Köln | Das Festkomitee Kölner Karneval hat eine Akademie, in der es Künstler für Sitzungen, Bälle und mehr ausbildet. Einmal im Jahr, kurz vor dem Elften im Elften, präsentierte das Literarische Komitee diese. Zum ersten Mal fand der Vorstellabend in der Flora statt und 13 Progammnummern standen auf der Liste. Dem Festkomitee gelingt eine professionelle, aber – auch durch die Lokation bedingte – sterile und steife Präsentation.
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Die report-K Interviews zum Vorstellabend des Literarischen Komitees 2016 in der Flora

Rupert Schieche, alias Gisbert Fleumes, zu Mettbrötchen und Schwiegermüttern >

„Der Nubbel“ – Michael Hehn über die von ihm verkörperte Figur >

Eine neue Band im Kölner Karneval „Die Köbesse“ >

„Zwei Hillije – Eineiige Kusängs“ über den Stehtischfetisch >

Rednerin Anne Vogd ist neu auf den karnevalistischen Bühnen des Rheinlands >

„Kölsch Cats“ – Swing für den Kölner Karneval >

Die Newcomer beim Literarischen Komitee

Fangen wir mit den Newcomern an. Anne Vogd, eine Rednerin, kommt aus dem Mainzer Karneval nach Köln. Der flußaufwärts gelegene Karneval sei, für ihre Type der reichen Ehefrau, die leicht überdreht dargestellt wird, zu politisch, so die Künstlerin. Daher wagt die gebürtige Aachenerin jetzt den Sprung auf die Kölner Bühnen. „De Köbesse“ sind eine sechsköpfige Formation um Roger Moore, der 2002 die Linus Talentprobe gewonnen hat, die den Sprung aus dem Umland ins Kölner Jeckenbassin schaffen will. Moore erklärt im report-K-1:1- Interview, dass die Band früher hauptsächlich Coversongs spielte und jetzt mit eigenen Songs in Köln punkten will. Zum ersten Mal auf der Bühne auch die „Kölsch Cats“ drei junge Frauen und drei Musiker die Köln zum swingen bringen wollen. Stimmgewaltig und musikalisch ausgereift bringen sie eine neue Note in den Kölner Karneval, den man sich gut auf den in den letzten Jahren immer mehr in Mode gekommenen mondäneren Veranstaltungen vorstellen kann, wie der der Colombinen oder auch einer Draumnaach. Die Profimusiker sind zudem solo unterwegs und haben sich aus den unterschiedlichsten Formationen zusammengefunden.

Die Redner des Literarischen Komitees

Mit „Der Nubbel“, Michael Hehn, oder den „Zwei Hillije“ Bernd und Wolfgang Löhr als musikalischem Zwiegespräch – eine zunehmende Rarität im Kölner Karneval und Rupert Schieche als „Gisbert Fleumes“, zeigt das Komitee drei starke Typen gesetzter Künstlerpersönlichkeiten, die durch ihren eigenen Stil überzeugen, der auch in der Schule der Akademie nicht verloren gegangen ist. Hehn orientiert sich dabei stärker am Alltag der Menschen und kombiniert etwa Kölsch mit Hip Hop Versen und bringt so neue lautmalerische Klänge auf die Bühne, die sich angenehm von der des reinen Witzeerzählers – auch schon berühmterer Kollegen – unterscheiden. Rupert Schieche, bekennender Odist, widmet sich in dieser Session unter anderem dem Mettbrötchen und Schwiegermüttern. Seine zudem vorgetragenen Minigedichte lassen Erinnerungen an die Poesie eines Robert Gernhardt wach werden. Die Persiflage auf des Kölners liebstes Karnevalslied – das Trömmelchenlied der Räuber – ist ein sprachliches und lautmalerisches Monument und Bonmot der Extraklasse, das den Saal in weniger als zwei Sekunden zum mitsingen bringt. Dieses kleine Stück hat mehr als Hitqualitäten.

Der kölsche Liedermacher – ein Typus im Kommen?

Das Genre kölscher Singer und Songwriter besetzte Helmut A. Wiemer in Begleitung hervorragender Musiker wie Michael Dahmen und Frank Bouhler. Die Besetzung wechselt und der lockere Zusammenschluss von Musikern um Wiemer, zu denen auch J.P. Weber zählt, hat sich 2016 unter dem Titel „Kölschkultur“ zusammengefunden. Es wird spannend sein, ob der etablierte Karneval kreativ genug ist, um eine Nische für solche Töne in den Sitzungsprogrammen zu finden, denn nur interne Veranstaltungen der Gesellschaften sind für diese Künstler und ihre Qualität auf die Dauer nicht der richtige Rahmen. Da sind die kommerziellen Anbieter, vor allem Großgastronomen weiter und wie das Beispiel Björn Heuser zeigt, der mit „Kölle singt“, die Arena füllt, gibt es ein großes Publikum und Interesse dafür.

Mit „Et schlaue Pitterche“, Jan Arne Wirths und dem „Mundart Zwiegespräch Zilli un Mattes“ Celina Domscheit und Max Röhrig, präsentierte das Komitee auch im Kinder- und Jugendbereich Künstler. Diesen sehr jungen Künstlern merkt man die Schule der Akademie und die, wie in jeder Schule üblich, von dort kommenden Einflüsse an. Es wird sich zeigen, ob es hier gelingt über diesen Weg eigenständige Künstlerpersönlichkeiten zu entwickeln. Auf der Bühne standen zudem die Bands „Dave Zwieback“, „Müller“ und „Kempes Feinest“.

Sterile Location

Das Literarische Komitee präsentierte zum ersten Mal in der Kölner Flora mehr eine Sitzung, als einen Vorstellabend. Die Künstler kommen aus der Garderobe auf die Bühne und gehen dorthin zurück. Das ist steril und entspricht eigentlich gar nicht den Gepflogenheiten des Kölner Karnevals. Der Künstler geht im Kölner Karneval – ganz gleich ob Sitzung oder Vorstellabend – von der Bühne ins Foyer und steht mit seiner ersten Emotion mitten im Publikum, das sich dort versammelt hat. Wird dort bejubelt oder eben nicht. Gerade die Vorstellabende leben von dem direkten Kontakt zwischen Künstler, Literaten, Medienleuten oder Fans. Das gelang in der Flora nicht.

Auffallend ist, dass auf allen anderen Vorstellabenden auch Tanzgruppen präsentiert oder wenigstens thematisiert werden. Das Literarische Komitee hat, anders als die Künstlervereinigungen, wohl aktuell keine unter seinen Fittichen. Dabei stellt sich die Frage, welchen Eindruck das höchste Gremium im Kölner Karneval, das Festkomitee Kölner Karneval, hier an Literaten und Programmgestalter vermittelt, wenn es nur Redner und Musiker auf die Bühne bittet. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Buchungslage der Tanzgruppen, auch der Kindertanzgruppen, zu wünschen übrig lässt.

Autor: Andi Goral
Foto: Neu auf den Bühnen des Kölner Karnevals: „Kölsch Cats“