen Personennahverkehr wie für Schüler, Studenten und Rentner setzte er auf die Wunschliste.

Eine künftige Regierung müsse verstärkt den Niedriglohnsektor bekämpfen, Minijobs wieder sozialversicherungspflichtig machen und befristete Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund abschaffen – eine Forderung auch an die Landesregierung, in deren Dienst es zahlreiche solcher Arbeitsverhältnisse gebe.

NRW-Ministerpräsidentin lobt ihren Finanzminister Norbert Walter-Borjans

Ein Kritik, die sich Hannelore Kraft durchaus anzog. Allerdings mahnte sie zur Geduld, man könne nicht alles auf einmal erledigen. Sie verwies auf die Erfolge der rot-grünen Landesregierung. Dazu zählte sie etwa die 7.000 neuen Lehrerstellen, die Kampagne „Kein Kind zurücklassen“, das kostenlose letzte Kita-Jahr, den Ausbau der U3-Betreuung. Von der Bundesregierung forderte sie eine Entlastung der Arbeitnehmer von Sozialabgaben sowie die Wiedereinführung der paritätischen Beteiligung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der gesetzlichen Krankenversicherung.

Mit Hinweis auf die jüngste Verhaftung eines Schweizers, der offenbar deutsche Finanzbeamte ausspionieren wollte, lobte sie Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans, der durch den Ankauf von Steuer-CDs aus der Schweiz dem Land Steuermehreinnahmen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro in sieben Jahren verschafft habe.

Scharfe Kritik an der „Leitkultur“-Debatte von Lothar de Maizière

Scharfe Kritik hatte die Ministerpräsidentin gleich zu Beginn ihrer Rede an der von Bundesinnenminister de Maizière „aufgewärmten“ Diskussion zur deutschen Leitkultur geübt. Diese diene nicht der Integration, sondern allein dem Wahlkampf. Stattdessen verwies sie auf Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Achtung der Menschenwürde sichert, als Grundlage einer Leitkultur.

Zum Schluss des politischen Teils der Kundgebung forderte der Verdi-Fachbereich Gesundheit und soziale Dienste unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle“ mehr Fachkräfte in Krankenhäusern und Pflegediensten. Bundesweit sei hier jede 5. Stelle unbesetzt, in Köln seien es rund 2.200 offene Stellen. Diese führe nicht nur zu Arbeitsstress, sondern auch zu einer schlechteren Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen.

Kultur mit den Kabarettisten Winfried Schmickler und Robert Griess

Mit Beginn des Kulturteils hatte sich die Zuschauermenge auf dem Heumarkt schon merklich gelichtet. Dem fröstelnden und nassen Rest heizte Kabarettist Konrad Beikircher mit seiner Band und italienischen Schlager-Klassikern noch einmal richtig ein. Kabarettist Winfried Schmickler freute sich, dass er die gleichen Menschen wieder traf, die an gleicher Stelle vor einer Woche schon gegen den AfD-Bundesparteitag demonstriert hätten. Lediglich Polizeipräsident Jürgen Mathies vermisse er, der im Vorfeld Stimmung gegen diese Demonstrationen gemacht habe.

Mit bitterer Selbstironie unterzog er die gegen die AfD behauptete Toleranz und Weltoffenheit der Kölner einer Prüfung. Auch die der Karnevalisten und nannte als Beispiel die frauenfeindlich-zotige Büttenrede des „kölschen Schutzmanns“ Jupp Menth in diesem Jahr – Folgen von offizieller Karnevalsseite gab es dafür aber nicht. Gleichzeitig setzte er sich auch für die Meinungsfreiheit einer „Scheißpartei“ wie der AfD ein.

Während Schmickler mit dem Florett seziert, setzte sein Kabarettkollege Robert Griess wie gewohnt den Zweihänder ein. Er forderte zur Solidarität mit den armen Reichen auf, unter anderem mit Versicherungsvertreter Carsten Maschmeyer, der Einzige, den die Riester-Rente reich gemacht habe. Er plädierte stattdessen für die Einführung einer Altersversicherung, in die – wie in Österreich oder der Schweiz – alle einzahlen: Reiche, Beamte, Selbstständige und Politiker. Denn die private Altersvorsorge könne sich kein Geringverdiener leisten – dessen Altersarmut sei so garantiert, kritisierte er Bundessozialministerin Andrea Nahles. In diesen Zusammenhang passt Griess’ Lieblingsziel: Ex-VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn, der ein Ruhegeld von 3.100 Euro erhält – täglich.

Autor: Text und Fotos: ehu, Videos: ag