Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW, bei der Pressekonferenz zur Entscheidung zu Lützerath in Berlin am 4. Oktober 2022. | Foto: Screenshot

Köln | red/dts |Gestern stand die grüne Wirtschaftsministerin von NRW Mona Neubaur neben dem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und dem Chef von RWE, Markus Krebber. Sie verkündeten das Ende von Lützerath: „Lützerath wird abgebaggert“. Die beiden grünen Minister feierten dies als guten Tag für den Klimaschutz, weil der Braunkohleausstieg in NRW vorgezogen werde. Sie verkündeten dies als wäre dies eine absolute Top-Meldung mit echtem News-Charakter. Dabei steht das Datum 2030 für den Kohleausstieg seit Juni schon im schwarz-grünen Zukunftsvertag für NRW und zuvor im grünen Landtagswahlprogramm. Die Kritik an den Grünen ist massiv.

Zum Kohleausstieg findet sich im Koalitionsvertrag in NRW zwischen CDU und Grünen folgende Passage: „Wir wollen den Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen bis 2030 umsetzen. Die rechtlichen und finanziellen Grundlagen zum Kohleausstieg auf Bundesebene müssen entsprechend angepasst werden. Die bestehenden Regelungen, die den sozialverträglichen Personalabbau im Rahmen des Kohleausstiegs ermöglichen, müssen auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, die von einem weiter beschleunigten Kohleausstieg betroffen sind. Außerdem sind staatliche Anreize für Weiterqualifizierung und Umschulung erforderlich. Die Versorgungssicherheit werden wir gemeinsam mit der Bundesregierung zu jedem Zeitpunkt gewährleisten und dazu jeweils notwendige Maßnahmen ergreifen. Bis zum Ausstieg wird die Braunkohle dazu angesichts des Ukrainekrieges ihren Beitrag leisten. Hierzu ist eine durchgehende Genehmigungssicherheit der Tagebaue und Kraftwerke erforderlich.

Mit einer zeitnahen neuen Leitentscheidung sorgen wir für Klarheit und Sicherheit für die Menschen im Rheinischen Revier und treffen darin alle wesentlichen und erforderlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Beendigung der Braunkohlegewinnung und -verstromung. Diese Leitentscheidung soll das letzte Kapitel für den Braunkohletagebau in Nordrhein-Westfalen sein. Mit dem bergbautreibenden Unternehmen wird ein Einvernehmen darüber hergestellt, welche Tagebauflächen bis zur Fertigstellung der neuen Leitentscheidung noch genutzt und welche anderweitigen Eingriffe bis dahin noch erfolgen werden.“ Auch der Erhalt der Dörfer des dritten Umsiedelungsabschnitts findet sich bereits im Zukunftsvertrag von Schwarz-Grün. Weiter heißt es auch: „Die Tagebauplanung für den Tagebau Garzweiler muss dementsprechend zeitnah angepasst werden. Die weitere Tagebauführung in Garzweiler und Hambach soll unter Berücksichtigung aller Massenbedarfe so gestaltet werden, dass die Flächeninanspruchnahme auf ein Minimum begrenzt wird.“

Mona Neubaur sprach diese Passagen aus dem Koalitionsvertrag in NRW bei der gestrigen Pressekonferenz gar nicht an. Das ist insofern interessant, als damit dem Mann, der zwei Pulte weiter stand und der der Vertreter von RWE ist, bekannt war, dass sein Braunkohle-Geschäftsmodell endlich war in NRW. Stattdessen stellten Neubaur und Habeck einen Zusammenhang her zwischen dem Anfahren der zwei Kraftwerksblöcke, dem Krieg, der Energiekrise und betteten darin das Sterben von Lützerath ein. Ist es also vor diesem Hintergrund des Koalitionsvertrages von den NRW Grünen legitim jetzt so zu tun, als würden sie Lützerath nur für 2030 opfern? Lützerath war rein rechtlich im übrigen bereits vor der NRW-Landtagswahl verloren.

Das grüne Wahlprogramm NRW

Auch das grüne Wahlprogramm zur Landtagswahl NRW im Mai nennt ebenso das Enddatum 2030. Hier heißt es: „Wir nutzen alle Möglichkeiten, die wir auf Landesebene haben, um den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen, und stellen den Kohleausstieg bis 2030 sicher.“ Auch zu den Dörfern im Rheinischen Revier findet sich im grünen Wahlprogramm eine Passage: „Wir stellen hierbei die Menschen, den Klima- und den Naturschutz ins Zentrum unseres Handelns. Damit bleiben nicht nur alle Dörfer im Rheinischen Revier erhalten, sondern wir sorgen auch dafür, dass die geretteten Dörfer neu erblühen und ‚Zukunftsdörfer‘ werden können. Mit einem Abriss- und Rodungsmoratorium werden wir die weitere sinnlose Zerstörung von Infrastruktur und Heimat verhindern.“

Es bleibt abzuwarten, ob die Klimaschützer:innen oder die Mitglieder von Fridays for Future, dem gestern aufgestellten grünen Narrativ folgen werden, dass es einen Zusammenhang zwischen Lützerath abbaggern und 2030 gibt. Und es gehört zur Wahrheit dazu, dass der Krieg in der Ukraine schon im vollen Gang war, als das grüne Wahlprogramm aufgestellt und im Wahlkampf verbreitet wurde, denn das Programm führt ihn selbst auf. Krebber forderte gestern schon einmal vorsorglich bei der Landesregierung Unterstützung bei der Räumung von Lützerath an und verwies auf rechtstaatliche Prinzipien.

Luisa Neubauer übt scharfe Kritik an Lützerath-Entscheidung

Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer hat scharfe Kritik an der Entscheidung für ein Abbaggern des Dorfes Lützerath im rheinischen Braunkohlrevier geübt. „Die Bundesregierung wirft RWE nun die 1,5 Grad Grenze und das bedeutsamste Symbol des Klimaschutzes zum Fraß vor und will das auch noch als Erfolg verkaufen“, sagte Neubauer dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Mittwoch). „Kein deutscher Konzern hat die Klimakrise so sehr befeuert wie RWE und jetzt haben sich ausgerechnet die Grünen von RWE vorführen lassen“, so die Umweltschützerin, die selbst Grünen-Mitglied ist, weiter.

Dabei sei bekannt, dass der Kohleausstieg 2030 auch gegen den Willen von RWE kommen müsse und eine sichere Energieversorgung auch mit Lützerath möglich sei, betonte sie. „Das ist ein schlechter Tag für die Grünen, für das Klima und für alle Menschen, die nicht wollen das räuberische Kohlekonzerne die Energiewende diktieren“, so Neubauers Fazit.

Grüne Jugend stellt sich gegen grüne Realpolitiker in NRW und im Bund

Die grüne Jugend im Bund und in NRW spricht von einer falschen Entscheidung zu Lützerath. Dazu Timon Dzienus, Bundessprecher der grünen Jugend in einem schriftlichen Statement: “Es ist gut, dass wir dem Kohleausstieg 2030 einen Schritt näher gekommen sind. Dieser ist aber eine notwendige Voraussetzung, um unsere Klimaziele einzuhalten. Die Entscheidung Lützerath abzubaggern, ist eine Entscheidung gegen das Klima, die wir für falsch halten. Nur wenn die Kohle unter dem Dorf nicht verfeuert wird, können wir unsere Klimaziele einhalten. Die Bundesregierung droht damit, ihre Klimaziele aus den Augen zu verlieren.”

Rênas Sahin, Landessprecher der grünen Jugend NRW: “Die Entscheidung über Lützerath  zerstört den sozialen Frieden in der Region und ist klimapolitisch fatal. Die Kohle unter Lützerath wird nicht gebraucht, bedroht aber unsere Klimaziele massiv. Dass die Landesregierung hier den kurzfristigen Profitinteressen von RWE folgt, ist für uns unverständlich. Wie bereits in der Vergangenheit, werden wir uns auch nach dieser Entscheidung den Protesten anschließen und für das Klima und die Menschen vor Ort streiten.“