Stuttgart/Grevenbroich | Die letzte Ruhestätte: Seit Jahren schon bieten Bestatter aus ganz Deutschland für die finale Reise die Ost- und Nordsee an. Und tatsächlich würden laut einer aktuellen Emnid-Umfrage mittlerweile immer mehr Deutsche die freie Natur dem städtischen Friedhof vorziehen. Während es aber von Borkum bis Wangerooge sowie in der Lübecker Bucht erlaubt ist, die Asche den Wellen zu überlassen, sind Bestattungen auf Binnengewässern in der Bundesrepublik verboten. Auf dem Bodensee finden sie jedoch statt – nach einem Umweg über die Schweiz.

In der freien Natur gibt es keine Fristen

„Dort ist man wesentlich liberaler“, sagt Dietmar Kapelle aus Grevenbroich am Niederrhein. Er bietet die Seebestattung über sein Unternehmen „Oase der Ewigkeit“ auf der Schweizer Seite an. Vier bis fünf sind es pro Jahr. Wie genau die Urnenbeisetzung abläuft, möchte Kapelle nicht sagen. „Um den Akt an sich zu schützen und bei den Eidgenossen keinen Unmut zu erzeugen.“ Immerhin versorgt der Bodensee als drittgrößtes europäisches Binnengewässer rund 4,5 Millionen Menschen mit Trinkwasser. Und niemand möchte laut Kapelle wissen, dass vor dem eigenen Seegrundstück Asche von Verstorbenen verstreut wird.

Einen verstärkten Trend hin zu Naturbestattungen nimmt er schon seit längerer Zeit wahr. „Der Zeitgeist hat sich geändert. Die meisten Menschen wollen die Form des Friedhofs einfach nicht mehr.“ Auch der Kostenfaktor spiele eine Rolle – bei einer Beisetzung im Freien gibt es keine Grabpacht mit Mindestruhezeiten. „In der freien Natur bleibt man für immer. Da läuft auch nach 20 Jahren keine Frist ab“, sagt Kapelle. Zum Vergleich: Eine Beisetzung auf dem Friedhof kostet rund 1.300 Euro plus Folgekosten beispielsweise für die Grabpflege, die Zerstreuung auf dem See liegt ohne Angehörige bei 580 Euro.

Anfragen für Seebestattungen kommen immer von Auswärtigen

Der Bestatter aus Grevenbroich arbeitet seit zehn Jahren mit Unternehmen rund um den Bodensee zusammen. So auch mit Gisela und Karl Hanssler, die in Pfullendorf (Landkreis Sigmaringen) Beerdigungen organisieren. Wann immer Angehörige von Verstorbenen den Wunsch nach einer Seebestattung oder einer Beisetzung der Asche in den Schweizer Bergen wünschen, stellt das Ehepaar den Kontakt zu Dietmar Kapelle her.

„Überraschenderweise sind es nie Einheimische, die diese Art wählen“, sagt Gisela Hanssler. Anfragen kämen aus Hamburg, der Pfalz, zuletzt aus Düsseldorf. Für die 55-Jährige selbst wären die Naturbestattungen nichts. „Wo hat man denn dann noch einen Platz zum Trauern? Wo hält man Zwiesprache?“ Einen solchen Ort bietet Kapelle seit Kurzem in Eitorf an (Rhein-Sieg-Kreis). Der Privatwald 30 Kilometer von Köln und Bonn entfernt ist laut Bestatter der erste in Deutschland, in der die Asche ohne Urne dem Boden übergeben werden darf. Wer möchte, kann ein kleines Namensschild an einem der Bäume anbringen lassen.

„Seebestattung ist eine gewöhnungsbedürftige Vorstellung“

Das Bestattungsgesetz in Nordrhein-Westfalen ist insgesamt liberaler als in Baden-Württemberg. In Deutschlands dicht besiedeltem Bundesland ist es sogar erlaubt, die Urne im eigenen Garten beisetzen zu lassen, wenn auch unter sehr strengen Auflagen. Eine derartige Lockerung des Gesetzes ist im Südwesten allerdings trotz anstehender Reform nicht geplant.

Im Laufe der nächsten Monate müsse das Bestattungsrecht wegen der besonderen Wünsche unter anderem von Muslimen überarbeitet werden, sagte Helmut Zorell, Sprecher des zuständigen Sozialministeriums, auf dapd-Anfrage. Es sei noch nicht klar, welche Punkte das betreffe. Die Erlaubnis für Bestattungen zu Hause im Garten sei aber eher unwahrscheinlich. Auch eine Änderung am Bodensee stehe nicht zur Debatte. „Es ist schon bemerkenswert ist, dass man in der Schweiz Seebestattungen im Bodensee machen darf, bei uns aber nicht, obwohl es sich um ein und dasselbe Gewässer handelt“, gab Zorell zu. Eine Seebestattung in dieser Tourismusregion sei eben doch eine „gewöhnungsbedürftige Vorstellung“.

Erst 2008 hatte die alte CDU-geführte Landesregierung in Baden-Württemberg entschieden, den Bodensee nicht zum „Totensee“ verkommen zu lassen, hieß es damals aus Stuttgart als Begründung.

Autor: Katja Heins/ dapd
Foto: Symbolfoto